Microlauncher und Weltraumbahnhof – Neue Trends in der deutschen Weltraumstrategie
Wolfgang Labuhn
Pioniergeist durchweht die große Werkshalle im neuen Augsburger Technologiezentrum, in der das Start-up Rocket Factory Augsburg (RFA) gerade dabei ist, das erste Exemplar ihrer Trägerrakete RFA ONE zu bauen. Die RFA ONE ist ein Microlauncher, eine vergleichsweise kleine Rakete, mit der eines Tages bis zu 1,2 Tonnen Nutzlast in Form von Kleinsatelliten in Erdumlaufbahnen befördert werden sollen. Mit einem gebraucht erworbenen industriellen 3D-Drucker werden die selbst entwickelten Raketenmotoren produziert. An anderen Fertigungsstationen entstehen die Rundsegmente der Außenhülle der 25 Meter hohen Trägerrakete, wird geschweißt und zerspant – traditionelle Metallbearbeitung nur wenige Meter von den Bildschirmen der Konstrukteure entfernt. Viele der aus 25 Ländern stammenden 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RFA sind keine Berufsanfänger, sondern haben ihr Handwerk bei Arianespace oder dem neuseeländisch-amerikanischen Start-up Rocket Lab gelernt, das mit seiner Trägerrakete Electron bereits die ersten Satelliten in den Erdorbit transportiert hat. Auch Stefan Brieschenk, als Co-Vorstand Chief Operations Officer der RFA, war früher bei Rocket Lab, während der Chief Commercial Officer Jörn Spurmann, ebenfalls Co-Vorstand, als studierter Raumfahrttechniker am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erste Satellitenerfahrungen sammelte.
Die 2018 gegründete Rocket Factory Augsburg (Partner: OHB System AG und MT Aerospace AG) ist nicht das einzige Raketen-Start-up in Deutschland. Auch Isar Aerospace Technologies in München (Partner: Airbus) und HyImpulse Technologies in Neuenstadt am Kocher (Partner: IABG) haben die zweite Runde des DLR-Microlauncher-Wettbewerbs erreicht und jeweils 500.000 Euro für die Weiterentwicklung ihrer Trägerraketen bis zur Hauptrunde des Wettbewerbs im Frühjahr dieses Jahres erhalten. Insgesamt 25 Millionen Euro Fördergelder aus dem „Commercial Space Transportation Services and Support Programme“ der European Space Agency (ESA) winken den Gewinnern des Wettbewerbs dann für den Bau von Prototypen ihrer Trägersysteme bis hin zum ersten Start mit Nutzlast in den kommenden Jahren. Dahinter steht die Einsicht, dass die ESA nicht mehr alles selbst entwickeln, sondern verstärkt Leistungen bei kommerziellen Start-ups einkaufen sollte, wie es Thomas Jarzombek formulierte, der Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt und Start-up-Beauftragter im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: „Unser Ziel ist es, neben den etablierten Launcher-Anbietern neue Akteure aus dem Start-up-Umfeld aufzubauen. Damit setzen wir auf die Kommerzialisierung der Raumfahrt, wie es die NASA bereits erfolgreich betreibt. Firmen wie SpaceX sind daraus hervorgegangen.“
Das bedeutet zwar keine radikale Änderung, aber doch eine bedeutsame Erweiterung der nationalen Weltraumstrategie Deutschlands. Deren Umsetzung ruht nach Darstellung des Wirtschaftsministeriums weiterhin auf vier Säulen:
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