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Ein Arbeitsschutzsystem für Taucher, die Weltkriegsmunition aus Nord- und Ostsee bergen, entwickelt ein Verbund aus norddeutschen Firmen und Forschungseinrichtungen unter Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD. Nach einem Bundestagsbeschluss fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das Projekt, um die Beseitigung der Altlasten zu beschleunigen. Das Projekt wird unter der Bezeichnung TOxAR (Toxic Alarm with AR-Assistance under water) geführt.

In den beiden Weltkriegen sind große Mengen Munition in Nord- und Ostsee versenkt worden. Darunter sind nach aktuellen Schätzungen rund 220.000 Tonnen chemische Kampfmitttel. Diese befinden sich nun zwischen 75 und über 100 Jahren im Salzwasser. Die metallischen Hüllen sind wohl stark korrodiert. Bei der Bergung können die Hüllen brechen und Kampfstoffe austreten. Schon jetzt sind einige Hüllen undicht und entlassen Fahnen mit Schadstoffen – z.B. TNT, Senfgas oder Abbauprodukte von Arsen – in das Wasser. Dadurch werden nicht nur Fauna und Flora vor Ort, sondern vor allem die Bergungstaucher und über Kontaminationsverschleppung über Werkzeuge und Geräte auch die Besatzungen der Bergungsschiffe gefährdet. Unbemannte Unterwasserfahrzeuge können derzeit nur eine geringe Entlastung bringen.

In dem TOxAR-Projekt, das im März 2021 gestartet worden ist und bis August 2023 läuft, entwickelt ein interdisziplinäres Konsortium aus Industrie und Forschung  ein Arbeitsschutzsystem für Unterwasserarbeiten. Drei unterschiedliche Sensoren messen kontinuierlich schädliche Substanzen in der Umgebung:

  • ein zellbasierter Biosensor für die Detektion von arsenhaltigen Kampfstoffen,
  • ein mikrofluidischer TNT-Sensor für Taucher und ROV/AUV für Echtzeitdetektion von TNT im Wasser und
  • ein Beprobungs- und Sensorsystem für die Detektion von Senfgas und Chlorbenzol im Sediment.

Mobile Lanzen und Plaketten dienen als Geräteträger und werden vor einem Arbeitseinsatz unter Wasser in den Boden eingebracht, um ein Sensor-, wie auch Kommunikations- und Positionierungsnetz aufzuspannen und sind nach Arbeitsende auch schnell wieder zu demobilisieren.

Aus den Sensordaten wird die Gefährdungslage am Arbeitsplatz abgeleitet und dem Taucher und seiner Leitstelle dargestellt.

Bei der Untersuchung von Gegenständen wird Sediment aufgewirbelt. In dem dabei entstehenden „Kakaowasser“ reduziert sich die Sichtweite bis auf wenige Zentimeter. Um die Orientierung der Taucher zu erhalten, entwickelt das Fraunhofer IGD ein Augmented Reality System für die Taucherbrille. Die über das Sensornetz ermittelte Schadstoffbelastung in Wasser und Sediment wird Tauchern mit einer genauen Verortung direkt in der Brille oder alternativ auf einem Display am Handgelenk angezeigt. Damit ist ein Rückzug bei entstehender Gefahr durch Schadstoffe viel schneller als bisher möglich und Maßnahmen zur Gefahreneindämmung können sofort eingeleitet werden.

Projektteam TOxAR

  • MacArtney Germany GmbH, Kiel (Projektleitung),
  • Fraunhofer IGD, Kiel,
  • Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg,
  • EvoLogics GmbH, Berlin,
  • Miprolab Mikrobiologische Diagnostik GmbH, Göttingen und
  • Institut für Nanophotonik IFNANO e.V., Göttingen

Assoziierte Partner

  • Baltic Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock GmbH, Rostock,
  • HCG Hazard Control GmbH, Visselhövede und
  • Nationales Informationszentrum Chemische Kampfmittel e.V., Hamburg

Gerhard Heiming