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Das britische Verteidigungsministerium will die Fähigkeit der Pioniertruppe, sicher und unbemerkt über Wasser in feindliches Gebiet vorzudringen, verbessern. Dazu soll jetzt ein halbautonomes Aufklärungs- und Vermessungssystem entwickelt werden. Um diesen Auftrag vergeben zu können, hat der britische Defence and Security Accelerator (DASA), den Wettbewerb „Map the Gap“ durchgeführt.

„Accelerator“ ist ein fester Begriff aus der Start-up-Szene. Ein Accelerator ist ein Ansprechpartner für Gründer, der diese in ihren ersten Schritten unterstützt. DASA findet und finanziert also verwertbare Innovationen, um – ähnlich dem deutschen Cyber Innovation Hub der Bundeswehr – den Bereich der britischen Verteidigung und Sicherheit schnell und effektiv mit Ideen von Start-ups zu unterstützen. Die Vision ist, dass Großbritannien seinen strategischen Vorteil gegenüber Gegnern durch Nutzung von neuen, bisher nicht beachteten und innovativen Lösungen aufrechterhält. Die DASA ist eine ressortübergreifende Organisation, die im Dezember 2016 vom britischen Verteidigungsminister ins Leben gerufen wurde.

Der Wettbewerb „Map the Gap“ wurde im Februar 2020 begonnen, mit dem Ziel, die Pioniertruppe besser zu befähigen, schnell, einfach und zuverlässig völlig autonom einen Gewässerübergang zu erkunden. Der Auftrag dazu kommt vom Defence Science and Technology Laboratory, einer Behörde, die für das übergeordnete Verteidigungsministerium die Entwicklungen in der Wissenschaft verfolgt. An Phase 1 von „Map the Gap“ haben sich fünf kleine und mittlere Unternehmen beteiligt. Diese Phase 1 wurde mit 1,2 Millionen Pfund finanziert. Ziel war es, dass die Unternehmen ihre Lösungen schneller abschließen und Tests mit der britischen Armee durchführen könnten.

Die Firma Digital Concepts Engineering Ltd (DCE) hat nun den Wettbewerb gewonnen und damit den Zuschlag für die Entwicklung erhalten.  Die Verträge der Phase 1 haben eine Laufzeit von höchstens zehn Monaten und enden mit einer Demonstration der Systeme in einer repräsentativen Umgebung auf dem Stand der Technologie. Danach wird sich Phase 2 anschließen, für die ein Budget von 2,5 Millionen Pfund vorgesehen ist.

Robert Hammond-Smith, DASA Delivery Manager für „Map the Gap“, sagte: „Unsere Vision ist es, das Personal mit einem ferngesteuerten System von diesen gefährlichen Erkundungsaufgaben zu entlasten, mit dem mehr Übergänge überwacht und identifiziert werden können, wodurch den Kommandeuren mehr Wahlmöglichkeiten geboten und der Feind überrascht werden kann.“

 

Das System

DCE wird seinen Teil des „Map the Gap“-Industrieteams mit einem Fahrzeug anführen, das auf ihren robusten ferngesteuerten Fahrzeugen (Remotely Operated Vehicles, ROVs) der X-Serie basiert und das die DCE-Roboterfahrzeugarchitektur Marionette, das Herzstück der „Map the Gap“-Lösung, umfasst. Weitere Organisationen und Technologien, die den DCE-Entwurf unterstützen, sind Jacobs‘ 6th Sense-Datenanalyse, Frazer-Nash Consultancy (Drohnen- und autonome Routenplanung) sowie Eijkelkamp Geopoint SoilSolutions (Bodenprobenahmeexpertise). Die Kartierung der Spalr-/Hindernis-Bodenuntersuchungen wird mit einem Tauchroboter durchgeführt, der mit Datensensoren, Bodenprobenentnahmegeräten und Sonarausrüstung ausgestattet ist, während die Umgebung von Drohnen aus der Luft gescannt wird.

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Foto: DCE

Lionel Nierop, DCEs Business Development and Operations Director, kommentierte: „Wir freuen uns, dass wir den Zuschlag für den prestigeträchtigen und technisch anspruchsvollen ‚Map the Gap‘-Wettbewerb der DASA erhalten haben. Das erfolgreiche Angebot von DCE mit unserem ROV X-4 und unserem universellen Steuerungssystem Marionette baut auf unserer früheren Arbeit in den Bereichen Verteidigung und nukleare Anwendungen auf.“ Die Unmanned Ground Vehicles (UGV) der X-Serie von DCE sind als kostengünstige, robuste und vielseitige Plattformen für den Einsatz im Verteidigungsbereich, in der Nuklearindustrie und in der Landwirtschaft konzipiert. Die auf einem gemeinsamen Fahrgestell und einem Steuerungssystem mit geringer Latenzzeit aufgebauten Fahrzeuge können tiefen Schlamm, steile Hänge und Geröll bewältigen. Die oberen Decks jedes Fahrzeugs sind konfigurierbar, um sicherzustellen, dass sie für jeden Einsatzzweck geeignet sind. Sie können als ferngesteuerte Plattformen oder mit einer ROS-Schnittstelle (Robotic Operating System) geliefert werden, um eine autonome Steuerung zu ermöglichen.

Das ROV X-4 ist eine Weiterentwicklung des X-3 und befindet sich noch in der Design-Phase. Das X-3 wird ab Anfang September durch das britische Heer für Manned-Unmanned Teaming (MUM-T) Tests eingesetzt. Die Spezifikationen werden aber ähnlich sein. Die Größe beträgt 1.310 x 860 x 470 mm (L x B x H) bei einem Gewicht – in Abhängigkeit von Nutzlastoptionen – von rund 300 kg. Das ROV hat einen Wendekreis von 1.535 mm und einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h. Die Einsatzdauer mit dem Standard-Batteriepack (30-160Ah LiFePO4) beträgt zwischen vier und acht Stunden. Die Funkreichweite (COFDM radio) ist fünf Kilometer. Das Fahrzeug kann bei Temperaturen zwischen -20ºC und +85ºC eingesetzt werden, es kann Gräben von >0,2 m überschreiten und besitzt eine (Stufen-)Steigfähigkeit von 45 Grad.

Das Herzstück ist Marionette, ein Robotersteuerungssystem, das die ferngesteuerte oder autonome Steuerung einer Vielzahl von Fahrzeugen und Geräten ermöglicht. Es wurde erfolgreich auf Fahrzeugen mit einem Gewicht von 250 kg bis 30.000 kg eingesetzt, darunter die Wheelbarrow MK7, das 8×8 ATV Hippo-X-Fahrzeug und das FV510 Warrior AFV der britischen Armee. Marionette kann auch als komplette elektronische Architekturlösung eingesetzt werden und wurde in großem Umfang dazu verwendet, Systeme in Altfahrzeugen zu ersetzen und diese wieder in Betrieb zu nehmen. DCE stellte einen Teil seiner Lösungen zusammen mit seinem Partner HIPPO Multipower am Tag der Infanterie 2019 in Hammelburg vor.

André Forkert