Print Friendly, PDF & Email

Systeme für die unbemannte Luftfahrt gewinnen immer mehr an Bedeutung, erklärt Lutz Kampmann, Geschäftsführer der Northrop Grumman LITEF GmbH. Aber vom Sondervermögen Bundeswehr ist beim Mittelstand so gut wie nichts angekommen. Mit deutlich erweiterten Kapazitäten produziert das Freiburger Unternehmen derzeit vornehmlich für Endkunden aus dem Ausland.

 

Sehr geehrter Herr Kampmann, der Markenkern von LITEF ist die inertiale Navigation. Was zeigen Sie alles auf der ILA?

Wir freuen uns sehr auf die ILA. Wir fühlen uns auf der Mes- se wohl, haben erneut ein tolles Standkonzept und werden dort unsere Standardproduktpalette präsentieren.

Lutz Kampmann ist seit 2019 Geschäftsführer der Northrop Grumman LITEF GmbH. (Foto: LITEF)

Im militärischen Bereich zeigen wir für die Luftstreitkräfte die Stabilisierung für Missiles wie IRIS-T und Meteor. Im Marinesektor informieren wir u. a. über unsere Produkte für Torpedos. Mit dem LCR-110 sind wir über die ESG in den Drohnen für die Marine vertreten. Wir werden auch die neueste Generation Landnavigationssysteme ausstellen. An- stelle eines faseroptischen Systems wird bei der sogenannten LLN-GZ ein MEMS-System (Micro Electro Mechanical Systems) treten. Das ist robuster, genauer und kostengünstiger. Mit diesem Produkt zielen wir auf die Navigation für die mittleren Kräfte, auf kleinere gepanzerte und logistische Fahrzeuge. Und wir werden die nächste Generation unserer Landnavigationspalette LLN-G1, die LLN-G2, zeigen. Die aktuelle LLN-G1 ist heute im Leopard 2 A7V und 2 A8. In naher Zukunft wird mit der LLN-G2, die dasselbe Gehäuse wie die aktuelle Navigationseinheit besitzt, eine noch genauere inertiale Navigationseinheit für Kampfpanzer verfügbar sein. Alle inertialen Navigationssysteme für die militärische Anwendung können mit einer Anti-Jamming- und Anti-Spoofing-Funktionalität ausgestattet werden. Die Anti-Jamming- und Anti-Spoofing-Funktionalität wurden zusammen mit Wehrtechnischen Dienststellen entwickelt. Das ist auch ein wichtiges Thema für den Mittelstand, da zunehmend weniger Gelder im Bereich Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen.

Ganz generell ist zu sagen, dass natürlich auch die inertiale Navigation genauer werden muss. Das sind die Lessons Learned aus der Ukraine. Genauigkeit heißt, mit dem ersten Schuss zu treffen. Das ist die Anforderung. Wir haben in der Ukraine gelernt, dass alles, was mit GPS arbeitet, nicht funktioniert, weil es gestört werden kann. Die inertiale Navigation, unser Erfolgsrezept, kann hingegen nicht gestört werden und wir sind damit in der Lage, auch die GPS-Signale zu überwachen und gegebenenfalls auszuschließen.

Auf der zivilen Seite ist das Kurs-Lage-Referenzsystem (AHRS) LCR-110 ein hybrides Produkt.

Auch das LCR-110 analysiert laufend, ob das GPS-Signal korrekt ist und mit den Positionsdaten der inertialen Navigation übereinstimmt. Gegebenenfalls werden die entsprechenden Signale der korrumpierten GPS-Satelliten abgeschaltet. Pilot und Besatzung merken nichts davon und können normal mit dem richtigen Signal weiterfliegen. Das ist heute schon spätestens im Jahr 2027 an, wie viele Zulieferer im deutschen Mittelstand, mit den Kapazitäten runterzufahren und konzentrieren uns auf die Rückläufer aus der existierenden Flotte, um den entsprechenden Service zu leisten. Das ist mit Sicherheit nicht ein Problem im Baltikum. Luftfahrtgesellschaften berichten uns, dass mittlerweile 50 Prozent ihrer Flüge mit dem Thema konfrontiert sind. Dafür haben wir sichere Lösungen.

Hauptaussteller auf der ILA ist die Bundeswehr, mit der Luft- waffe an vorderster Stelle. Schauen wir zunächst mal Richtung Eurofighter. Wie sieht es da mit technischen Verbesserungen wie mit der Tranche 5 aus Ihrer Sicht aus?

Wir bauen gerade die ersten neuen Qualifikationseinheiten der EFA IMU für Quadriga, die Tranche 4 des Eurofighter.

Die IMU für den Eurofighter – vierfach redundante Navigation. (Foto: LITEF)

Ich will an dieser Stelle zwei Themen ansprechen. Zum einen muss die Bundesrepublik Deutschland zu ihren Staatsverträgen stehen. Die Projekte, die BAE und auch Leonardo vorantreiben, sei es bei den Saudis oder in Katar, sind für alle, die mit dem Eurofighter beschäftigt sind, überlebenswichtig.

Ich bin extrem positiv überrascht gewesen, als Deutschland Anfang des Jahres seine Haltung zu Saudi-Arabien überdacht hat. Wir können nur hoffen, dass dieser Positionswechsel, wie so vieles, nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Wir wissen, dass Airbus ein Potenzial von einer signifikanten Anzahl Exportkunden sieht. Es wäre schön, wenn das mit dieser Bundesregierung realisierbar wäre. Für die Zukunft des Eurofighter und damit verbunden der mittelständigen Zulieferindustrie ist der Export wichtig.

Das LCR 110 ist ein kostengünstiges, leichtes und platzsparendes Inertialreferenzsystem auf Basis von MEMS-Beschleunigungsmessern und faseroptischen Kreiseln. (Foto: LITEF)

Und dann kommt das ganze Thema der Tranche 5. Wenn wir einen Anschluss oder einen nahtlosen Übergang zu FCAS (Future Combat Air System) haben wollen, müssen wir als Deutschland auch den Schritt der Eurofighter Tranche 5 gehen. Da geht kein Weg dran vorbei. Ansonsten fangen wir spätestens im Jahr 2027 an, wie viele Zulieferer im deutschen Mittelstand, mit den Kapazitäten herunterzufahren und konzentrieren uns au die Rückläufer aus der existierenden Flotte, um den entsprechenden Service zu leisten. Das ist mit Sicherheit nicht zielführend. Wir werden dann auch keine signifikanten Entwicklungsaufträge mehr erhalten und irgendwann anfangen, unsere Entwicklungsmannschaft anders einzusetzen. Die Konsequenz ist, dass man sehr schnell die Fähigkeit zum Bau eines Kampfjets in Deutschland verliert.

Die µFORS Familie wurde für die hohen Anforderungen von Luft-, Land- und Marineanwendungen entwickelt. (Foto: LITEF)

Und dann?

Dann muss man sich fragen, was fliegt die Luftwaffe in Zukunft? Sind es nur F-35? Wir würden komplett an den USA hängen und haben noch nicht mal in den Verträgen stehen, eine Komponenten- oder Baugruppenwartung in Deutschland zu machen. Dazu gehen die Teile nach Italien, nach Norwegen oder zu den Nationen, die frühzeitig in dem Programm beteiligt waren und sich ihren Share gesichert haben. Und was macht Deutschland? Rheinmetall fertigt zwar eine Mittelsektion, aber das ist auch „nur“ die Second Source. Die Hauptfertigung für die Mittelsektion ist in den USA.

Es droht der Verlust der Kompetenz, Kampfflugzeuge zu bauen. Die Behauptung, wir würden mit Schwerpunkt die heimische Wirtschaft im Rahmen der Zeitenwende unterstützen, ist auch hier nicht haltbar.

Ist das Thema unbemannter Flugkörper wie Remote Carrier für Sie auch ein Thema?

Die µIMU ist eine inertiale Messeinheit auf MEMS-Basis. (Foto: LITEF)

Ja klar. Wir sind sowohl auf der zivilen als auch auf der militärischen Seite zum Thema Remote Carrier intensiv unterwegs. Wir liefern das LCR-110 als inertiales Navigationssystem für die Helikopterdrohnen der Marine. Und wir sind intensiv in der Zusammenarbeit mit Herstellern von unbemannten Systemen, die ihre Drohnen für die Nutzung im zivilen Luftraum ausrüsten. Dort über die zivil zugelassenen Navigations- oder Kurs-Lage- Referenzsysteme, weil diese die erforderliche Zulassung für den zivilen Luftraum haben. Das ist der einfachste Weg für unsere diversen Kunden.

Auf der zivilen Palette hat sich in den letzten anderthalb Jahren das Geschäft mit autonomen Systemen entwickelt. Die haben genau das gleiche Problem. In der Zulassung brauchen sie ein System, das heute schon zertifiziert ist. Wir sind in der Regel mit zwei Systemen dabei: einmal faseroptisch, einmal MEMS- basiert. Beide Systeme sind zugelassen. Dies macht es für den Kunden deutlich einfacher in der Zulassung des Gesamtsystems. Es braucht auch dort die Erfahrung aus dem normalen Luftfahrtgeschäft, um erfolgreich zu sein. Für uns ist das ein Wachstumsmarkt.

Das Thema unbemannte Luftfahrt ist ebenfalls einer unserer Schwerpunkte auf der ILA. Und die nächste Generation unserer Systeme wird kleiner, genauer und wahrscheinlich MEMS-basiert sein.

Was ist bei Ihnen, was bei anderen mittelständischen Unter- nehmen vom Sondervermögen bzw. der Zeitenwende angekommen?

Bei uns wird sich bislang nur der Kauf der Airbus-Helikopter H145M auswirken, für den liefern wir das Navigationssystem. Zum Glück haben wir einen langjährigen, wirklich sehr zuverlässigen Partner, der den Leopard-Panzer über die normale Lieferantenkette produziert. Wir sind im Leopard mit dabei, sowohl bei den Lieferungen für Deutschland als auch bei dem, was in Zukunft für die anderen Länder wie Norwegen und Italien laufen wird.

Insgesamt haben wir unseren Output und unsere Kapazitäten, wie von der Politik gefordert, signifikant gesteigert. Wir produzieren für viele der in der Presse diskutierten Systeme die Kernelemente zur Navigation oder Stabilisierung. Aktuell arbeiten wir heute an einem unserer Standorte dreischichtig, inklusive freiwillig am Samstag. Am Hauptstandort in Freiburg sind wir zweischichtig in der Produktion.

In der Freiburger Produktionshalle zeigt Lutz Kampmann einen selbst hergestellten Wafer mit rund 150 Chips. (Foto: LITEF)

Das klingt insgesamt sehr ernüchternd!

Aus meiner Sicht geht das ganze Thema 100 Milliarden-Sondervermögen und Zeitenwende am deutschen Mittelstand vorbei. Man hat den aus dem Sondervermögen beauftragten OEM (Original Equipment Manufacturer) nicht vorgegeben, bei gleicher Performance und gleichem Preis in Deutschland kaufen zu müssen. Da das nicht irgendwo als Forderung steht, passiert das auch nicht und unser Steuergeld fließt ins Ausland. Wir haben all das getan, was Verteidigungspolitiker in Deutschland gerne kommunizieren. Wir haben unsere Kapazitäten er- weitert. Wir sind heute in der Lage, 50 bis 60 Prozent mehr Kapazität zur Verfügung zu stellen. Gekauft hat die Kapazität aber nicht Deutschland. Das ist das Fatale. Die Kapazität ist erstmal blockiert für Kunden aus dem Ausland. Und dann mit der Idee zu kommen, wir würden alles stehen und liegen lassen, wenn denn mal ein kleiner Auftrag aus Deutschland kommt, ist nicht wirklich durchdacht.

Sehr geehrter Herr Kampmann, vielen Dank für die interessanten Informationen.

 

Das Interview führte Burghard Lindhorst.