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Die EU-Außenminister haben am Montag (25.01.) beschlossen, ein Pilotprojekt für eine koordinierte maritime Präsenz (Coordinated Maritime Presence (CMP)) im Golf von Guinea zu starten. Erstmalig reagiert die EU damit in dieser Form auf eine akute Beeinträchtigung des freien Seeverkehrs durch eine immer stärker werdende Piraterie. Das Pilotprojekt ist zuächst auf ein Jahr angelegt. Im Januar 2022 soll eine Überprüfung stattfinden.

Bedrohung der Seeschifffahrt

Die Priaterie in dieser Region hat deutlich zugenommen. In seinem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht sieht Piracy Reporting Centre (PRC) des internationalen maritimen Büros (International Maritime Bureau) die Situation im Golf von Guinea als einen maßgeblichen Treiber des Anstiegs der Pirateriefälle im Jahr 2020. Der Bericht spricht von 195 Fälle gegenüber 162 im Jahr 2019.

Weltweit wurden im Jahr 2020 135 Besatzungsmitglieder von ihren Schiffen gekidnappt, 95 Prozent davon im Golf von Guinea (130) bei 22 Zwischenfällen. Darüber hinaus kam es in der Region zu drei Schiffsentführungen und in neun zusätzlichen Fällen zu Schusswaffengebrauch auf Schiffe. Bei 25 Prozent der Angriffe auf Schiffe im Golf von Guinea wurden Entführungen von Besatzungsmitgliedern gemeldet – mehr als in jeder anderen Region der Welt. Die Zunahme der Zwischenfälle in dem Seegebiet wird vor allem seit dem letzten Quartal 2019 registriert. Erst am 23. Januar 2021 wurde das unter liberianischer Flagge fahrende, von der türkischen Reederei Boden Denizcilik AŞ betriebene Containerschiff „Mozart“ Opfer eines Übergriffes, der zu einem Toten und 15 Geiselnahmen führte. Die „Mozart“ konnte sich schließlich mit der verbliebenen Besatzung nach Port-Gentil, Gabun, absetzen.

Die Initiativen der EU

Mit dem Coordinates Maritime Presence-Mechanismus der EU soll die internationale Zusammenarbeit auf See durch eine verstärkte Koordination der See- und Seeluftstreitktäfte gefördert werden, die in dem betroffenen Seegebiet operieren. Dieser Mechanismus wird in jedem Seegebiet der Welt, das vom Rat der EU als maritimes Interessengebiet festgelegt wird, angewendet. Ein Koordinierungsinstrument ist der Informationsaustausch und die Lageanalyse, bei der die in der Region kreuzenden Einheiten der EU-Mitgliedsstaaten und der Küstenanrainern einbezogen werden. Anders als bei einer Operation (oder Mission) erfolgt also keine eigentliche Streitkräfteabstellung (‚Force Generation‘). Im EU-Militärstab soll eine Koordinierungszelle, die Maritime Area of Interest Coordination Cell (MAICC), eingerichtet werden, die die Informationen bündeln und eine gemeinschaftliche Analyse ermöglichen soll.

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Mit diesem Instrument will die EU eine dauerhafte maritime Präsenz in einem Gebiet von speziellem maritimen Interesse zeigen. Unterhalb der Schwelle einer Operation (oder Mission) soll zwischen den ohnehin präsenten, jedoch unabhängig voneinander operierenden EU-Mitgliedsstaaten Synergie hergestellt werden.

Im Falle des Golfs von Guinea sind Frankreich, Italien und Spanien üblicherweiese mit Kriegsschiffen unter nationaler Führung vor Ort. Seit 1990 unterhält Frankreich die Operation Corymbe im Golf von Guinea. Aktuell ist der Hochseepatrouilleur „Commandant Birot“ (F 796) vor Ort. Das ‚Maritime Information Cooperation and Awareness Center‘ (MICA Center) in Brest verarbeitet die weltweite Informationslage.

Das Konzept der koordinierten maritimen Präsenz (Coordinated Maritime Presence (CMP)) geht zurück auf das informelle Treffen der EU-Verteidigungsminister vom 28.-29. August 2019 in Helsinki. Es wurde am 17. Juni 2020 vom Europäischen Rat verabschiedet.

Der Start des Pilotprojekts im Golf von Guinea unterstützt die Initiativen der Küstenstaaten im Rahmen der Yaoundé-Architektur und verstärkt die Bemühungen der EU in der Region. Im Rahmen ihrer Strategie für den Golf von Guinea (2014) und eines später initiierten Aktionsplans für den Golf von Guinea unterhält die EU bereits eine Reihe von Programmen und Projekten zum Erfahrungs- und Kapazitätsaufbau (‚capacity building‘). Die dafür einzusetzenden Mittel stammen sowohl aus dem Instrument für Sicherheit und Frieden (IcSP) als auch aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF).

Rolf Clement