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Kurz vor dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den USA hat das Weiße Haus die Lieferung einer Patriot-Flugabwehrraketenbatterie an die Ukraine bestätigt. Die Lieferung des Systems ist Teil eines umfangreicheren Unterstützungspakets, das einen Gesamtwert von knapp zwei Milliarden Dollar haben soll. Vermutungen, dass es zu einem solchen Schritt kommen könnte, hatte es bereits seit einigen Tagen gegeben.

Eine Patriot-Batterie (Phased Array Tracking Radar to Intercept on Target) besteht aus fünf Komponenten: Einem Feuerleistand, einem Radar zur Luftraumüberwachung und Feuerleitung, einer Antennenmastanlage, in der Regel acht Startgeräten und den Flugkörpern selbst. Je nachdem welche Flugkörper die USA mitliefern, können in einem Startgerät entweder vier (PAC-2-Version) oder 16 (PAC-3-Version) Flugkörper untergebracht werden. Welche Version und wie viele geliefert werden sollen, ist noch unklar.

Unterscheiden tun sich die beiden unter anderem durch den Gefechtskopf. Während die PAC-2-Variante (die über mehr als 100 Kilometer Reichweite verfügen soll) einen Annäherungszünder für den Gefechtskopf besitzt, soll die PAC-3-Version (etwa 60 Kilometer Reichweite) durch die eigene kinetische Energie eine anfliegende Rakete vernichten, es handelt sich um ein Hit-to-Kill System.

Darüber hinaus hat die PAC-3-Variante einen eigenen Radarsuchkopf, sodass der Flugkörper das Ziel im Flug selbstständig aufschalten kann und nicht auf Korrekturen vom Feuerleitradar angewiesen ist. PAC-3 ist in erster Linie für die Raketenabwehr konzipiert und wäre durch die höhere Anzahl an Flugkörpern in den Startgeräten besser geeignet, eine Sättigung des Systems zu vermeiden. Damit ist gemeint, dass das System mehr anfliegende Flugkörper bekämpfen muss, als es selbst zur Abwehr zur Verfügung hat und damit übersättigt wird.

Mit Blick auf die Ukraine, in der Russland versucht durch diese Taktik die bereits vorhandenen Luftverteidigungssysteme zu überwinden, wäre die Lieferung der PAC-3-Version vermutlich ein sinnvoller Schritt. Da es sich bei PAC-3 aber auch um die modernere der beiden Varianten handelt, bleibt es abzuwarten, ob die USA bereit sind, diese Technologie in das Kriegsgebiet zu liefern. Überdies sollen die Kosten für die Version PAC-3 – je nach Untervariante – deutlich über denen einer PAC-2-Version liegen.

Ein Nachteil von Patriot im Vergleich zu anderen Luftverteidigungssystemen, neben den hohen Kosten pro Flugkörper, ist das Radar. Dieses rotiert nicht und weist nur ein beschränktes Sichtfeld von etwa 120 Grad aus. Somit muss es in die Richtung ausgerichtet werden, aus der am wahrscheinlichsten eine Gefahr droht. Fliegt ein Objekt jedoch aus einer anderen Richtung an, ist das System nicht in der Lage, dies zu entdecken.

Neben den USA verfügen auch einige europäische Staaten über das Patriot-System, unter anderem Deutschland. Somit könnten theoretisch auch diese Staaten zukünftig die Ukraine mit Flugkörpern für das System unterstützen.

Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an dem komplexen System soll US-Angaben zufolge in einem Drittstaat stattfinden. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass, falls die Ausbildung in Europa stattfinden soll, das scharfe Schießen auf dem NATO-Schießplatz auf der griechischen Insel Kreta durchgeführt wird. Dies ist einer der wenigen Orte, wo dies möglich ist.

Wie lange die Ausbildung der Ukrainer dauern wird, bleibt abzuwarten. Normalerweise ist diese für mehrere Monate angesetzt. Die US Army rechnet zum Beispiel für die Feuerleit-Ausbildung mit 20 Wochen oder für die die Bedienung des Startgeräts mit 13 Wochen. Im Falle der Ukrainer dürfte sich die Ausbildungszeit aufgrund der hohen Dringlichkeit jedoch verkürzen.

Hintergrund der Lieferung ist der anhaltende russische Beschuss ukrainischen Territoriums sowie die gezielte Vernichtung ziviler Infrastruktur. Hierbei setzt Russland vor allem auf Marschflugkörper und iranische Drohnen. Mit der Lieferung einer Patriot-Flugabwehrraketenbatterie wird die ukrainische Luftverteidigung gestärkt. Umfassender Schutz wird aber auch mit diesem zusätzlichen System nicht erreicht werden können. Zum einen kann eine Batterie nur eine begrenzte Fläche abdecken und zum anderen sind die Kosten pro Flugkörper so hoch, dass das System nur zum Schutz von wichtiger Infrastruktur oder gegen Hochwertziele eingesetzt werden wird.

Weitere Informationen zum Luftverteidigungssystem Patriot gibt es hier.

Ole Henckel