Print Friendly, PDF & Email

Anlässlich seiner Neujahrsansprache für die Streitkräfte am 20. Januar auf dem Luftwaffenstützpunkt 118 im südwestfranzösischen Mont-de-Marsan hat Staatspräsident Emmanuel Macron die Eckdaten für das Gesetz zur militärischen Finanzplanung (LPM) von 2024 bis 2030 vorgestellt: Danach solle mit einem Gesamtetat für den Siebenjahresplan von 413 Milliarden Euro eine „Transformation“ der Streitkräfte finanziert werden. Für das letzte LPM von 2019 bis 2025 waren 295 Milliarden Euro veranschlagt, das heißt, hier sollen Mehrausgaben von mehr als einem Drittel erfolgen.

blank
Das Heeresprogramm „Scorpion“ dient der Kampfwertsteigerung mittels Digitalisierung. (Foto: DICOD, C. Hamilcaro)

Diese Mehrausgaben „entsprechen den Gefahren, das heißt sie sind erheblich“, so Macron. Schließlich erfolgen die mehrjährigen Finanzplanungen erstmals vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die ganze Ukraine. Frankreich müsse mit dieser massiven finanziellen Anstrengung in die Lage versetzt werden, bereits auf „einen Krieg im Voraus vorbereitet zu sein, um noch brutalere Kriege, gleichzeitig noch zahlreichere und noch mehrdeutigere Kriege“ führen zu können. Damit wird deutlich, dass der französische Präsident mit einer Ausweitung des Ukrainekrieges durch Russland rechnet.

Die Transformation der Streitkräfte soll auf vier Dreh- und Angelpunkten ruhen: 1. die Stärkung der Abschreckung, 2. die Vorbereitung auf einen Krieg hoher Intensität, 3. der Schutz der nationalen Interessen in den verschiedenen Dimensionen sowie 4. die Stärkung der internationalen Partnerschaften.

Stärkung der Abschreckung

„Die Abschreckung“, so Macron, „ist ein Element, das aus Frankreich ein Land macht, das in Europa einzigartig ist. Wir berechnen aufs Neue ihre vitale Bedeutung, indem wir den Krieg in der Ukraine analysieren. Sie verdient die beachtlichen Anstrengungen, die wir ihr zuteilwerden lassen.“ Auch wenn hier nur von „Abschreckung“ die Rede ist, bezieht sich diese ausschließlich auf die nukleare Abschreckung, da den Franzosen völlig klar ist, dass sie Russland nicht konventionell abschrecken können. Bezeichnend ist dabei, dass die (nukleare) Abschreckung als erstes genannt wird, was verdeutlicht, welcher Stellenwert der „Force de Frappe“ in der nationalen Verteidigungsstrategie eingeräumt wird.

Außerdem bräuchte Frankreich „mehr nachrichtendienstliche Fähigkeiten, die es uns erlauben, Krisen oder Gefahren vorauszusehen“, so Macron weiter. Deshalb sollen „die Etats der Geheimdienste insgesamt um fast 60 Prozent erhöht werden, wobei unter anderem die Budgets des militärischen Aufklärungsdienstes DRM und des militärischen Abschirmdienstes DRSD verdoppelt werden sollen“.

blank
Staatspräsident Emmanuel Macron bei seiner Neujahrsansprache auf dem Luftwaffenstützpunkt Mont-de-Marsan. (Foto: Ministère des Armées)

Vorbereitung auf einen Krieg hoher Intensität

„Wir müssen in der Lage sein, schneller zu handeln, reaktiver zu sein, indem wir die nationalen Dringlichkeitsmaßnahmen stärken.“ Um die entstandenen Lücken zu schließen, müssten laut Macron „die operationellen Vorbereitungen entschlossen hochgefahren und die Verfügbarkeit des entsprechenden Materials verbessert werden“. Um sich an die Intensität der Bedrohung anzupassen, müssten „konsequenterweise unsere Munitionsvorräte, unsere Logistik und unsere Unterstützungskräfte ausgebaut werden“. Außerdem sollten „die militärischen Effekte dank der Digitalisierung des Gefechtsfeldes zusammengeführt werden“, wie dies bereits beim nationalen Heeresprogramm „Scorpion“ zur Kampfwertsteigerung und beim multinationalen „Future Combat Air System“ (FCAS) geschehe, so der Präsident.

Schutz der nationalen Interessen in den verschiedenen Dimensionen

Von besonderer Bedeutung seien die militärischen Dimensionen des Kosmos, des Cyber-Raums und der Weltmeere. Macron war es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass Frankreich dank seiner Überseegebiete über die zweitgrößte ausschließliche Wirtschaftszone (EEZ) der Erde verfügt. Das Staatsoberhaupt wünschte daher innerhalb der EEZ „eine Beherrschung des Meeresbodens bis zu einer Tiefe von 6.000 Metern, und zwar aus militärischen Gründen, aber auch zum Schutz unserer unterseeischen kritischen Infrastrukturen“.

Stärkung der internationalen Partnerschaften

Bei den internationalen Sicherheitspartnerschaften, so Macron, müssten zunächst einmal diejenigen „im Rahmen unseres Europas berücksichtigt“ werden. Schließlich hänge „unsere Sicherheit von der unserer Nachbarn ab“. Deshalb müsse der Schwerpunkt auf der „Interoperabilität und selbstverständlich auf der gemeinsamen strategischen Kultur“ gelegt werden –  die beide „dicke Bretter“ darstellen, die „gebohrt“ werden sollen.

Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf den „Strategischen Kompass“ für Sicherheit und Verteidigung, der Ende März des vergangenen Jahres unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beim Europäischen Rat in Brüssel durch die EU-Staats- und -Regierungschefs gebilligt worden ist. Als weitere Beispiele nannte der französische Staatspräsident den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) von 2017, die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) von 2018, die Europäische Interventionsinitiative, die 2017 von Macron selbst initiiert worden ist, die multilateral-europäische „Task Force Takuba“ von 2020 zur Unterstützung Frankreichs in der Sahelzone und die bilaterale CaMo-Zusammenarbeit („Capacité Motorisée“) ab 2019 mit den Landstreitkräften Belgiens zur Ausrüstung mit gepanzerten Fahrzeugen.

Frankreich, so Macron weiter, müsse in der Lage sein, „alle seine Verantwortlichkeiten in Europa und darüber hinaus zu erfüllen“, während es gleichzeitig „ein zuverlässiger Verbündeter“ innerhalb der NATO bleibe. „Wir sollten in der Lage sein, mit den Europäern zu agieren, innerhalb der NATO oder außerhalb der Allianz, und notfalls eigene Führungsfähigkeiten sicherstellen, die es erlauben würden, gemeinsam eine großangelegte Operation durchzuführen.“ Für den französischen Präsidenten impliziere dies, innerhalb eines europäischen Rahmens – mit oder ohne die NATO – bis zu 20.000 Soldaten TSK-übergreifend zu verlegen.

Gerd Portugall