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Anfang September hat die indische Marine – gleichsam als militärischen High-Tech-Beweis für die Öffentlichkeit – ihren ersten auf dem Subkontinent entwickelten und gebauten Flugzeugträger in Dienst gestellt. Sichtlich stolz erklärte Premierminister Narendra Modi bei diesem Anlass: “Bisher ist diese Art von Flugzeugträgern nur von entwickelten Staaten gebaut worden. Indem Indien heute dieser Liga beigetreten ist, hat Indien einen weiteren Schritt in Richtung einer entwickelten Nation zurückgelegt.“

Die „INS Vikrant“ (Sanskrit für „tapfer“ bzw. „siegreich“) ist rund 260 m lang und hat eine Wasserverdrängung von rund 40.000 Tonnen. Angetrieben wird das größte Kriegsschiff, das Indien je gebaut hat, von vier Gasturbinen des Typs General Electric LM 2500 aus US-amerikanischer Produktion mit einer Leistung von insgesamt 120.000 PS. Bei einer Geschwindigkeit von 18 Knoten (33 km/h) soll der Träger über eine Reichweite von rund 7.500 Seemeilen (13.890 km) verfügen. Das südasiatische Land hat sich dieses Prestigeprojekt rund drei Milliarden US-Dollar kosten lassen. Nach offiziellen Angaben stellen 18 Mehrzweck-Kampfflugzeuge vom russischen Typ MiG-29K das fliegendes Hauptwaffensystem des Kriegsschiffes dar. Angeblich sind modernere westliche Modelle als Nachfolger im Gespräch.

Zusammen mit der „INS Vikramaditya“ – der ehemaligen sowjetischen „Admiral Gorschkow“, die 2004 von Russland erworben wurde – verfügt Indien aktuell über zwei einsatzfähige Träger. Damit ist sie zahlenmäßig noch gleichauf mit der Volksrepublik China. Dort ist allerdings im Juni dieses Jahres ein dritter Träger – die „Fujian“ – vom Stapel gelassen worden, der laut Schätzung des Pentagon 2024 in Dienst gestellt werden soll.

Außerdem hat Festland-China im Mai dieses Jahres mit der fast 90 Meter langen und rund 2.000 Tonnen verdrängenden „Zhu Hai Yun“ den weltweit ersten autonomen Roboter-Träger vom Stapel gelassen. Dieser – offiziell zivile – Technologie-Demonstrator gilt als autonome Plattform für etwa 50 unbemannte schwimmende, tauchende oder fliegende Sensorträger. Immerhin kann Indien auf deutlich längere Erfahrungswerte seiner Marineflieger verweisen, da es bereits seit 1961 mit einer ersten „Vikrant“ aus britischer Produktion einen Flugzeugträger betrieben hatte, während das kommunistische China erst seit 2002 über Träger verfügt.

Geostrategisch sieht die Staatsführung in Neu-Delhi den Schwerpunkt seiner Seestreitkräfte im Indischen Ozean, der für die Versorgung mit Erdöl unerlässlich ist. Besorgt ist Indien deshalb besonders über die „Neue Seidenstraßen“-Strategie Chinas, da das Land im Indik über Knotenpunkte in den Häfen von Port Kelang (Malaysia), Colombo (Sri Lanka), Malé (Malediven), Gwadar (Pakistan), Dschibuti bis Mombasa (Kenia) verfügt, mit deren Hilfe die Volksbefreiungsarmee im Konfliktfall die indische Bewegungsfreiheit im Indik massiv bedrohen könnte. Zwar entflechten Indien und China aktuell seit Anfang September ihre entlegen stationierten Truppen im umstrittenen Grenzgebiet des Himalayas, doch betrachten sich auch weiterhin beide asiatische Großmächte misstrauisch als antagonistische Konkurrenten – auch maritim.

Gerd Portugall