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Wenn es um den Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Wind und Wetter geht, vertraut die Bundeswehr seit Jahrzehnten auf Produkte von W.L. Gore & Associates (Gore). ES&T sprach mit Thomas Meyer, Key Account Manager Funktionstextilien für militärische Anwendungen bei Gore, über den aktuellen Technologiestand im Bereich der Nässeschutzbekleidung sowie die jüngst vorgestellte Gore-Tex Stretch Membrantechnologie.

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Thomas Meyer ist seit knapp 20 Jahren bei W.L. Gore & Associates und ist derzeit als Key Account Manager Funktionstextilien für militärische Anwendungen tätig (Foto: W.L. Gore & Associates)

ES&T: Bei dem Begriff Gore kommt einem zuallererst die GORE-TEX-Membran in Verbindung mit Nässeschutzbekleidung in den Sinn, die seit etwa 30 Jahren in der Bundeswehr genutzt wird. Entspricht diese Bekleidungsgeneration noch dem aktuellen Stand der Technik?

Meyer: Die heute bei der Bundeswehr getragene GORE-TEX Nässeschutzbekleidung stammt noch zum größten Teil aus der ersten Generation GORE-TEX-Membrane, die Anfang der 1990er-Jahre mit der damals neuen Feldbekleidung im Fünf-Farb-Tarndruck eingeführt wurde. Im Zuge der Entwicklungsprogramme Infanterist der Zukunft (IdZ-ES) und Kampfbekleidung Einsatz/Übung wurde etwa im Jahr 2006 eine zweite Generation Nässeschutzbekleidung konzipiert, die nun seit 2019 für die nächsten Jahren der Truppe zugeführt wird. Diese Technologie zeichnet sich vor allem durch einen verbesserten Tragekomfort sowie mehr Funktionalität beim Design aus und ist auch im Drei-Farb-Tarndruck verfügbar.

ES&T: Was zeichnet die neueren Generationen der Membran im Vergleich zur ersten Generation aus?

Meyer: Die neueste und gleichzeitig dritte Generation ist eine GORE-TEX Stretch Membrantechnologie, die wir vor Kurzem vorgestellt haben, erhöht noch einmal deutlich den Tragekomfort der Bekleidung und vor allem die Bewegungsfreiheit des Trägers, ohne die notwendige Haltbarkeit herabzusetzen. Die ersten Tragetests mit ausgewählten Nutzern haben uns das schon bestätigt.

Der Tragekomfort einer Bekleidung wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Ein wichtiger Faktor ist die Atmungsaktivität bzw. Wasserdampfdurchlässigkeit des Materials und der jeweiligen Bekleidungsschichten. Je näher die Bekleidung am Körper anliegt, sich weniger Luft als Isolationsschicht dazwischen befindet, umso besser wird der Wasserdampf nach außen abtransportiert. Genau das können wir mit einem enger anliegenden, aber flexibleren GORE-TEX Stretch Nässeschutzanzug erreichen.

Zudem ermöglicht die GORE-TEX Stretch Technologie, den Nässeschutz noch besser als integriertes Modul eines Kampfbekleidungssystems mit ballistischer Schutzweste zu konzipieren, weil der Soldat mehr Bewegungsfreiheit bei hohen Aktivitäten wie z. B. Schießen, Rennen oder Klettern hat, das Material als äußerste Schicht getragen weiterhin sehr robust ist, den entsprechenden Tarnschutz bietet und auch die typischen Geräuschentwicklungen von Laminaten bei Bewegungen deutlich minimiert werden.

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Die GORE-TEX Stretch Technologie ermöglicht es, den Nässeschutz noch besser als integriertes Modul eines Kampfbekleidungssystems zu konzipieren (Foto: W.L. Gore & Associates)

ES&T: Im kommerziellen Bereich sind bereits Produkte mit GORE-TEX-Membranen mit Stretch-Funktion erhältlich. Wird es diese auch im militärischen Bereich geben?

Meyer: Es ist immer etwas schwierig, zivile mit militärischer Nässeschutzbekleidung direkt zu vergleichen. Die Anforderungen an militärische Bekleidung sind generell sehr hoch und komplex. Es gilt hierbei immer die drei wesentlichen Einflussfaktoren Schutz, Haltbarkeit und Tragekomfort bestmöglich aufeinander abzustimmen. Aber die ersten Armeen in Europa haben schon großes Interesse bekundet, diese neue Technologie in den nächsten drei Jahren einzuführen, weil sie dem Wunsch der Nutzer nach mehr Tragekomfort und Bewegungsfreiheit optimal entspricht, ohne dabei Kompromisse bei der Tarnung und Haltbarkeit einzugehen.

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Die GORE-TEX Stretch Membrantechnologie erhöht deutlich den Tragekomfort der Nässeschutzbekleidung und vor allem die Bewegungsfreiheit des Trägers (Foto: W.L. Gore & Associates)

ES&T: Ab wann werden die ersten Produkte Ihrer Meinung nach verfügbar sein?

Meyer: Die GORE-TEX Stretch Technologie ist bereits ab diesem Jahr marktverfügbar. Es ist auch ein erstes Design-Konzept für einen neuartigen taktischen Nässeschutz mit verbesserter Funktionalität vorhanden.

Die Nässeschutzbekleidung der Bundeswehr wird zurzeit im Rahmen des neuen Bekleidungssystems „Kampfbekleidungssatz Streitkräfte“ mit der zweiten Generation GORE-TEX Textiltechnologie modernisiert, aber die Truppe ist immer noch nicht vollständig damit ausgestattet. Hinzu kommt, dass die Beschaffungszyklen von neuen Textiltechnologien im Durchschnitt bei etwa 20 Jahren liegen. Das würde bedeuten, dass unsere Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2040 mit der neuen, heute marktverfügbaren GORE-TEX Stretch Technologie ausgestattet werden, was wir natürlich alle nicht hoffen und uns schon gar nicht wünschen, weil sie in 20 Jahren dann sicherlich nicht mehr dem neuesten Stand entspricht.

Es besteht also weiterhin dringender Handlungsbedarf, die Innovationsfähigkeit der Bundeswehr bei Bekleidung zu optimieren, um einfacher, schneller und effizienter zeitgemäße Textil- und Bekleidungstechnologien bei der Bundeswehr einzuführen.

Die Fragen stellte Waldemar Geiger.