A330 MRTT – die fliegenden Tankstellen der MMU
Stefan Bitterle
In Goose Bay ist viel los Ende Juni. Der nordöstliche Teil des kanadischen Flugplatzes in Neufundland steht voll mit grauen Militärflugzeugen: Die multinationale Luftwaffengroßübung Pacific Skies 24 hat hier den ersten transatlantischen Standort erreicht. Am Nachmittag des 28. Juni landen alle paar Minuten deutsche Eurofighter, Airbus A400M, C130 Hercules, französische Rafale und die großen A330 MRTT-Tanker der MMU und der französischen Luftwaffe.
110 Tonnen Treibstoff im Tank
Die MMU ist die Multinational Multi Role Tanker Transport Unit (MRTT) in Eindhoven. Der multinationale Verband mit seinen sechs Mitgliedsnationen betreibt acht KC-30, wie die Airbusse militärisch heißen. Er hat von seinen beiden Basen in Eindhoven und Köln aus vier seiner Tanker zur Verfügung gestellt. Die großen zweistrahligen Mehrzweckflugzeuge werden in der zivilen Luftfahrt als Langstreckenpassagierflugzeuge eingesetzt. Ihre maximale Abflugmasse beträgt 230 Tonnen. Von der Innenausstattung sehen die grauen Riesen aus wie ihre zivilen Entsprechungen. Aber von den etwa 110 Tonnen Treibstoff können sie Kerosin an die Kampfflugzeuge abgeben, die ohne die fliegenden Tankstellen nicht über den Atlantik kämen.
In Formation über den Nordatlantik
Über Nordholland treffen die beiden Eindhovener Tanker auf sechs deutsche und spanische Eurofighter, die aus dem rheinischen Nörvenich bei Köln aufgebrochen sind. Die ganze Mission ist minutiös durchgetaktet: Während die beiden Eindhovener Tanker mit einer Minuten Unterschied starten und später mit 1000 Fuß Höhenunterschied und etwa einer Meile Abstand Richtung England fliegen, fliegen je drei Jagflugzeuge pro Tanker links und rechts mit Versatz an den Flächen,
Tanken bei 800 km/h
Aus zwei Pods fährt der Tanker nun Schläuche aus, an deren Ende Körbe die Tankanschlüsse in der Luft stabilisieren. Exakt Flugfläche 290, etwa neun Kilometer Höhe und eine angezeigte Geschwindigkeit von 275 Knoten (ca. 510 Km/h) hält der Autopilot unseres Flugzeuges. Tatsächlich ist der Verband nach Kompensation der nicht vermeidbaren Instrumentenfehler mit 800 Kilometern pro Stunde über Grund unterwegs. Mit Daumen und Zeigefinger an Schubhebel und Steuerknüppel muss der Eurofighterpilot nun seinen Tankstutzen in den Korb fliegen. Fingerspitzengefühl ist nur eine Andeutung für die Präzision, die für dieses Manöver erforderlich ist. Wenn die Verbindung hergestellt ist, fließen etwa 500 Kilogramm Kerosin pro Minute vom Tanker in das Kampfflugzeug. Nach zehn Minuten ist der Vorgang abgeschlossen und der Eurofighter hat wieder für zwei Stunden Treibstoff im Tank. Dank eines komplexen Systems an Ausweichflughäfen, für die Entfernung, Landebahnlänge und Wetter eine Rolle spielen, ist so gewährleistet, dass die Jagdflugzeuge während der Atlantiküberquerung bei einem Zwischenfall immer sicher landen könnten.
Goose Bay in Wolken
Westlich von Grönland ist das vierte Bracket, wie die Betankungsabschnitte heißen, abgeschlossen. Die Tanker fahren ihre Schläuche ein und beginnen den Anflug auf Goose Bay. Eine Wolkendecke in 500 Meter Höhe über der kanadischen Basis macht den Anflug noch einmal spannend. Der Verband löst sich erst über dem Festland auf, dann landen zuerst die Jagdflugzeuge und dann die Tanker nach sechs Stunden Flug und rollen auf ihre Abstellflächen. Pacific Skies 24 hat Kanada sicher erreicht.
Stefan Bitterle