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Die vorgestern bekannt gegebene Entscheidung des Verteidigungsministeriums, die Firma Haenel aufgrund von vermuteten Patentrechtsverletzungen vom Wettbewerb um ein neues Bundeswehr-Sturmgewehr auszuschließen und den Auftrag stattdessen an Heckler & Koch zu vergeben, dürfte nur ein weiterer Zwischenschritt sein. Sollte Haenel seine Ankündigung wahrmachen und gegen den Ausschluss klagen, könnten womöglich noch Jahre bis zur Unterzeichnung des Liefervertrags ins Land gehen. Zur Erinnerung: Ausgeschrieben wurde der Auftrag für ein G36-Nachfolgegewehr bereits im Jahr 2017, jetzt schreiben wir 2021.

Es handelt sich bei dem geforderten neuen Sturmgewehr zwar um ein Hochpräzisionsprodukt, das offenbar nur wenige Hersteller beherrschen. Allerdings ist es kein komplexes Waffensystem, muss nicht in einem System of Systems integriert werden und basiert auf jahrzehntealter Technologie. Vor diesem Hintergrund sind die Beschaffungszeiten für ein derartiges Produkt schlicht inakzeptabel.

Dabei entwickeln sich Militärtechnik und –doktrin im Augenblick geradezu sprunghaft, was entsprechende Anpassungen bei der Bundeswehr erforderlich macht. So hat der Konflikt um Bergkarabach gezeigt, dass ein kleines 10-Millionen-Einwohner-Land wie Aserbaidschan mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von etwa 5.000 Dollar zum modernen Drohnenkrieg in der Lage ist, gegen den die heutige Bundeswehr vermutlich kaum Abwehrmöglichkeiten hätte. Dass hier schnell Abhilfe geschaffen werden könnte, scheint unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen illusorisch. Denn selbst politisch hoch priorisierte Projekte wie eben der Kauf eines Sturmgewehres kommen nur gemächlich voran.

Hält Deutschland an seinen langatmigen Beschaffungsprozessen fest, wird die Bundeswehr ihre Modernisierungslücken nur schwer schließen können. Während das Bundeswehrbeschaffungsamt aufgrund des engen Vorgabenkorsetts kaum Spielraum hat, sind in erster Linie die Spitze Verteidigungsministeriums und die Politik gefordert, Prozesse zu beschleunigen.

Die vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus angemahnte Jahrhundertreform der Staatlichkeit sollte – wenn sie denn kommt – das Beschaffungswesen der deutschen Streitkräfte nicht ausklammern. Denn auch hier gilt es Entscheidungshierarchien, Zuständigkeiten, Planungs- und Genehmigungsprozesse grundsätzlich zu überprüfen.

Lars Hoffmann