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Nach Ansicht des Kommandeurs des schwedischen Heeres, Generalmajor Karl Engelbrektson, macht der Ukraine-Krieg deutlich, dass der Krieg in erster Linie auf dem Boden stattfindet. Vor dem Hintergrund der Bedrohung seines Landes, habe er von der Regierung den Auftrag erhalten, insgesamt vier Heeres-Brigaden, eine Battle-Group auf Gotland sowie ein Divisionskommando aufzubauen, sagte Engelbrektson am Dienstag vor rund 300 Teilnehmern einer Live-Demonstration verschiedener schultergestützter Waffen des schwedischen Herstellers Saab im Land Warfare Center der schwedischen Streitkräfte in Kvarn.

„Wir bedrohen niemanden“, betonte der General. Es gehe darum, das gesamte eigene Territorium Schwedens gegen einen hochentwickelten Gegner verteidigen zu können. Engelbrektson wies darauf hin, dass bei seinem Eintritt in die Armee vor mehreren Jahrzehnten die schwedischen Streitkräfte über 36 Brigaden und eine Kriegsstärke von 850.000 Soldaten verfügten.

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„Wir bedrohen niemanden“, betont der Kommandeur des schwedischen Heeres, Generalmajor Karl Engelbrektson, Foto: Therese Timpson/Försvarsmakten

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wird gegenwärtig in den beiden Nicht-NATO-Staaten Finnland und Schweden über einen Beitritt zum Verteidigungsbündnis diskutiert. Die Mehrheit der Bevölkerung beider Länder scheint sich mittlerweile für den Beitritt auszusprechen, nachdem ein solcher Schritt noch vor wenigen Monaten als höchst unwahrscheinlich galt. Beobachter gehen davon aus, dass dazu bald eine politische Entscheidung fallen könnte. Gleichzeitig droht Russland den beiden Staaten im Falle eines Beitritts mit Konsequenzen.

Nach Aussage von Engelbrektson bedeuten die Anforderungen der Regierung quasi eine Verdopplung des Heeres innerhalb von zehn Jahren. „Das erste Mal in meiner Karriere sehe ich Geld nicht als das Problem“, sagte der General. Dabei sei die Regierung sogar über die Wünsche der Militärs hinausgegangen, die ursprünglich nur drei Brigaden, zwei Battle Groups und ein Divisionskommando gefordert hätten.

Beim Umbau der Kräfte gehe es auch darum, Kommando-Strukturen zu schaffen, in die Verbündete eingebunden werden könnten. Überdies müssten Anti-Access-Aerial-Denial (A2/AD)-Kapazitäten der Brigaden geschaffen werden. Diese sollen den Planungen zufolge über eigene Artillerie, Luftverteidigung und Pioniere verfügen. Das reiche von einer Luftverteidigung mit in einer Reichweite von etwa 70 Kilometern über Raketenartillerie mit 150 Kilometern Reichweite, bis hin zu einer Raketenartillerie mit 300 Kilometern Reichweite, erläuterte Engelbrektson. Er sprach in diesem Zusammenhang von mobilen „Schutzschirmen bzw. Schutzblasen“, die die Brigaden zur Abwehr eines Gegners aufbauen sollen. In jeder Blase sollten nach Einschätzung des Offiziers Sensoren mit Effektoren optimiert miteinander verbunden werden. Ein Ziel sei die Bekämpfung des gepanzerten Feindes „beyond line of sight“, also jenseits der direkten Sichtverbindung. Es komme hier darauf an, neue Waffensysteme mit Training und Simulatoren gemeinsam zu beschaffen und dabei sicherzustellen, dass die Simulatoren echte ballistische Wirkungen abbilden können, so Engelbrektson. Auch wenn dies mitunter die Ausstattung von weniger Waffensystemen bedeuten könne. Denn Training und Übungen würden mitunter im Beschaffungsprozess unterbewertet, betonte er.

Der General legt einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Thema Tarnung – sowohl hinsichtlich Ausrüstung als auch bei der Ausbildung. Wer sich besser tarne, gewinne das Gefecht, weil er im so genannten OODA-Loop – gemeint ist eine militärische Entscheidungsschleife, in der Informationen verarbeitet und in konkrete militärische Handlungen umgesetzt werden –  schneller agieren könne, während der Gegner noch zögere.  Offenbar mit Blick auf Saab, den Hersteller der multispektralen Barracuda-Tarnlösungen, forderte Engelbrektson, dass die neueste Tarntechnik nicht offen gezeigt werden solle, um einem Gegner keine Rückschlüsse auf die eigenen Fähigkeiten zu ermöglichen. Nachholbedarf sieht der General überdies bei der Nutzung von Drohnen. Hier müsse man in Schweden schneller vorankommen.

Aus dem Ukraine-Krieg zieht Engelbrektson den Schluss, dass es am Ende auf die Kapazitäten der Industrie ankommt, um zu gewinnen. In Schweden gebe es eine enge Kooperation zwischen dem Heer und der Beschaffungsbehörde FMV, die genau über den Bedarf informiert werde. Leider sehe man jetzt, dass viele der eigenen Systeme mittlerweile „combat proven“ seien.

Lars Hoffmann