Print Friendly, PDF & Email

Ortskräfte, die in Afghanistan für die Bundeswehr gearbeitet haben, sind dort nach dem Abzug der NATO-Truppen gefährdet. Die Taliban, so ist zu befürchten, bewerten die Tätigkeit für die NATO-Truppen, also auch für die Bundeswehr, als Verrat. Die Betroffenen selbst sehen sich in einer schwierigen Lage. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich im Bundeskabinett für eine unbürokratische Aufnahme der Ortskräfte in die Bundesrepublik Deutschland eingesetzt. In Berlin stieß dies auf wenig Gegenliebe.

Die Bundesregierung hat nun in einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage der FDP-Bundestagsfraktion mitgeteilt, dass die jeweiligen Ministerien für die Bearbeitung etwaiger Gefährdungsanzeigen ihrer Ortskräfte einen Kriterienkatalog entwickelt haben, anhand dessen die jeweiligen Ressortbeauftragten die individuelle Gefährdung beurteilten. Dabei wurden drei Gefährdungskategorien erarbeitet. Eine Einstufung in die Kategorien 1 oder 2 ermöglicht danach eine Aufnahme in Deutschland, wenn gegen die betreffende Person keine Sicherheitsbedenken existieren.

Von Februar 2020 bis März 2021 wurden bei 16 Ortskräften des Verteidigungsministeriums eine Gefährdung nach den Kategorien 1 oder 2 festgestellt, während 22 Ortskräfte in Kategorie 3 eingestuft wurden. Im April und Mai hat Verteidigungsministerium 525 Ortskräften in diese Kategorie eingestuft. Weiter heißt es in der Antwort der Bundesregierung: Zugleich wurden bei der Zahl der „Ablehnungen“ (Einstufung in Kategorie 3) negative Fallzahlen von minus 68 im April und minus 255 im Mai verzeichnet. Die negativen Fallzahlen resultieren den Angaben zufolge aus der Einführung des vereinfachten Ortskräfteverfahrens, durch das vormals nicht gefährdete Ortskräfte nunmehr als latent gefährdet eingestuft wurden“.

Weiter wurden von Februar vergangenen Jahres bis Mai 2021 fünf Ortskräfte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in die Kategorien 1 oder 2 eingestuft, acht Ortskräfte in Kategorie 3. Im selben Zeitraum wurden – so die Bundesregierung – bei fünf Ortskräften des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) eine Gefährdung der Kategorien 1 oder 2 festgestellt, wobei diese Einstufungen alle im April dieses Jahres erfolgten. Von den Ortskräften des Auswärtigen Amtes (AA) wurden von Februar 2020 bis Mai 2021 13 (alle im Mai 2021) in die Kategorien 1 oder 2 eingestuft, während der Kategorie 3 innerhalb der genannten 16 Monate weder Ortskräfte des Auswärtigen Amtes noch des Entwicklungshifeministeriums zugeordnet wurden.

blank
blank

Über den Zeitraum, in dem die Ortskräfte für deutsche Ministerien tätig waren, berichtet der Bundestag nicht. Wer weiß, wie wichtig die Ortskräfte für die Arbeit deutscher Afghanistan-Kontingente war und für künftige Einsätze ist, kann sich über diese bürokratische Haltung nur wundern. Presseberichte über die Lage der ehemaligen Ortskräfte sprechen eine andere Sprache. In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung meinte einer der Betroffenen, wenn die Taliban nun nach dem Abzug der Bundeswehr bei ihm anklopften, hoffe er, dass sie ihn sofort erschießen und nicht noch erst folterten.

Quelle der Zahlen: Deutscher Bundestag

Rolf Clement