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Seit 2014 fordert eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung erstmals eine aktive Rolle Deutschlands in der Welt. Die Bundesrepublik solle sich nicht mehr aus Krisen und Konflikten heraushalten, sondern bei der Lösung dieser mitgestalten. Zu diesem Ergebnis kommt der kürzlich veröffentlichte Forschungsbericht „Trendradar 2021“ des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). In diesem wurde die Entwicklung der öffentlichen Meinung zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen im Zeitraum 2010 bis 2020 auf Basis der jährlich durchgeführten Umfragen des ZMSBw ausgewertet. In der Studie wurden sieben Trends identifiziert.

Darunter der bereits angesprochene Trend, dass eine absolute Mehrheit der Deutschen seit 2014 eine aktive deutsche Außenpolitik unterstützt. Während im Jahr 2013 noch 43 Prozent die Aussage, dass Deutschland eher bei der Bewältigung von Problemen, Krisen und Konflikten mithelfen solle, befürworteten, sprang dieser Wert im Jahr 2014 auf 59 Prozent. Dort stabilisierte er sich mit leichten Schwankungen bis ins Jahr 2020. Die Studie führt dies auf die Annexion der Krim, den beginnenden Konflikt in der Ostukraine, die Ausbreitung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ und den von der Politik angestoßenen Diskurs über Deutschlands Verantwortung in der Welt zurück.

Bei den Mitteln der Außen- und Sicherheitspolitik lässt sich laut Studie über die Jahre eine eindeutige Präferenz der Deutschen für „weichere Mittel“ wie diplomatische Verhandlungen, Entwicklungshilfe oder Ausbildungs- und Stabilisierungseinsätze der Bundeswehr erkennen. Kampfeinsätze finden keine mehrheitliche Befürwortung. Daraus ziehen die Autoren der Studie den Schluss, dass die Bundeswehr als Mittel der deutschen Außenpolitik mehrheitlich nicht abgelehnt wird, es sei denn, es umfasst den expliziten Einsatz von Gewalt.

Neben der mehrheitlichen Unterstützung einer aktiven deutschen Außenpolitik hat sich auch die Zustimmung für eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts und der Anzahl der Soldatinnen und Soldaten seit 2014 gewandelt. Während sich in den Jahren vor 2014 nur etwa ein Fünftel der Deutschen für einen höheren Verteidigungshaushalt und einen Aufwuchs der Truppe aussprach, ist im Jahr 2014 ein Wandel zu erkennen, der sich in den folgenden Jahren verstätigt hat. Seit 2015 ist immer eine relative und teilweise sogar eine absolute Mehrheit für die Erhöhung der beiden genannten Posten.

Ein weiterer Trend, der identifiziert wurde, ist eine durchgehend positive Haltung der Deutschen gegenüber der Bundeswehr (zwischen 75 und 82 Prozent). Diese Haltung zeigt sich auch darin, dass große Teile der Bevölkerung die Bundeswehr als wichtig für Deutschland sehen (zwischen 70 und 79 Prozent). Im Vergleich zu anderen Behörden genießt nur die Polizei mehr Vertrauen als die Streitkräfte (zwischen 79 und 89 Prozent). Auch die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten werden über den betrachteten Zeitraum mehrheitlich positiv bewertet (im Inland: zwischen 70 und 82 Prozent, im Ausland: zwischen 59 und 65 Prozent). Im Gegensatz dazu wird jedoch die Ausrüstung und Bewaffnung der Truppe nur von einer Minderheit positiv bewertet (zwischen 27 und 40 Prozent).

Darüber hinaus zeigt die Studie auch eine durchgehend hohe positive Einstellung der Deutschen gegenüber der sicherheits- und verteidigungspolitischen Einbettung Deutschlands in NATO und EU. Zwischen 71 und 75 Prozent der Menschen haben sich im betrachteten Zeitraum dafür ausgesprochen, dass Deutschland auch zukünftig in der NATO verbleibt. Dass die EU sogar als eigenständiger sicherheits- und verteidigungspolitischer Akteur auftritt wird ebenfalls durchgehend von einer absoluten Mehrheit befürwortet (zwischen 55 und 60 Prozent). Deutschlands Engagement und Mitgliedschaft in EU und NATO werde also von einer großen Mehrheit befürwortet und könne als gefestigtes Meinungsbild interpretiert werden, so die Studienautoren.

Die Auswertung der jährlichen Umfragen des ZMSBw zeigt, dass das Jahr 2014 eine Trendwende in der außen- und sicherheitspolitischen Wahrnehmung der Deutschen eingeläutet hat. Neben der Forderung, aktiv bei der Bewältigung von Problemen, Krisen und Konflikten in der Welt mitzuhelfen, ist auch die Bereitschaft der Deutschen gestiegen, mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben und diese auch als Mittel der Außenpolitik einzusetzen. Eine klare Ablehnung besteht aber weiterhin gegenüber expliziten Kampfeinsätzen.

Ole Henckel