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Die EU entsendet eine Ausbildungsmission nach Mosambik. Darauf verständigten sich die Außenminister der Europäischen Union am Montag in dieser Woche. Ein wenig Stolz schwang in den Worten von Josep Borrell, dem EU-Außenbeauftragten, mit, als diesen Beschluss bekanntgab. „Die Mission wurde in einer Rekordzeit aufgestellt, wobei „Rekordzeit“ im europäischen Sprachgebrauch nicht sehr schnell bedeutet, aber sie wurde schneller aufgestellt jede andere Mission.“ Die Mission ist in ihrer Größe, ihrem Format ihrer und Dauer – zwei Jahre – begrenzt. Kernauftrag ist der Aufbau einer mosambikanischen schnellen Eingreiftruppe (QRF – Quick Reaction Force) von etwa 1.300-1.500 Soldaten. Damit sollen die Streitkräfte des südostafrikanischen Staates ertüchtigt werden, die dschihadistische Bewegung Ansari al-Sunnah (angegliedert an den Islamischen Staat oder ISIS Mosambik) in der Region Cabo Delgado (im Norden des Landes, Grenzregion zu Tansania) zurückzudrängen.

Es ist nicht die Aufgabe der EU, den Frieden zu erzwingen oder wiederherzustellen. Die EU-Trainings-Mission (EUTM) Mozambique wird kein Exekutivmandat haben. Das etwa 120 Personen umfassende Ausbildungskontingent der EU soll elf „robuste“ Kompanien, sechs Kompanien Spezialkräfte und fünf Marine-Infanterie sowie einen Führungsstab ausbilden. Abgestützt auf Maputo und Chimoio (im zentralen Süden Mosambiks), wird die europäische Ausbildungsmission nicht in der Nähe von Cabo Delgado, dem Brennpunkt der terroristischen Aktivitäten stationiert sein. Die ehemalige Kolonialmacht Portugal ist bereits seit Januar vor Ort und wird nicht nur einen Großteil des Personals stellen, sondern auch mit Brigadegeneral Nuno Lemos Pires auch den Leiter von EUTM Mozambique. Die Anfangsbefähigung (IOC) der auszubildenden Truppen ist für September und die volle Einsatzfähigkeit (FOC) für Oktober vorgesehen.

Nach Informationen von B2, einem sicherheits- und verteidigungspolitischen Brüsseler Online-Nachrichtenmagazin, hat Portugal zugestimmt, sein Personal von 60 auf ca. 80 zu erhöhen. Estland, Italien und Spanien hätten sich grundsätzlich zur Teilnahme bereit erklärt. Abgesehen von einem oder zwei Offizieren wird Frankreich wohl keine ständige Präsenz einrichten, sondern spezifische Ausbildungsanteile (z.B. Scharfschützen) mit Elementen der FAZOI (Forces armées dans la zone Sud du l’Océan Indien), deren Sitz auf La Réunion ist, abbilden. Luxemburg bringt Satellitenkommunikation ein. Folgende wesentliche Punkte sind nach den vorliegenden Informationen zurzeit noch ungeklärt: die medizinische Unterstützung (Feldlazarett – Role 2), der Schutz der Einsatzkräfte (Force Protection) sowie die Art der Zusammenarbeit mit anderen, z.B. den US-Streitkräften, die in einer eigenen Mission mit Mosambik agieren.

Mit einem Budget von 15,16 Millionen Euro wird EUTM Mosambik die erste europäische Mission sein, die aus der Europäischen Friedensfazilität (EPF) finanziert wird.

Eine Mission mit Fragezeichen

Mosambik leidet seit mehreren Jahren unter Angriffen in seiner nördlichen Provinz Cabo Delgado. Im März erlangten die Übergriffe nach einer Attacke auf die Stadt Palma internationale Aufmerksamkeit. Der in deren Nähe Gasvorkommen explorierende französische Konzern Total stellte daraufhin seine Aktivitäten ein. Der Präsident Mosambiks, Filipe J. Nyusi, sprach am 18. Mai beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuzes (IKRK) beobachtet mit zunehmender Sorge die sich verschlechternde humanitäre Situation in der Provinz Cabo Delgado, aus der mehr als 800.000 Menschen seit dem letzten Jahr vertrieben wurden. Nach Informationen des schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI fanden 300.000 Menschen den Tod. Die EU schätzt, dass 1,3 Millionen Menschen in Cabo Delgado und seinen Nachbarprovinzen sofortige humanitäre Hilfe benötigen.

Mit EUTM Mozambique interveniert die EU zum ersten Mal militärisch im südlichen Teil Afrikas. Der Einsatz unterscheidet sich von den anderen Engagements der EU, die zwischen dem Horn von Afrika und der Sahelzone eingesetzt werden. Es geht nicht darum, in einem gescheiterten Staat (Somalia) oder einem quasi gescheiterten Staat (Zentralafrikanische Republik, Mali) einzugreifen, in dem die Armee am Boden liegt, sondern in einem einigermaßen strukturierten Staat mit einer Armee, der es an Kapazitäten mangelt. Kämpfen sollen andere.

Die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) beginnt derzeit einen militärischen Einsatz gegen den radikalislamischen Terror in der betroffenen Provinz. Im April nahm die SADC Planungen für einen 3.000-Mann starken Ausbildungs- und Kampfeinsatz auf, deren Verlegung am 15. Juli 2021 beginnen soll. Die SADC möchte, dass die EU und die USA die Mission finanzieren. Ruanda verlegte am 9. Juli 2021 1.000 Mann nach Mosambik. Zur „Unterstützung der Bemühungen zur Wiederherstellung der mosambikanischen Staatsordnung durch die Durchführung von Kampf- und Sicherheitsoperationen in Cabo Delgado“ wie es im Kommuniqué aus Kigali heißt. Maputo heuert private russische und südafrikanische Sicherheits- und Militärfirmen an, um die Aufständischen zusammen mit den Streitkräften zu bekämpfen. Deren Integrität in Bezug auf die Zivilbevölkerung gab bereits bei früheren Gelegenheiten Anlass zu Zweifel.

Demgegenüber wird es (nicht nur) für die EU in Mosambik darum gehen, inwieweit die Unterstützung der mosambikanischen Streitkräfte (FADM – Forças Armadas de Defesa de Moçambique) zur Lösung der Lage beiträgt. Wenn auch die Verhältnisse nicht übertragbar sind, so zeigen andere Einsätze in Afrika, dass Unterstützungsleistungen an Streitkräfte nicht zwingend zur Verbesserung der Situation beitragen. In Mosambik nähren Korruptionsvorwürfe das Misstrauen in die Regierung. Menschenrechtsverletzungen werden nicht nur den Aufständischen, sondern auch den Streitkräften und Söldnergruppen zugeschrieben. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit die Ausbildung der FADM die Zweifel gegen den Staat verstärken. Vor dem Hintergrund der wachsenden Unzufriedenheit mit Regierung bietet die Wahrnehmung der eigenen Entbehrung zusammen mit dem kollektiven Gefühl von Ungleichheit womöglich eine stärkere Plausibilität für die Aufstände als die dschihadistische Ideologie. Der Beginn des Aufstands fiel mit einem Skandal um Kredite in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar zusammen.

Nun ist gerade in Afrika der Ausbruch aus dem Teufelskreis zweifelhaftes Regierungsverhalten – fehlendes gesellschaftliches Wohlergehen (Bildung, Arbeit) und skrupelloser Umgang mit Ressourcen (Bodenverkäufe zugunsten von Industrieansiedlungen) nicht einfach. Die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“ und seine Gruppierungen darf dennoch nicht unterschätzt werden. Doch gerade die mangelhaften Bedingungen im Land bieten einen Nährboden für deren Aktivitäten. Streitkräfte, denen man kein Vertrauen entgegenbringt, wirken unter diesen Umständen alles andere als sicherheitsfördernd. Vor diesem Hintergrund steht die EUTM vor besonderen Herausforderungen.

Es scheint, dass sich die EU weniger aufgrund der dramatischen humanitären Situation als auf Druck Portugals engagiert. Auch Josep Borrell, dem Chefdiplomaten der EU, wird nachgesagt, dass er maßgeblich an der Gestaltung eines europäischen Engagements in Mosambik mitwirkte. B2 berichtet, dass sowohl das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU als auch betroffene Arbeitsgruppen zur Beschleunigung ihrer Arbeiten angehalten wurden. Dies ist nicht verwerflich. Die Union lebt davon, dass einzelne Mitgliedsstaaten vorangehen. Allerdings seht Paris häufig im Verdacht steht, seine eigenen (wirtschaftlichen) Interessen voranzustellen.

Letztendlich stellt sich die Frage, welche Rolle Deutschland spielen will. Bei der Restrukturierung des französischen Engagements im Sahel spielte die Bundeswehr keine Rolle. Zu sehr, so heißt es in Brüssel, habe Berlin in der Vergangenheit theoretisiert, ohne sich selbst substanziell einzubringen. Wurde in der Angelegenheit EUTM Mozambique erneut ein Bogen um Deutschland gemacht?

Hans Uwe Mergener