Print Friendly, PDF & Email

Der 14. Juli 2015 ging als ein historisches Datum in die Geschichte Wiens ein. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Vereinigte Staaten, Großbritannien, Frankreich, Russland und China) unterzeichneten in der österreichischen Hauptstadt zusammen mit Vertretern Deutschlands und der Europäischen Union (EU) den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), das sogenannte Atomabkommen mit dem Iran. Die Sanktionen gegenüber Iran wurden aufgehoben. Das Land verpflichtete sich im Gegenzug, das nationale Atomprogramm nur noch für zivile Zwecke zu nutzen. Nach der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA kündigte dieser an, das Abkommen wieder zu verlassen und den Iran mit amerikanischen Sanktionen zu belegen. Knapp drei Jahre nach der Unterzeichnung traten die USA dann am 8. Mai 2018 aus dem Abkommen aus. Die Zustimmung Irans zum JCPOA lässt sich mit John J. Mearsheimers Offensivem Neorealismus erklären: Dank des Vertrags konnte die Führung in Teheran ihre Rolle als Regionalmacht ausbauen. Das Wegfallen der Sanktionen erhöhte den Wohlstand, woraus sich in der Annahme von Neorealisten militärische Macht generiert. Auf die Absicherung der ersten drei Schritte durch eine Atomwaffe konnte der Iran deshalb gut verzichten, da der Status als nukleare Schwellenmacht erhalten blieb, der Vertrag sowieso auf 15 Jahre begrenzt ist und zudem ein nukleares Wettrüsten in der Region vermieden werden konnte.

Iran destabilisiert die Region

Was der Vertrag nicht erfüllen konnte, ist eine Unterbindung der destabilisierenden Rolle des Iran. Das Land führt einen Stellvertreterkrieg in Jemen und unterstützt Milizen im benachbarten Irak und in Syrien sowie die Hisbollah im Libanon, worin besonders Israel eine hohe Gefahr für die eigene Sicherheit sieht. Zwischen 2018 und 2019 baute der Iran zudem seine maritimen Fähigkeiten zur Kontrolle des Golfs aus, eine Einschränkung des weltweiten Freedom of Movements, was die Vereinigten Staaten nicht dulden konnten. Im Jahr 2019 wurde sogar ein militärischer Konflikt zwischen Iran und den Vereinigten Staaten für möglich gehalten: Es herrschte kurzzeitig die Auffassung, dass sich die Kontrahenten USA und Iran in einer ähnlichen Situation wie die europäischen Mächte 1914 befänden, wonach ein Kriegsausbruch auch ungewollt durch Missverständnisse zustande kommen könnte. Die Geschehnisse entwickelten sich soweit, dass eine saudische Raffinerie durch iranische Luftangriffe zerstört wurde. Ein US-Kommando tötete zudem im Dezember 2019 General Qasem Soleimani, den Kommandeur der Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden, ein Schritt, den die Führung in Teheran auch als kriegerischen Akt der Vereinigten Staaten verstanden haben könnte. Mit Beginn der globalen COVID-19-Pandemie schien sich die Lage zu entschärfen.

Print Friendly, PDF & Email