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Eine Strommangellage, eine Pandemie und den Ausfall des Mobilfunks hat das Schweizer Bundesamt für Bevölkerungsschutz als die größten Risiken für die Alpenrepublik ausgemacht. Zum dritten Mal hat das Bundesamt jetzt eine nationalen Risikoanalyse „Katastrophen und Notlagen Schweiz“ vorgestellt.

Der Risikobericht 2020 dient als Grundlage für die Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes und ist damit Bestandteil der umfassenden Sicherheitspolitik der Schweiz. Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, hat in seiner Sitzung vom 25. November 2020 den Bericht entgegengenommen. Die Maßnahmen, die sich aus der Analyse ergeben, betreffen auch die Ausgestaltung der Schweizer Streitkräfte.

Die folgenden Aufgaben sind der Schweizer Armee durch die Bundesverfassung und das Militärgesetz übertragen worden:

  • Sie soll zur Verhinderung von Kriegen und zum Erhalt des Friedens beitragen;
  • Sie die Schweiz verteidigen und ihre Bevölkerung schützen können;
  • Sie soll Beiträge zur Friedensförderung im internationalen Rahmen leisten;
  • Sie soll bei schwerwiegenden Bedrohungen der inneren Sicherheit sowie insbesondere bei Katastrophen im In- und Ausland die zivilen Behörden unterstützen, wenn deren Mittel nicht mehr ausreichen.
Foto: Bundesamt für Bevölkerungsschutz

So beschaffte die armasuisse in den Jahren 2016 und 2017 16 Unterstützungsbrücken 46m vom britischen Hersteller WFEL. Dies umfasste 16 Brückeneinheiten mit Gehstegelementen für subsidiäre Katastropheneinsätze, 24 Verlegeeinheiten und Logistikmaterial. Die Systeme dienen ausschließlich der schnellen Anbindung von Ortschaften, die zum Beispiel infolge eines Unwetters von der Umwelt abgeschnitten sind.

Unter der Leitung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz waren an der nationalen Risikoanalyse „Katastrophen und Notlagen Schweiz 2020″ (KNS) seit 2015 rund 140 Fachleute aus verschiedenen Bundesstellen, Kantonen und Gemeinden sowie aus der Wirtschaft und der Wissenschaft beteiligt. Dabei wurden insgesamt 44 bevölkerungsschutzrelevante Gefährdungen systematisch auf ihr mögliches Schadensausmaß sowie auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit untersucht, um das jeweilige Risiko abzuschätzen. Da viele Fachleute in den Analyseprozess einbezogen wurden, konnten die Ergebnisse breit abgestützt werden.

Einschätzung der wichtigsten Risiken und deren Auswirkungen

Die von der nationalen Risikoanalyse identifizierten drei größten Risiken – eine langandauernde Strommangellage im Winter, eine Influenza-Pandemie sowie ein Ausfall des Mobilfunks – bergen hohes Schadenspotenzial bei relativ hoher Eintrittswahrscheinlichkeit. Unverändert blieb gegenüber der Risikoanalyse von 2015 das Szenario der Influenza-Pandemie. Im Szenario Strommangellage konnte aufgrund der seit 2015 ergriffenen Maßnahmen die Anzahl der zu befürchtenden Personenschäden reduziert werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wurden aufgrund neuer Erkenntnisse jedoch höher eingeschätzt. Der Ausfall von Mobilfunk als drittgrößtes Risiko wurde neu in den Katalog der Gefährdungen aufgenommen.

Daneben wurde eine Reihe von weiteren möglichen Katastrophen und Notlagen untersucht, welche ebenfalls ein relativ großes Risiko darstellen. Die weiteren als groß eingeschätzten größten Risiken sind: eine Hitzewelle, ein Erdbeben, Stromausfall, Sturm, der Ausfall wichtiger Rechenzentren, der Andrang Schutzsuchender und eine Trockenheit.

Arbeitsinstrument für Politik, Bund und Kantone

Die nationale Risikoanalyse „Katastrophen und Notlagen Schweiz“ ist eine wichtige Grundlage für die systematische Planung von Maßnahmen zur Vorbereitung auf Katastrophen und Notlagen. Politische Entscheidungsträger können anhand der Risikodiagramme eine Beurteilung vornehmen, welche Risiken sie akzeptieren wollen und welche zu reduzieren sind. Bundesstellen, die Kantone und zahlreiche Gemeinden verwenden die Erkenntnisse und KNS-Produkte ebenfalls für ihre eigene Katastrophenvorbereitung. Die KNS-Produkte werden zudem auch für vorsorgliche Maßnahmen beim Schutz kritischer Infrastrukturen verwendet.

Der Risikobericht erlaubt einen transparenten Vergleich des Gefährdungspotenzials von unterschiedlichen Ereignissen aus dem Bereich Natur, Technik und Gesellschaft. Die Risikobewertung von mutwillig herbeigeführten Ereignissen wie Anschläge oder Cyberangriffe wurde in Abstimmung mit dem Nachrichtendienst des Bundes vorgenommen.

Weitere Unterlagen

Begleitend zum Risikobericht „Bericht zur nationalen Risikoanalyse – Katastrophen und Notlagen Schweiz 2020“ ist auch eine Risikobroschüre „Welche Risiken gefährden die Schweiz?“ auf der Website des Bundesamtes (www.risk-ch.ch) erschienen. Die Risikobroschüre ist dort auch in gedruckter Form erhältlich.

Situation in Deutschland

Auch Deutschland hat erkannt, dass die Risikoanalyse zentraler Bestandteil und unverzichtbares Instrument des Risikomanagements im Bevölkerungsschutz ist. Denn nur auf Grundlage belastbarer Informationen zu Gefahren, Risiken und vorhandenen Fähigkeiten kann über den Umgang mit Risiken angemessen entschieden werden. Auf Wunsch von Bund und Ländern hat die Bundesregierung 2009 die Risikoanalyse im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) gesetzlich verankert. Im Sinne des § 18 ZSKG vom 2. April 2009 führt der Bund im Zusammenwirken mit den Ländern eine bundesweite, ressortübergreifende Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz durch.

Auf Wunsch der Länder entwickelte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) eine Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz. Methode sowie organisatorischer Aufbau der Risikoanalyse wurden in den Bundestagsberichten 2010 und 2011 publiziert. Die Methode wurde auf Grundlage internationaler wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt und ist am internationalen Standard des Risikomanagements ISO 31000 und 31010 orientiert. Ergebnisse des fachlichen Austausches mit den Ländern, zahlreichen Bundesbehörden und Wissenschaftseinrichtungen sind ebenfalls in die Entwicklung der Methode eingeflossen. Die Methode wird im Arbeitsprozess kontinuierlich überprüft und fortentwickelt.

Mit der Methode können auf allen administrativen Ebenen Risikoanalysen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich durchgeführt werden, deren Ergebnisse den Verantwortlichen als Entscheidungsgrundlage im Risiko- und Krisenmanagement dienen. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen Bund und Ländern über die Netzwerke des Bundesamtes unterstützt dabei das Zusammenwirken und die gemeinsame Nutzung von Erkenntnissen.

Gemäß § 18 Absatz 1 Satz 2 ZSKG berichtet das Bundesministerium des Innern ab 2010 jährlich dem Deutschen Bundestag über die Ergebnisse der Risikoanalysen. Die vollständige Risikoanalyse wird dabei in der Regel als Anhang dem jeweiligen Bericht beigefügt. Die Berichte werden als Bundestagsdrucksache publiziert.

Seit 2012 wurden folgende Gefahren einer Risikoanalyse unterzogen und die Ergebnisse in den entsprechenden Bundestagsberichten veröffentlicht:

  • 2012: „Extremes Schmelzhochwasser aus den Mittelgebirgen“ und „Pandemie durch Virus Modi-SARS“
  • 2013: „Wintersturm“
  • 2014: „Sturmflut“
  • 2015: „Freisetzung radioaktiver Stoffe aus einem Kernkraftwerk“
  • 2016: „Freisetzung chemischer Stoffe“
  • 2017: „Betrachtung bisheriger Risikoanalysen“
  • 2018: „Dürre“
  • 2019: „Erdbeben“ – Vorabfassung

Interessant ist, dass das Thema Strommangellage noch nicht untersucht wurde. So schätzte die zweitgrößte Stadt in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf, schon vor zehn Jahren die Zerstörung von Umspannwerken als eines der größten Terrorpotentiale ein. Damit würden ganze Städte und Regionen für Wochen lahmgelegt.

Auf der Seite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sind als Download auch die Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen abrufbar. Darin wird zum Beispiel erklärt, mit was sich als Vorsorge und Notreserve jeder Haushalt eindecken sollte. So sollte laut Bundesamt ein Vorrat an Essen und Trinken für mindestens 14 Tage vorhanden sein. Das bedeutet zum Beispiel pro Person mindestens 14 Liter Flüssigkeit pro Woche. Selbst mit einer Vorwarnzeit können viele Haushalte heute ad-hoc nicht ausreichend Wasser vorhalten. Moderne Wohnung verfügen immer seltener über Badewannen, in denen noch schnell ausreichend Wasser gespeichert werden kann.

Die Ratschläge helfen nicht nur den sogenannten „Preppern“, sondern sind für die Bedürfnisse von Jedermann ausgerichtet.

André Forkert