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Nachdem der Deutsche Bundestag die Mittel für das deutsch-norwegische U-boot U212CD freigegeben hat, haben nun am 08. Juli 2021 die Beschaffungsorganisationen der Verteidigungsministerien Norwegens und Deutschlands die entsprechenden Verträge unterschrieben. Damit kann nun mit der Herstellung der Boote begonnen werden. Die beauftragte Werft Thyssenkrupp Marine Systems beziffert das Auftragsvolumen mit rund 5,5 Milliarden Euro. Im Vertrag ist die Option für weitere Boote für beide Vertragsstaaten vorgesehen.

Nach jetzigem Planungsstand wird das Projekt mit der Designfestlegung (Preliminary Design Review) im Januar 2023 gestartet. Der Abschluß der Entwicklungsarbeiten (Critical Design Review) soll im September 2024 sein. Stahlschnitt für das erste Boot wird – vorausgesetzt, dass diese Termine gehalten werden können – im Mai 2025 sein. Die Auslieferung dieser Baunummer 1 an die norwegische Marine wird für 2029 erwartet. Für Deutschland bestellte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) zwei Boote. Ihre Auslieferung an die Deutsche Marine ist für 2032 (Baunummer 3) und 2034 (Baunummer 5) vorgesehen.

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Foto: Screenshot Kongsberg

Neue Herausforderungen – neue Wege

Zur Schaffung von Synergien und Interoperabilität werden die Boote weitgehend identisch sein. Nur einige wenige technische Details, auf die die Nationen wert legen, bilden eine Ausnahme. Es wird ein gemeinsames Nutzungsmanagement eingerichtet, das sowohl die Ausbildung der Besatzungen als auch des Logistik-Personals umfasst.

U212CD setzt auf dem sich in der deutschen und italienischen Marine bewährten  Design der U-Boote Klasse U212A auf. Natürlich wird das Boot dem aktuellen Technologiestand und neuen Anforderungen der beiden Marinen entsprechend angepasst. Insofern greift das Neubauprojekt auf bekannte und bewährte Systeme der U-Bootklassen 212A, 214 und 218 zurück. Die Bauweise der Druckhülle aus nicht magnetisierbarem Stahl und der außenluftunabhängige bleiben auch für die Neuentwicklung herausragende technischen Merkmale. Geänderte Mobilitätsansprüche und die Forderung, dass das Boot für eine längeren Nutzungsdauer ausgelegt wird, führt zu einem Zuwachs an Tonnage. Damit muss auch die Antriebsanlage neugestaltet werden.

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Foto: Kongsberg

Hinzu kommen ‚neue‘ Fähigkeiten zur Bekämpfung von Zielen auf und unter Wasser, von Land- und Luftzielen sowie bei der Überwachung von Seegebieten. U212CD soll zudem über eine neue Batterietechnologie verfügen. An thyssenkrupp Marine Systems wurde am 9. Juli 2021 eine Studie für eine Lithium-Ionen Fahrbatterie vergeben. Dabei ist zurzeit noch offen, inwieweit diese Neuentwicklung integriert werden wird – Auftraggeber und Auftragnehmer verfahren nach dem Grundsatz „fitted for but not with“.

Über Weiterentwicklungen in der Batterietechnologie hinaus sind Fortschritte bei der Brennstoffzelle und bei den Dieselmotoren vorgesehen. Zwei Dieselmotoren der Serie MTU4000 sollen zukünftig auf der Klasse U 212CD eingesetzt werden.

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Foto: Kongsberg

Um bei gleichzeitig größeren Dimensionen des Bootskörpers (Nach ESuT vorliegenden Informationen wird U212CD ca. 2.800 Tonnen verdrängen. Unsere Schwesterzeitung Hansa-online.de gibt als Länge ungefähr 73 Meter, eine Breite von 10 Metern und eine Höhe von 13 Metern an.) weiter verdeckt operieren zu können (Signaturreduzierung), erhält der Bootskörper eine innovative Formgebung. Dies stellt die Sensorik der Boote vor neue Herausforderungen, denen durch Verbesserungen der bewährten Sensoren Rechnung getragen werden soll.

Ein neues Führungsmittel- und Waffeneinsatzsystem, ORCCA, soll neue Möglichkeiten in der Lagebilderstellung und der Vernetzung bei maximaler IT-Sicherheit bieten. Nach Angaben des Herstellers, kta naval systems AS, einem Joint Venture zwischen thyssenkrupp Marine Systems und Kongsberg, soll ORCCA seinen Betreibern Datenanalysen aus einer Vielzahl von Sensoren und Systemen auf einer multifunktionalen Konsole ermöglichen (s. Illustration). Das in U212A die Druckhülle durchbrechende Sehrohr weicht einem weiteren Optronikmast. In Verbindung mit den Multifunktionskonsolen ermöglicht dies eine andere Gestaltung der Operationszentrale des Bootes.

Die deutschen Boote sollen mit Schwergewichtstorpedos des Typs DM2A4 und mit IDAS (Interactive defence and attack system for submarines), ein flugkörpergestütztes Verteidigungssystem gegen Luftbedrohungen, bewaffnet werden.

Ankerpunkte deutsch-norwegischer Zusammenarbeit: Kiel – Haakonsvern

Das deutsch-norwegische U-Boot-Kooperationsprogramm sieht die Einrichtung eines gemeinsamen Building Program Office (BPO) als zentrale Ansprechstelle für Design, Konstruktion und Abnahme vor. Während sein Sitz in Kiel sein wird, wechselt die Leitung zwischen Deutschland und Norwegen. Etwa ein Drittel des gemeinsamen Teams soll aus Norwegen stammen. Ein norwegisches Vorausteam ist bereits seit Projektbeginn in Kiel und kooperiert mit den Mitarbeitern des Referates S7.2 des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.

Im weiteren Verlauf des Projektes soll ein Lifetime Management Program Office (LMPO) in Haakonsvern in Norwegen eröffnet werden. Auch hier soll die Leitung zwischen den Vertragsstaaten alternieren. Deutschland wird ein Drittel des Personals stellen. Die Vereinbarungen zum Programm U212CD sehen darüber hinaus ein Verbindungsbüro, auch in Haakonsvern, vor. Es soll der Ansprechpartner für Wartung und Instandsetzungsfragen werden. Norwegen beabsichtigt zudem in Haakonsvern entsprechende Kapazitäten, also Werftanlagen sowie Wartungs- und Instandsetzungseinrichtungen aufzubauen.

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Kathrin Rohloff, Geschäftsführerin von kta naval systems: „ORCCA ist das modernste Kampfsystem für nicht-nukleare U-Boote auf dem Markt.“  Foto: Kongsberg

Für die Deutsche Marine eröffnet U212CD neue Welten – hier kommt ein richtig großes U-Boot. Für die norwegische Marine hat das Projekt strategische Bedeutung, nicht nur militärisch-operativ, sondern auch politisch. Norwegische U-Boote waren in den letzten sechzig Jahren immer aus deutscher Herstellung. Es ist nicht von ungefähr, dass sich Norwegen Deutschland als Partner für ein gemeinsames U-Boot-Projekt ausgesucht hat. Den Höhen und Tiefen vergangener Erfahrungen zum Trotz.

Noch mehr als für die beiden Marinen hat das Projekt für thyssenkrupp Marine Systems einen außergewöhnlichen Stellenwert. Nach dem gescheiterten Australien-Geschäft ist U212CD thyssenkrupp Marine Systems mehr als nur ein Rettungsanker. Vom Auftragsvolumen her ist er einer der größten der Firmengeschichte. Mit U212CD kann das Kieler Unternehmen neue Maßstäbe im U-Bootbau setzen. Es will sich bereit zeigen, die Standards der Zukunft in dieser Sparte des Marineschiffbaus zu etablieren und sich als führendes Systemhaus für konventionelle U-Boote weiter profilieren.

Hans Uwe Mergener