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Die japanische Marine hat bald den ersten Zerstörer der neuen Klasse. Am 19. November lief die „Kumano“ vom Stapel. Die Einheit gehört zur 30FFM-Klasse, die vor geraumer Zeit als 30DD, 30DX und FFX dem internationalen Publikum vorgestellt worden war. Hinter dem Tarnkappen-Design der 30FFM verbirgt sich ein – nach japanischer Terminologie – klassischer Zerstörer mit Interventionsfähigkeiten gegen See- und Luftziele. Das 132,5 Meter lange Schiff mit 5.500 Tonnen Einsatzverdrängung ist auch als  Minensucher und Minenleger ausgelegt.

Stapellauf der “Kumano” bei Mitsui E&S, Tamano-Werft, Copyright Mitsui E&S

Zur Bewaffnung gehören eine 127 mm Kanone von BAE Systems, zwei 12,7 mm Geschütze (ferngesteuert), Rolling Airframe Missile (RAM) sowie acht Schiff-Schiff-Lenkflugkörper Type 17. Die bei der zu Mitsui E&S gehörenden Tamano Werft  gebaute „Kumano“ scheint für See-Luftzielflugkörper vorbereitet – die Senkrechtstartanlagen MK41 (acht Kanister) sind auf Fotos erkennbar. Aus den offiziellen Angaben geht nicht hervor, dass das Schiff mit Torpedos bewaffnet ist. Die Sensorausstattung legt dies jedoch nahe. Zu den Sensoren, die in den Mast integriert sind, gehören ein OPY-2-Radar und ein OAX-3 EO/IR-Sensor (beide Mitsubishi). Darüber hinaus sollen die Einheiten über ein Minenabwehrsonar Hitachi OQQ-11und ein Schleppsonar von NEC verfügen.

Für Minenabwehraufgaben können autonome Unter- wie Überwasserfahrzeuge eingesetzt werden. Ein Hubschrauber kann aufgenommen werden (die japanische Marine fliegt AgustaWestland AW101 und Sikorsky UH-60 Black Hawk). Letztendlich komplettiert die Minenlegefähigkeit das Einsatzspektrum der 30FFM. Die Antriebsanlage, ein kombiniertes Diesel- und Gasturbinensystem (CODAG), bestehend aus einer Rolls-Royce MT30 Gas-Turbine und zwei MAN 12V28/33D STC-Dieselmotoren, soll eine maximale Geschwindigkeit über dreißig Knoten ermöglichen.

Die modernen Einheiten stehen auch als Lösungsversuch für den Spagat zwischen Vielseitigkeit und Personalergonomie. Ein hoher Automatisierungsgrad soll eine Besatzungsstärke von nur 90 Mann ermöglichen. Erstmalig sieht die japanische Marine ein Mehrbesatzungskonzept vor – pro Einheit sollen zwei Besatzungen zur Verfügung stehen.

Den Vertrag zur Konstruktion der beiden ersten Einheiten einer Reihe, die insgesamt 22 des neuen Typs 30FFM bis 2050 vorsieht, hatte Mitsubishi Heavy Industries (MHI) im August 2018 mit Japans Beschaffungsbehörde, Acquisition Technology and Logistics Agency (ATLA), schließen können. Mitsui E&S wurde Unterauftragnehmer.

Die nach einem japanischen Fluss benannte „Kumano“ ist die Baunummer 2 eines ersten Loses von sechs. Mitsubishi Heavy Industries konnte die – noch nicht benannte – Baunummer 1 aufgrund von Problemen mit der Gasturbine nicht wie vorgesehen im November zu Wasser lassen. Der erste Stahlschnitt erfolgte im September beziehungsweise Oktober 2019. Die Kosten für die beiden ersten Einheiten belaufen sich auf 94 Billionen Yen, ca. 748 Milliarden Euro. Die „Kumano“ soll, sofern es durch die Corona-Pandemie nicht zu Verzögerungen kommt, im März 2022 in Dienst gestellt werden.

30FFM im Kern eines Neuansatzes zur Belebung der japanisch-amerikanischen Beziehung

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Der jüngste Haushaltsantrag des japanischen Verteidigungsministeriums sieht 43,6 Milliarden Euro (5,49 Billionen Yen) für das im April 2021 beginnende Geschäftsjahr vor. Der Betrag entspricht einer Erhöhung von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist – so das Verteidigungsministerium –  das achte Jahr in Folge, in dem das Verteidigungsbudget steigt. Diese Aussage deckt sich nicht mit den Statistiken des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPIRI. Seit 2016 beträgt der Anteil des japanischen Verteidigungshaltes 0,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, zwischen 2009 und 2015 1,0 Prozent.

Die Erhöhung des Verteidigungshaushalts hat ihren Grund darin, dass Japan empfindet, dass China und Nordkorea es mehr als früher bedrohen. Tokio versucht, gerade in der Allianz mit den USA dies auszugleichen. Dies reicht von der Rüstungskooperation bis in gemeinsame operative Überlegungen. Um amerikanischen Trägergruppen in der Region zu unterstützen, werden der U-Boot- und Minenabwehr große Bedeutung zugemessen.

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Design der 30FFM, Copyright Mitsubishi Heavy Industries

Mit Hilfe des Multi-Missions-Schiffes 30FFM beabsichtigt die Streitkräfteführung die Anzahl ihrer großen Überwassereinheiten von jetzt 47 bis spätestens 2030 auf 54 zu erhöhen. Nach den aktuellen verteidigungspolitischen Richtlinien soll die japanische Marine vier Einsatzgruppen unterhalten, die hauptsächlich aus einem hubschraubertragenden Zerstörer (DDH) und zwei Aegis-Zerstörern (DDG) bestehen sowie zwei Gruppen, die aus den neuartigen FFM mit verbesserten Multimissionsfähigkeiten und Minensuchschiffen bestehen.

Gleichzeitig soll die Klasse aufwuchsfähig bleiben. In späteren Losen könnten Fähigkeiten zur Ballistic Missile Defence sowie moderne Waffensysteme, z.B. Laserwaffen, implementiert werden. Die von Mitsubishi Heavy Industries vorgelegte Designstudie sieht innerhalb der FFM-Familie auch eine größere Version mit bis zu 10.000 Tonnen Verdrängung vor.

Nach derzeitiger Einschätzung entwickelt sich die 30FFM-Klasse langfristig zum Kernstück für den Bau von Begleitschiffen der japanischen Marine. Sie wäre dann nicht nur Mutterschiff für unbemannte Fahrzeuge, sondern hätte viel mehr Optionen. Gleichzeitig soll sie es ermöglichen, den nominellen Bedarf an Waffensystemen mit den Herausforderungen der Personalrekrutierung in Einklang zu bringen. Mit ihren Eigenschaften empfiehlt sich die neue Klasse für den Export. Japanischen Medien zufolge sei man bereits mit Indonesien im Gespräch.

Die Arbeitsgemeinschaft von Mitsubishi Heavy Industries und Mitsui E&S zum Bau der 30FFM kann mit ausschlaggebend bei einer Werftenkonsolidierung im japanischen Marineschiffbau sein. Das darüber gesprochen wird, wurde im November 2019 gemeldet. Unter Berufung auf Reuters hieß es im Juni 2020, Ziel sei es, bis Ende 2020 eine Einigung zu erzielen und die Übernahme im vierten Quartal 2021 abzuschließen. Im August 2020 wurde bekannt, dass Mitsui E&S seinerseits in Verhandlungen mit Tsuneishi Holdings zur Aufnahme einer Minderheitsbeteiligung sei.

Bianca Steiner / Hans Uwe Mergener