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Die Bilanz des gestern von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vorgelegten Jahresberichts 2022 enthält die klare Aufforderung, weitere Anstrengungen zur Erreichung des Zwei-Prozent-Zieles zu unternehmen.

Auf 172 Seiten resümiert der Jahresbericht die Arbeit der NATO, darunter die Unterstützung des Bündnisses für die Ukraine. Auf die Reaktionen der Allianz angesichts der größten Sicherheitskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg wird ebenso eingegangen wie auf das neue strategische Konzept. Außerdem enthält der Bericht Ergebnisse der jährlichen Umfragen zur öffentlichen Wahrnehmung der NATO. Zum ersten Mal wurden hierbei auch Finnland und Schweden berücksichtigt.

Der Generalsekretär begrüßte, dass das Jahr 2022 das achte Jahr in Folge sei, in dem die Verteidigungsausgaben in Europa und Kanada erhöht wurden. Dies entspreche einem realen Anstieg von 2,2 Prozent und bedeutet gegenüber 2014 eine Zunahme von insgesamt 350 Milliarden Dollar. „Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber wir bewegen uns nicht so schnell, wie es die gefährliche Welt, in der wir leben, verlangt“, stellte er fest. Er erwarte, dass die Alliierten auf dem Gipfel in Vilnius im Juli eine ehrgeizige neue Zusage für Verteidigungsinvestitionen vereinbaren werden, wobei mindestens zwei Prozent des BIP in die Verteidigung investiert werden sollen.

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Sitzung des NATO-Rates auf Ebene Staats- und Regierungschefs im März 2022 – kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine. (Foto: NATO)

Sieben der dreißig NATO-Mitgliedsstaaten erreichten das 2014 deklarierte Ziel: Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Polen, die USA und das Vereinigte Königreich.

Insgesamt gaben die NATO-Länder 1,175 Billionen US-Dollar für Verteidigung aus, 1,9 Prozent mehr als 2021. Deutschland verfehlte mit knapp 61 Milliarden US-Dollar die Zielmarke von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts.

In einer qualifizierten Betrachtung der Aufstellungen kann festgestellt werden, dass ein Großteil der Ausgaben auf die Personalkosten entfallen. Spitzenreiter ist Portugal, dass 63,06 Prozent des Verteidigungsbudgets in Personal investiert, gefolgt von Italien mit 62 Prozent. Spaniens Personalanteil liegt bei 53,7 Prozent, andere: Deutschland 39,06 Prozent, Frankreich 41,65, die USA 38,84 und das Vereinigte Königreich knapp 31 Prozent. Das Schlusslicht ist Luxemburg mit 24,11 Prozent.

Mit etwas mehr als 48 Prozent investierte Ungarn mehr als alle anderen für Ausrüstung und die damit verbundenen Forschungs- und Entwicklungskosten. 22 Mitgliedsstaaten, darunter Montenegro und Rumänien investieren mehr als 20 Prozent in Ausrüstung, das Vereinigte Königreich gerade 28,06 Prozent, Spanien 26,05 Prozent, Italien 22,69 Prozent, Frankreich 28,55 Prozent, Polen 35,92 und die USA 27,23 Prozent. Portugal nimmt in dieser Kategorie mit 17,93 Prozent den letzten Platz ein, Deutschland mit 19,93 Prozent den drittletzten.

Deutschland kann zwar erneut in absoluten Zahlen punkten – nach dem Vereinigten Königreich ist es mit 60,97 Milliarden US-Dollar der zweitstärkste europäische NATO-Partner, noch vor Frankreich mit 52,443 und Italien mit 30,396 Milliarden US-Dollar. Die Diskrepanz im Verhältnis der Verteidigungsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt wird anhand des Verhältnisses deutlich: Deutschland erbringt neun Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes der NATO, trägt jedoch nur mit fünf Prozent zu den gesamten Verteidigungsleistungen bei.

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Die Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten im Vergleich (Grafik: NATO)

Neben dem Zahlenwerk enthält der Jahresbericht die Ergebnisse neuer Umfragen zur öffentlichen Wahrnehmung des Bündnisses. Erstmals wurden auch Finnen und Schweden befragt. Diese zeigen, dass die allgemeine Unterstützung des NATO-Bündnisses, die transatlantische Bindung und die kollektive Verteidigung weiterhin stark sind. 70 Prozent der befragten Bürger der NATO-Mitgliedsstaaten stimmten für einen Verbleib ihrer Nation im Bündnis, mehr als 80 Prozent halten die Zusammenarbeit zwischen Nordamerika und Europa im Bereich Sicherheit für wichtig. 75 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Verteidigungsausgaben entweder auf dem derzeitigen Niveau gehalten oder erhöht werden sollten. Eine Steigerung im Vergleich mit dem Jahr 2021: 70 Prozent. Demgegenüber stehen zwölf Prozent, die der Meinung sind, dass weniger für die Verteidigung ausgegeben werden sollte.

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Die öffentliche Unterstützung für höhere Verteidigungsausgaben ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im NATO-Bündnisgebiet gewachsen. (Grafik: NATO)

Tabelle: Verteidigungsausgaben der einzelnen NATO-Mitgliedsländer

2022 2021 2020
NATO 1.175.220 1.153.640 1.096.596
United States 821.830 793.990 770.650
United Kingdom 67.721 71.938 63.500
Germany 60.967 62.054 58.652
France 52.443 56.561 52.519
Italy 30.396 33.157 30.084
Canada 28.181 25.502 23.330
Poland* 17.132 15.099 13.363
Netherlands 15.652 13.953 12.838
Spain 14.941 14.849 12.828
Türkiye 11.946 13.137 13.396
Norway 8.400 8.438 7.228
Greece 7.869 8.006 5.492
Belgium 6.901 6.245 5.324
Denmark 5.487 5.274 4.886
Romania* 5.190 5.294 5.050
Czechia 3.905 3.915 3.199
Portugal 3.518 3.899 3.273
Hungary 2.811 3.061 2.767
Slovak Republic 2.004 2.066 2.049
Lithuania* 1.741 1.308 1.176
Bulgaria 1.341 1.276 1.121
Croatia 1.288 1.361 983
Latvia* 852 824 743
Estonia 815 749 719
Slovenia 776 763 568
Luxembourg 512 403 426
Albania 289 224 197
North Macedonia 226 204 154
Montenegro 86 91 83

Zahlenangaben in Mio. USD (Angaben für 2022 sind geschätzt.)

Hans Uwe Mergener