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Ende vergangener Woche empfing die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in Berlin ihren seit Mai amtierenden französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu. Bei den Gesprächen ging es unter anderem um die gemeinsamen Rüstungsvorhaben, zu denen sich beide Politiker bekannten.

Während in Deutschland die Berichterstattung zu diesem Treffen – einschließlich der Homepage des BMVg – in erster Linie um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kreist, liegt deren Schwerpunkt im linksrheinischen Nachbarland eindeutig bei den beiden komplexesten und teuersten gemeinsamen Rüstungsvorhaben: bei FCAS (Future Combat Air System) und MGCS (Main Ground Combat System).

Bei MGCS trägt die deutsche Seite die Hauptverantwortung. Bei FCAS verhält es sich genau umgekehrt: Hier liegt die Systemführerschaft sowohl auf Seiten des Militärs als auch auf Seiten der Industrie beim französischen Partner. Deshalb spielt das Luftwaffenvorhaben sowohl sicherheits- als auch industriepolitisch in Frankreich eine größere Rolle als MGCS.

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Der Antrittsbesuch des französischen Verteidigungsministers in Berlin, Foto: Bundeswehr / Tom Twardy

In Paris sorgt man sich, dass der Partner in Berlin bei FCAS von der Fahne gehen könnte. Als Gründe hierfür wären die hohen Kosten, die technologische Komplexität, das britische Konkurrenzprojekt „Tempest“ oder weitere Beschaffungen der US-amerikanischen F-35A „Lightning II“ für die Bundeswehr denkbar. Die französische Tageszeitung „Ouest-France“ schreibt anlässlich des Besuchs Lecornus in Berlin zum Thema FCAS: „Die Verhandlungen mit Deutschland sind kompliziert, seit das Projekt 2017 gestartet worden ist.“

Deshalb erklärte der französische Minister bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner deutschen Amtskollegin in Berlin: „Viele Dinge sind in den letzten Wochen gesagt oder geschrieben worden. Ich glaube, wir können mit einem Satz abkürzen: FCAS ist ein vorrangiges Projekt.“ Dazu ergänzte Lecornu: „Dieses Projekt wird realisiert werden – man kann es nicht eindeutiger formulieren!“ Deutschland und Frankreich, betonte auch Ministerin Lambrecht, würden alles daransetzen, gemeinsame Lösungen für FCAS zu finden. „Das ist ein Projekt“, so die deutsche Ressortchefin, „das ein Erfolg werden muss – und werden wird. Wir beide werden auf jeden Fall unseren Beitrag dazu leisten.“ Der letzte Satz impliziert, dass der Beitrag der beiden Minister allein nicht ausreichen könnte.

Beim Heeresthema MGCS wies Lecornu darauf hin, dass „die ‚Leclerc‘-Panzer bald ans Ende ihrer Nutzungsdauer kommen werden“. Bei der Pressekonferenz in Berlin wurde darauf aufmerksam gemacht, dass noch vor dem für Oktober geplanten deutsch-französischen Ministerrat ein Zeitplan für MGCS vorgelegt werden solle. Zur deutsch-französischen Rüstungskooperationen insgesamt sagte die Ministerin: Gemeinsam und interoperabel aufgestellt zu sein „ist die Zukunft.“

An dem 2017 gestarteten deutsch-französisch-spanischen Luftwaffenprogramm FCAS zur Entwicklung eines ab etwa 2040 einsatzbereiten „System-of-Systems“ (bemanntes Mehrzweckkampfflugzeug, unbemannte Begleitluftfahrzeuge, vernetzt mit neuen Waffen- und Kommunikationssystemen) sind industrieseitig Dassault Aviation, Airbus Defence and Space sowie Indra Sistemas beteiligt. Ende August vergangenen Jahres hatten die drei beteiligten Regierungen eine Vereinbarung unterschrieben, die 3,6 Milliarden Euro für detaillierte Studien der „Projektphase 1B“ vorsieht, aufgrund derer bis 2025 ein flugfähiger Demonstrator gebaut werden und zwei Jahre später auch abheben soll. Allerdings steht hier eine Einigung der beteiligten industriellen Player noch aus, so dass diese Projektphase noch nicht gestartet werden konnte.

Beim deutsch-französischen Vorhaben MGCS geht es um die Entwicklung eines ab etwa 2035 verfügbaren gemeinsamen Systems zum Ersatz der gegenwärtig genutzten Kampfpanzer (ebenfalls als „System-of-Systems“ konzipiert), dessen wichtigste Industriepartner Rheinmetall sowie KMW+Nexter Defense Systems (KNDS) sind.

Gerd Portugall