Print Friendly, PDF & Email

Es dürfte niemanden überraschen, dass der russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar das Gesicht der europäischen Sicherheitspolitik auf dramatische Art und Weise verändert hat und zu einer verstärkten Fokussierung auf die Verteidigungsfähigkeit und zur Erhöhung der Militärausgaben sowohl in der NATO als auch in anderen Staaten führen wird. Besonders deutliche Signale sind aus dem skandinavischen Raum zu vernehmen.

Neben dem NATO-Beitrittswunsch Finnlands und Schwedens hat in Dänemark eine Rückbesinnung auf die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik stattgefunden. Zudem möchte Deutschlands nördlicher Nachbar in den kommenden Jahren bis zu 40 Milliarden dänische Kronen (DKK) – umgerechnet etwa 5,4 Milliarden Euro – in seine Marine investieren und geht dabei den Sonderweg einer öffentlich-privaten Partnerschaft, um diese Investition so vorzubereiten, dass sowohl Streitkräfte, als auch der heimische Marineschiffbau gestärkt werden.

So hat der dänische Verteidigungsminister Morten Bødskov am 18. August die Bildung einer neuen disziplinen- und organisationsübergreifenden Zweckgesellschaft (Öffentlich-Private-Partnerschaft, ÖPP) bekanntgegeben, deren Ziel es ist, „die Koordinierung zwischen Staat, Industrie, Handelsorganisationen und Finanzinstitutionen zu gewährleisten, zum Beispiel im Hinblick auf die Stärkung der nationalen Schiffbaukapazität Dänemarks“.

Den Vorsitz übertrug er der Geschäftsführerin des Dänischen Reederverbandes, Anne H. Steffensen. Der Verteidigungsminister selbst wird Stellvertreter der Zweckgesellschaft, deren Hauptaufgabe es sein wird, eine langfristige Bedarfsanalyse für die Königlich Dänische Marine aufzustellen. Den Zeitraum der fälligen Investitionen beziffert der Verteidigungsminister mit den nächsten 20 bis 25 Jahren. Zu den Vorgaben gehört die Gewährleistung, dass Dänemark weiter über die Fähigkeiten verfügt, Kriegsschiffe zu entwerfen, zu bauen und zu warten.

In einer diesbezüglich auf der Webseite des dänischen Verteidigungsministeriums veröffentlichten Meldung heißt es weiter, die neue Gesellschaft solle „auf eine verbesserte Versorgungssicherheit für die dänische Verteidigung hinarbeiten und gleichzeitig das enorme Potenzial des dänischen maritimen Sektors nutzen, um die Anforderungen der Verteidigungskräfte zu erfüllen“. Eine der ersten Aufgaben der Partnerschaft besteht darin, „eine Analyse durchzuführen, die zu konkreten Empfehlungen führt, wie wir den langfristigen Bedarf der Streitkräfte an Schiffsbeschaffungen auf nationaler Ebene am besten unterstützen können – unter anderem, indem wir sicherstellen, dass Dänemark über die Kompetenzen für den Entwurf, den Bau und die Wartung von Marineschiffen verfügt“.

Der Partnerschaft gehören Vertreter von Ministerien, Regierungsstellen, Industrie, Handelsorganisationen und Universitäten an. Konkret umfasst die Partnerschaft zunächst Mitglieder, die von den folgenden dänischen Organisationen ernannt werden:

  • Verteidigungsministerium
  • Verteidigungskommando
  • Dänische Organisation für Beschaffung und Logistik im Verteidigungsbereich
  • Ministerium für Industrie, Wirtschaft und Finanzen
  • Ministerium für Hochschulbildung und Wissenschaft
  • Verband der dänischen Industrie (eine private Unternehmens- und Arbeitgeberorganisation)
  • Dänische Metallarbeitergewerkschaft
  • Danish Maritime (ein Industrieverband für Hersteller von maritimer Ausrüstung und Schiffen)
  • 3F Industry (Dänemarks größte Gewerkschaft und Arbeitslosenkasse)
  • Insurance and Pension Denmark (Berufsverband für Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds)
  • Maritime DTU (Maritime Abteilung der Technischen Universität von Dänemark)
  • MARTEC Frederikshavn (Maritime und polytechnische Hochschule)

Darüber hinaus weist das dänische Verteidigungsministerium darauf hin, dass angesichts der neuen europäischen Sicherheitslage die Versorgungssicherheit immer wichtiger geworden ist. Das heißt, die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten, insbesondere bei Marineschiffen, soll verringert werden. Dies gilt nicht nur für den Bau neuer Schiffe, sondern auch für die kontinuierliche Wartung, Modernisierung und Reparatur der Schiffe während ihrer gesamten Lebensdauer.

Der NATO kommt die Ankündigung von Rüstungsinvestitionen natürlich gelegen. Das Land wendet im laufenden Jahr 37,751 Milliarden DKK (5,075 Milliarden Euro) für die Verteidigung auf, nach 33,161 Milliarden DKK (4,458 Milliarden Euro) im Jahr 2021. Das entspricht 1,39 Prozent (2022) beziehungsweise 1,33 Prozent (2021) des Bruttoinlandsproduktes. Zum Vergleich: in den NATO-Statistiken zu den Verteidigungsausgaben, Ausgabe vom 27. Juni 2022, wird Deutschland mit 55,635 Milliarden Euro geführt, was 1,44 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht.

Modernisierungsbedarf der Königlich Dänischen Marine

Ein Grund für die Gründung dieser Partnerschaft ist zweifellos, dass die Königlich Dänische Marine in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten eine Reihe von Schiffen und Schiffsklassen ersetzen muss. Die dänische Marine operiert derzeit zwölf Fregatten oder fregattengroße Schiffe (größer als 1.500 Tonnen), vier mittelgroße (zwischen 500 und 1.500 Tonnen) und nahezu vierzig kleinere Einheiten. Die meisten sind neueren Datums, die ältesten Einheiten sind die vier Fregatten der Thetis-Klasse, die zwischen 1991 und 1992 in Dienst gestellt wurden. Womit sich die jetzigen Ankündigungen dahingehend relativieren, dass sich die Investitionen tatsächlich über einen Zeitraum in der mittelfristigen Zukunft erststrecken werden.

Neben der eigentlichen Beschaffung neuer Schiffe könnte ein Teil der Investitionen auch dazu verwendet werden, die nationalen Schiffbaukapazitäten Dänemarks zu stärken, und es wird erwartet, dass die neue Zweckgesellschaft zu diesem Aspekt berät. Dies ist auch vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen Tradition Dänemarks im Schiffbau und in der Seefahrt zu sehen, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.

Marineschiffbau in Dänemark

Dänemark hat als fünftgrößte Schifffahrtsnation ein „Standing“ und die zivile Leitung des ÖPP-Unternehmens kann als Zeichen verstanden werden. Durch die zivile Leitung verspricht sich das Verteidigungsministerium offenbar einen reibungsloseren Ablauf seitens der Industrie. Die dänischen Werften haben, wie der Fall Odense Steel Shipyard zeigt, eine Menge Substanz verloren. Der Anschluss an den Schiffbau soll international nicht gänzlich verloren werden.

In der Vergangenheit war die Material- und Beschaffungsagentur des Verteidigungsministeriums (FMI) dafür kritisiert worden, dass sie gegenüber Generalunternehmern für eine breitere Einbindung dänischer Zulieferer warb. Diese Aufgabe könnte in Zukunft das neu gegründete ÖPP übernehmen. So ungewöhnlich das Vorgehen scheint, es ist in der Regierungsstrategie von 2021 für die dänische Verteidigungsindustrie bereits auf den Weg gebracht worden. Die Strategie enthält eine Vielzahl von Initiativen zur Gewährleistung einer besseren Zusammenarbeit mit der Industrie, des Zugangs zu ausländischen Märkten, einer Partnerschaft für eine grüne Transformation des Verteidigungssektors, des Brückenschlags zwischen Forschung, Entwicklung und Nutzung militärischer Ausrüstung und vielem mehr.

Die Identifizierung von Schiffbauplätzen könnte dagegen eine der Herausforderungen sein. Die schwimmfähigen Rümpfe der neueren Fregatten der Iver-Huitfeldt-Klasse wurden in Estland und Litauen gefertigt. Die Ausrüstung erfolgte in Dänemark bei der Odense Steel Shipyard. Die im Januar 2012 ausgelieferte Fregatte „Nils Juel“ war das letzte Kriegsschiff, das die Werft verließ. Dabei hatte sie eine lange Tradition in der Konstruktion von Containerschiffen für A.P. Møller – Mærsk A/S, dem Mutterkonzern. Im Zuge der globalen Finanzkrise beschloss Maersk jedoch, den Schiffbau in Odense aufzugeben. Heutzutage wird von der Marine für Instandhaltungsmaßnahmen unter anderem die Karstensens Ship Yard in Skagen genutzt. Expertise im Kriegsschiffdesign ist nach wie vor in Dänemark vorhanden. OMT, Odense Marine Technology, gehört zu der von Babcock geführten Arbeitsgemeinschaft zur Entwicklung der Fregatte Type-31 für die Royal Navy. Der Entwurf geht auf die Iver-Huitfeldt-Klasse zurück. Mit Naval Team Denmark verfügt der dänische Marineschiffbau darüber hinaus über ein erfolgreiches Marketingelement.

Nationale oder internationale Beschaffung?

Abgesehen von der erklärten Zielsetzung der neuen Zweckgesellschaft und den geopolitischen und sicherheitspolitischen Erwägungen, die dahinter stehen, bleibt die grundsätzliche Frage, insbesondere für eine Nation wie Dänemark mit einem begrenzten nationalen Verteidigungshaushalt und begrenzten nationalen Ressourcen: Wie kann der größte Nutzen aus den verfügbaren Mitteln gezogen werden?

Eine Option, für die sich eine Reihe kleinerer Länder entschieden haben, ist eine stärkere Abhängigkeit von großen, multinationalen Industriepartnern oder von Beschaffungen, die von, mit oder über ein größeres Partnerland getätigt werden. Dies führt oft zu niedrigeren Preisen aufgrund von Skaleneffekten und zu besseren Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit und Standardisierung (da mehrere Nationen dasselbe Material von demselben Auftragnehmer kaufen).

Im Zusammenhang mit dem Bedarf der dänischen Marine hat beispielsweise mindestens ein dänischer Kommentator vorgeschlagen, Küstenkampfschiffe von den USA zu kaufen, als eine sofortige Lösung von der Stange.

Die Kehrseite dieses Ansatzes ist, wie bereits erwähnt, eine stärkere Abhängigkeit von ausländischen Herstellern und Nationen, ein Rückgang des Einflusses auf die Industrie und ein hohes Risiko des Verlustes nationaler Fähigkeiten und Kapazitäten. Dies geschah beispielsweise mit der dänischen Militärmunitionsindustrie. Die einzige in Dänemark verbliebene militärische Munitionsfabrik war 1970 das Munitionsarsenal (AMA), das dem Verteidigungsministerium unterstellt war. Im Jahr 2006 wurde das AMA im Rahmen einer größeren Umstrukturierung des Verteidigungssektors in die dänische Organisation für Beschaffung und Logistik im Verteidigungsbereich (DALO) eingegliedert und 2008 an das spanische Rüstungsunternehmen Expal verkauft. Nachdem das Unternehmen mehrere Jahre lang mit Verlust gearbeitet hatte, wurde es schließlich 2020 von Expal geschlossen, was das Ende der dänischen Kapazitäten und Fähigkeiten zur Herstellung von Militärmunition bedeutete.

Die Alternative besteht natürlich darin, die Kosten und den Aufwand für die Aufrechterhaltung einer nationalen industriellen Basis zu akzeptieren, um den Bedarf der Streitkräfte zu decken. Vor allem für kleinere Länder wird dies höchstwahrscheinlich letztlich zu höheren Kosten für ein bestimmtes Produkt führen (da man nicht nur für das Produkt bezahlt, sondern auch indirekt für die Aufrechterhaltung der Produktionsfähigkeit und -kapazität – Kosten, die ansonsten von einem größeren Kundenstamm getragen würden), aber es gibt auch Vorteile in Bezug auf die Versorgungssicherheit und den Einfluss auf die Industrie.

Natürlich gelten die beiden oben genannten Ansätze für alle Bereiche der Versorgung, nicht nur für Marineschiffe, und obwohl es in der Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums nicht erwähnt wird, wäre es nicht verwunderlich, wenn im Laufe der Zeit auch die Bereiche Land und Luft einbezogen würden.

Hans-Uwe Mergener und Thomas Nielsen