Print Friendly, PDF & Email

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am 10. November mit der Bewilligung von 24 Millionen Euro für Kapitel 1405 Titel 55412 den Weg frei gemacht für eine Interimslösung Seeschlepper Klasse 722. Am 26. November veröffentlichte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) dann eine Ausschreibung für den „Kauf von zwei gebrauchten, marktverfügbaren Hochseeschleppern“. Den weiteren Angaben zufolge werden zwei Hochseeschlepper („Ankerziehschlepper“) gesucht, die in der Lage sind, „Schiffe mit einer Volllast von bis zu 21.000 Tonnen im Seegebiet A3 bis zum sicheren Hafen zu schleppen“. Unter Seegebiet A3 werden diejenigen Seeräume verstanden, die außerhalb der Küstengewässer liegen, also für europäische Verhältnisse der Atlantische Ozean westlich der britisch-/irischen Seegrenzen.

Die Schlepper sollen über ein Arbeitsboot verfügen und die Möglichkeit bieten, zusätzliches Personal einzuschiffen. Die maximale Unterbringungskapazität soll bei 32 Personen liegen.

Wie aus der Ausschreibung weiter hervorgeht, werden zwei identische Schiffe bevorzugt, deren Baujahr nach 2002 liegt. Die Beschaffung beinhaltet neben dem Hochseeschlepper mit Arbeitsboot die dazugehörige Dokumentation sowie eine Ausbildung für zehn Personen. Die Einheiten sollen über ein Ladedeck mit der Aufnahmekapazität eines 20-Fuß-Containers verfügen. Weitere technische Details: maximale Länge 94 Meter, Pfahlzug von mindestens 80 Tonnen. Bei einem Tiefgang von maximal 8 Metern sollten die Einheiten mindestens 13 Knoten schnell sein können. Der Preis wird mit 9,24 Millionen Euro pro Schiff angegeben. Wie die Vorgänger werden auch die ‚neuen‘ Gebrauchtfahrzeuge von einer zivilen Besatzung der Marine betrieben und als Bundesbehördenfahrzeug registriert.

Der angegebene Zeitplan sieht vor, dass die Angebote bis zum 19. Januar 2023 eingereicht werden. Der folgende Februar soll dann für Erkundungen vor Ort genutzt werden. Die Beschaffungsbehörde der Bundeswehr plant einen Vertrag zum 12. April 2023 zu zeichnen. Die Auslieferung der künftigen Hochseeschlepper der Marine soll nach Kiel erfolgen.

Mit der Ausschreibung wird die lange überfällige Erneuerung der ehemals sechs Einheiten starken Flotte der Seeschlepper eingeleitet. Als erste des Sextetts wurde der „Wangerooge“ im Oktober 1965 der Kiel gelegt. Zwei Jahre später nahm die Schichau Werft in Bremerhaven die Konstruktion von Baunummer 6, der „Juist“, auf. Aufgrund von Strukturänderungen wurde die Anzahl schon 1969 beginnend eingedampft. Die „Norderney“ erlebte im November 2002 als „ROU 23 Maldonado“ in der Marine Uruguays eine Renaissance. In der Deutschen Marine verblieben zwei Schiffe im Dienst. Nachdem die „Wangerooge“ am 15. Juli dieses Jahres relativ sang- und klanglos außer Dienst gestellt wurde, verblieb einzig die am 14. August 1968 in Dienst gestellte „Spiekeroog“.

Die Hochsee- und Bergungsschlepper der Marine haben eine wichtige Unterstützungsfunktion für den täglichen Betrieb in der Marine. Neben ihrer Hauptaufgabe begleiten und sichern sie Minenjagd- und U-Boote während Ausbildungsfahrten, außerdem bergen sie Minen. Sie werden als Plattform für Taucher, Offiziersschüler, für die Überlebensausbildung von Piloten eingesetzt. Insofern hat ihre Nichtverfügbarkeit Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der gesamten Flotte. Mit der Entscheidung zum Kauf von gebrauchten Schiffen sichert die Bundeswehr die kurzfristige Verfügbarkeit dieser Funktionalität.

Eine Stichproben-Recherche macht deutlich, dass sich  potenzielle Angebote finden lassen. Zum Beispiel Damen ST 4511, auf einer Internetplattform offeriert für 10,2 Millionen US-Dollar oder Damen ASD Tug 3212, STX OSV VUNG AKER AH 08, NANINDAH MUTIARA SHIPYARD Conan Wu 76m, LOH & LOH CONSTRUCTION IDA 76m, UNIVERSAL SHBLDG – KEIHIN 68m, JAYA SHIPBUILDING & ENG KCM 75m usw. Nicht alle der genannten Kandidaten können die Anforderungen vollständig erfüllen. Gerade die Forderung Geschwindigkeit, Kojenplätze und Aufstellung eines 20-Fuß-Containers, einschließlich der damit einhergehenden Tragfähigkeit des Decks, werden in Verbindung mit Alter und der gewünschten Leistungsfähigkeit zum Knackpunkt in der Selektion. Als problematisch könnte sich darüber hinaus auch die Auslegung der Antriebsanlage gerade im Hinblick auf Wartungsfreundlichkeit und Versorgungssicherheit auswirken.

blank
Die „Olympic Hercules“, Foto: Ullstein

Die im Bild gezeigte „Olympic Hercules“ oder „Thor II“ soll dem Leser eine Idee über den durch die Ausschreibung verfolgten Typus eines Hochseeschleppers geben.

Hans Uwe Mergener