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Am Sonntag, den 27. September, stimmten die Schweizer Bürger in einem Referendum für die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs. Es war die zweite Abstimmung über dieses Projekt. 2014 hatten die Schweizer die Beschaffung der Gripen E abgelehnt. Nun wurde die Absicht des Verteidigungsdepartments (VBS) gebilligt, wenn auch nur denkbar knapp.

Umfragen sagten eine klare Merhheit für das Vorhaben voraus, aber am Ende unterstützten es nur 50,2% der Abstimmenden. 49,8% votierten mit Nein. Die Beteiligung bei diesem Referendum lag bei 59,4%. Zur Abstimmung stand der Regierungsvorschlag „Air 2030“, der 32 bis 40 neue Kampfflugzeuge vorsieht. Dafür sollen bis zu sechs Milliarden Schweizer Franken ausgegeben werden. Schweizer Leitartikler bewerteten das Ergebnis als unerwartete und ernste ‚Klatsche‘ gegen die Armee im Allgemeinen und gegen Ministerin Viola Amherd im Besonderen.

Ein F-35A der US Air Force bei der Erprobung in Payerne, Foto: armasuisse

Noch eine Stunde vor Schließung der Abstimmungslokale zeigten die eingehenden Ergebnisse bzw. Hochrechnungen ein leichtes 50% plus gegen den Plan. Während die romanischen West- und Südkantone und die meisten größeren – überwiegend links regierten – Gemeinden und Städte mit Mehrheit die Pläne des Verteidigungsdepartments und der Schweizer Beschaffungsbehörde ‚armasuisse‘ ablehnten, ‚rettete‘ die Mehrheit der Landbevölkerung, des deutschsprachigen Zentrums und der östlichen Schweiz die Sache – mit nur 9.743 Stimmen Vorsprung.

Zwei verschiedene Entwürfe zur Schweizer Luftverteidigung: links der Vorschlag des Verteidigungsministeriums und rechts der Vorschlag der Schweizer Sozialdemokraten, Foto SRF

Erschrockene Ministerin

Verteidigungsministerin Viola Amherd hatte monatelang den Ersatz der 54 F-5E/F ‚Tiger‘ und F/A-18C/D ‚Hornet‘ bis 2030 durch eine Ein-Flotten-Lösung als kritisch und ohne Plan-B-Alternativen beschrieben, ja das Ergebnis zu einem Votum für oder gegen eine moderne Armee gemacht. Am Sonntag war sie ob des ‚Thrillers‘ sichtlich bewegt und nachdenklich über das offensichtlich unerwartete knappe Ergebnis. Trotzdem äußerte sie in einer Pressekonferenz am Sonntagabend „Freude über die Ergebnisse. Diese neuen Flugzeuge sind wichtig, um die Sicherheit und Neutralität der Schweiz langfristig zu gewährleisten. Dank des ‚Ja‘ kann die gesamte Schweizer Armee ihre Aufgaben erfüllen. Die Evaluationen werden nun fortgesetzt.“

Die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd mit einem M346-Modell, Foto: SRF

Nächste Schritte

Der militärische Projektleiter für das Neue Kampfflugzeug, Peter Merz – er soll am 30. Juni 2021 der Kommandant der Schweizer Luftwaffe werden, – und ‚armasuisse können jetzt die sog. ‚Best and Final‘-Offerte einholen. Tests der in der Schweiz in Frage kommenden Flugzeuge wurden bereits im Frühjahr und Sommer 2019 durchgeführt. Danach wurde der ‚Gripen-E‘ ausgeschieden, da Saab kein – wie es hieß – ‚operativ erwachsenes‘ bzw. eingeführtes Modell nach Payerne bringen konnte. Damals wussten die Interessierten, dass die ersten drei E-Modelle gerade vor der Produktion für Schweden und Brasilien im Test- und Nachweisflugbetrieb waren. Saab weist darauf hin, dass auch die anderen Kandidaten zum Teil Flugzeugen in Payerene waren, die noch nicht für den Truppendienst ausgerüstet waren. Jedenfalls wird eine Entscheidung zwischen den verbleibenden Modellen Dassault ‚Rafale‘ F4, Airbus/Eurofighter ‚Typhoon‘ T4, Boeings F-18E/F ‚Advanced‘ und Lockheed-Martins F-35A voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2021 fallen und dann dem Parlament vorgelegt werden.

Ein Royal Air Force Typhoon T3 Zweisitzer in Payerne, Foto: armasuisse

Dort könnte es – Angesichts des sehr knappen Ergebnisses vom 27. Sept. – aber ähnlich eng werden. Die pazifistische Gruppe „Schweiz ohne Armee“ (GsoA) will die Beschaffung mit einer sog. ‚Volksinitiative‘ stoppen. Auch die Schweizer Sozialisten (SP) – in Bern nicht in Opposition, sondern Teil einer ‚traditionellen‘ Allparteien-Regierung – werden wohl weiter auf ihren günstigeren Gegenvorschlag drängen, für den regulären Luftpolizeidienst Leonardo‘s leichtere Kampftrainer M346FA zu beschaffen und dadurch die F/A-18C/Ds zu ‚schonen‘, damit sie bis über 2030 hinaus im Einsatz bleieben können. Auch sollen Schweizer Firmen an den beiden europäischen Flugzeugprogrammen der sechsten Generation mitwirken. Stattdessen fordern die Sozialisten, eine Milliarde Franken mehr in neue bodengestützte Luftwabwehrsysteme zu investieren. Für solche sind derzeit zwei Milliarden Franken vorgesehen. Systeme von Eurosam SAMP/T oder ‚Patriots‘ von Raytheon sind da im Rennen. Diese Projekte gehörten nichf zu den Fragen, über die am Sonntag abgestimmt wurde.

Georg Mader