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Verteidigungsminister Boris Pistorius hat am Mittwoch mit deutlichen Worten betont, welche Bereitschaft Bewerberinnen und Bewerber bei der Bundeswehr mitbringen müssen. Im Rahmen eines Besuchs des Karriere Center der Bundeswehr in Stuttgart sagte er: „Kern eines Jobs bei der Bundeswehr ist die Bereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung und zur Teilnahme an Auslandseinsätzen. Das heißt immer auch die Bereitschaft, im Zweifel, wenn es drauf ankommt, die eigene Gesundheit für die Sicherheit anderer aufs Spiel zu setzen.“ Worte, die man so nicht von einem deutschen Verteidigungsminister oder einer Verteidigungsministerin im Zusammenhang mit Personalgewinnung gewohnt ist. Sie spiegeln allerdings die Zeitenwende in der deutschen Sicherheitspolitik wider, ausgelöst durch den umfassenden Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar 2022.

Immer weniger Personal

Das Thema Personalgewinnung ist derzeit ein Sorgenkind der Streitkräfte. Anstatt auf die offizielle ausgerufene Personalstärke von 203.000 Soldatinnen und Soldaten anzuwachsen, sinkt die Anzahl des militärischen Personals immer weiter. Während die Anzahl des militärischen Personals Ende Januar dieses Jahres noch 183.277 Männer und Frauen umfasste, sank sie bis Ende Juni auf 180.770. Erschwerend kommt für die Bundeswehr hinzu, dass die Jahrgänge immer kleiner werden und der gesamte Arbeitsmarkt derzeit um jeden einzelnen ringt.

Um diesem Abwärtstrend entgegenzutreten, müsse zum einen das Einstellungsverfahren optimiert werden, so der Minister auf der anschließenden Pressekonferenz, nach seinem Besuch im Karriere Center. „Mir ist wichtig, dass wir die Zeitspanne kurz halten zwischen einer Anfrage bei der Bundeswehr, dem ersten Beratungsgespräch, dem ersten Assessment und einer Einstellung. Diese Zeiträume müssen kurz sein“, forderte Pistorius. Zudem müsse sich in den Zeiträumen zwischen den einzelnen Phasen um die Bewerber gekümmert werden, um diese im Verfahren zu halten. Darüber hinaus müsse man auch bei den Einstellungsterminen flexibler werden, so der Minister weiter.

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Verteidigungsminister Boris Pistorius hat mit deutlichen Worten betont, welche Bereitschaft Bewerberinnen und Bewerber bei der Bundeswehr mitbringen müssen. (Foto: Bundeswehr / Dittrich)

Zwei Zielgruppen im Fokus

Zwei Zielgruppen für die Personalwerbung der Bundeswehr sieht Pistorius deutlich unterrepräsentiert. Zum einen Frauen. Diese würden lediglich zehn Prozent der Truppe außerhalb des Sanitätsdienstes ausmachen. Zum anderen deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte. Wie man diese beiden Zielgruppen besser erreich könnte, untersuche man bereits, so Pistorius weiter.

Realistisches Bild zeichnen

Mit Blick auf die Werbung von neuem Personal sagte er, dass diese ein realistisches, aber auch ansprechendes Bild vom Dienst in der Truppe zeichnen müsse, dass die aktuelle Sicherheitslage widerspiegle. Der Auftrag der Bundeswehr, für Sicherheit zu sorgen, müsse hier im Fokus stehen. Es sei eben kein Job wie jeder andere, betonte der Minister. Überzeichnete und hollywoodreife „Filmchen“ sieht er dagegen kritisch. Man dürfe keine falschen Erwartungen wecken, führte Pistorius weiter aus.

Neben der Gewinnung von neuem Personal, müsse man aber auch das Personal, das bereits in der Bundeswehr sei, besser halten. Einer Abbrecherquote von 30 Prozent, wie sie beispielweise beim Heer vorherrsche, müsse man vor allem mit einem besseren Erwartungsmanagement begegnen, so Pistorius.

Personalziel wird überarbeitet

Von dem offiziellen Personalziel von 203.000 Soldatinnen und Soldaten, distanzierte sich Pistorius und sagte, dass dies eine Zahl sei, die deutlich vor seinem Amtsantritt ermittelt worden sei. Er lasse gerade ermitteln, wie sich diese Zahl zusammensetze und wie diese mit dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr zusammenpasse, das derzeitig auf Basis der Nationalen Sicherheitsstrategie ausgearbeitet werde. „In dem Abgleich dessen ergibt sich dann eine Zahl, die kann die gleiche sein, es kann aber auch eine niedrigere oder vielleicht sogar eine höhere sein. Ich will nur am Anfang meiner Amtszeit wissen, auf welche Zahl ich aufsetzen kann.“ Er fügte hinzu, dass, egal wie hoch die Zahl am Ende sei, das Ziel, diese zu erreichen, ambitioniert sei.

Unterm Strich ist sich der Verteidigungsminister offenbar sehr bewusst darüber, wie groß die Personalnot bei der Truppe ist. Dennoch zeigte er sich auch hoffnungsvoll bezüglich der Bewerbungen für das laufende Jahr, denn obwohl man bisher etwa sieben Prozent weniger Bewerber habe als im Vorjahreszeitraum, sei die aktuelle Zahl der Beratungsanfragen bei den Karrierecentern um 16 Prozent gestiegen.

Redaktion / oh