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Interview mit dem Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais Teil 2

ES&T: Wenn Sie sich die jüngsten Konflikte anschauen – Bergkarabach, Ost-Ukraine, Syrien, Libyen: Muss sich das Heer konzeptionell und materiell anders aufstellen?
General Mais: Ich glaube, wir müssen einfach anpassungsfähiger, adaptiver werden. Nehmen wir das Beispiel Bedrohung durch Drohnen. Dieses große Thema nach dem Bergkarabach-Konflikt ist für das Heer nicht überraschend gekommen. Wir haben in den Jahren 2016/2017 den Konflikt mit dem sog. Islamischen Staat in Syrien und im Irak, insbesondere die Schlacht um Mossul, analysiert. Der Konflikt in der Ost-Ukraine und die Zunahme entsprechender Sicherheitsvorkommnisse in Afghanistan haben das Bild ergänzt.

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Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Deutschen Heeres (Fotos: Bundeswehr)

Da war die glasklare Erkenntnis, dass insbesondere die Klein- und Kleinst-Drohnen ein Thema moderner Kriegführung und unserer nahen Zukunft werden. Aus beiden Perspektiven: als gegnerische Fähigkeit oder zur Erweiterung eigener Fähigkeiten und Reichweiten. Wir haben schon 2017 das Projekt Qualifizierte Fliegerabwehr gestartet, weil wir die Notwendigkeit einer entsprechenden Fähigkeit für die NATO-Speerspitze (VJTF) 2023 gesehen haben. Und wir waren damals schon überzeugt, dass diese handelsüblichen Kleinst-Drohnen das Potenzial haben, die Sprengfallen der Zukunft, das neue IED, auch für nichtstaatliche Akteure, zu werden. Das sind Mittel, die man seit Jahren in jedem Onlineshop kaufen kann, um damit zu experimentieren und sie zu direkten oder indirekten Aufklärungs- und Wirkmitteln, einzeln oder im Schwarm, auszubauen. Das ist eine Bedrohung, die – in natürlich höherwertiger Form – nicht nur etwas mit Landes- und Bündnisverteidigung oder hochintensivem Gefecht zu tun hat, sondern die uns in Mali oder im Nordirak oder sonst wo sprichwörtlich „auf die Füße“ fallen kann. Wir sind vor vier Jahren in die Vorbereitung der Speerspitze (VJTF) 2023 mit dem Anspruch gestartet, diese Lücke zu schließen. Aber die Umsetzung ist für uns zeitlich nicht befriedigend gelaufen, nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir werden diese Fähigkeit vermutlich erst dann verfügbar haben, wenn unsere Führungsrolle in der VJTF (L) fast wieder vorbei ist.

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