Keine Sentimentalitäten, nur Business – Die Perspektiven der amerikanisch-russischen Beziehungen unter Joe Biden
Andrej Pustovitovskij
Der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Andrei Gromyko, gratuliert Joe Biden zum Sieg – diese im Stile einer offiziellen Meldung verfasste Nachricht, mit einem entsprechenden Foto verbunden, wurde einige Tage nach der US-Präsidentschaftswahl in den russischsprachigen sozialen Medien zu einer der meistgeteilten.
Der Erfolg dieser humoristischen Meldung liegt zum einem darin, dass das entsprechende Foto authentisch ist. Erstmals besuchte Joe Biden Moskau bereits 1979 als relativ junger Senator. Beim zweiten Besuch 1988, im Anschluss an die Unterzeichnung des Vertrags über die Begrenzung nuklearer Mittelstreckenraketen (INF), entstand das besagte Bild mit dem ehemaligen sowjetischen Außenminister „Genosse Njet“ Gromyko.
Zum anderen verdeutlichte die Meldung die Zurückhaltung der aktuellen Bewohner des Kremls. Anders als viele seiner Kollegen im Ausland war vom russischen Präsidenten Wladimir Putin noch Wochen nach der Wahl nichts zu vernehmen. Putins „lautes“ Schweigen verdeutlichte dabei sehr gut die mangelnde Vorfreude auf den neuen US-Präsidenten im Kreml. Damit besteht ein starker Kontrast zu 2016, als bei der Nachricht über Trumps Sieg in Moskau buchstäblich die Korken knallten. Der überraschende Sieg Trumps sorgte für Euphorie in den Machtzentralen Russlands. In der Duma gab es Applaus und die systemtreue ultranationalistische Oppositionspartei LDPR veranstaltete ein Bankett.
Trumps von liberalen Werten befreite Rhetorik ließ in Moskau die Hoffnung auf einen kompletten Umschwung der sich zuletzt stets verschlechternden bilateralen Beziehungen und damit nicht zuletzt ein Ende der Wirtschaftssanktionen keimen.
Die nun ausbleibenden warmen Gefühle gegenüber dem neuen Präsidenten Joe Biden bedeuten allerdings nicht, dass man in Moskau, wie bei Hilary Clinton vier Jahre zuvor, auf keinen Fall den demokratischen Kandidaten im Weißen Haus sehen wollte. Zu groß ist die Enttäuschung angesichts der nicht erfüllten Hoffnungen der Ära Trump. Der „große Deal“ ist nicht nur ausgeblieben, die Sanktionsschraube zog sogar unter Trump weiter an. Auch bei einer zweiten Amtszeit Trumps würde sich kaum etwas daran ändern können.
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