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Im Rahmen des Projektes Land 400 Phase 3, auch bekannt als die Mounted Close Combat Capability, will Australien bis zu 450 Schützenpanzer (Infantry Fighting Vehicle, IFV) und 17 Unterstützungsfahrzeuge erwerben. Diese sollen die kürzlich kostspielig aufgerüsteten, aber inzwischen veralteten M113AS4 Armoured Personnel Carriers (APC) ersetzen. Bei seinen Projekten setzt Australien auf extreme Risikominimierung. Nach den ersten Runden sind jetzt noch zwei Kandidaten um den Multimilliarden-Auftrag im Rennen. Es wird wohl das teuerste Beschaffungsprogramm in der Geschichte der australischen Armee werden.

Im September 2019 entschied die australische Armee, die weiterführenden Tests nur noch mit den beiden Kandidaten Lynx KF41 von Rheinmetall Defence sowie dem Redback von Hanwha Defense durchzuführen. Beides sind Kettenfahrzeuge und vollwertige Schützenpanzer. Im Rahmen der kommenden Testreihen werden auch mehrere Fahrzeuge angesprengt und angeschossen, um deren Überlebensfähigkeit zu beurteilen.

Damit sind die Kandidaten Ajax von General Dynamics Land Systems sowie CV90 von BAE Systems nicht mehr im Rennen. Rheinmetall und das südkoreanische Hanwha bieten über australische Tochtergesellschaften an. Aus nicht bestätigten Quellen ist zu hören, dass die Schützenpanzer-Variante des Ajax nicht ausreichende Fähigkeiten mitbrachte – hier wohl vor allem in Bezug auf die Absitzstärke – und der CV90 wohl aufgrund des Preises gescheitert ist.

 

Australien rüstet massiv auf

Die anvisierten 450 Schützenpanzer sind nur ein Teil der großangelegten Modernisierung der australischen Streitkräfte. Schon zuvor wurden über 211 Boxer im Rahmen des Projektes Land 400 Phase 2 geordert. Australien plant eine Nutzung für die kommenden 30 Jahre.

Aus Kostengründen wurde überlegt, Phase 2 und 3 zusammenzulegen. Am Ende wurde aber entschieden, dass der Schützenpanzer eigenständig beurteilt werden soll. Als Forderungen wurde festgeschrieben: Hinterer Kampfraum für sechs abzusetzende Soldaten, die Fähigkeit, von den zwei Amphibienschiffen der Canberra-Klasse der Royal Australian Navy (RAN) aus eingesetzt werden zu können sowie die Möglichkeit des strategischen Lufttransports mit C-17A Globemaster III der Royal Australian Air Force (RAAF).

Die Hersteller müssen nun innerhalb eines Jahres drei Testfahrzeuge produzieren, wovon eines angesprengt werden soll. Für die Phase 3 sind 281 Plattformen mit Turm und 119 Varianten ohne Turm gefordert. Der Turm wird über eine 30 mm Bewaffnung verfügen.

Ein wichtiger Aspekt bei den Bewerbungen in Australien ist das Thema Offset. So versprechen beide Anbieter, dass die Testfahrzeuge mit australisch hergestelltem Bisalloy-Panzerstahl ausgestattet sein werden, wobei beim Redback dies für die gesamte Wanne und den Turm zutreffen soll. Beim Lynx wird dieser Stahl nur in begrenztem Umfang eingesetzt, da Bisalloy erst im Juni die Qualifikation der deutschen Regierung für den Einsatz seines Stahls in deutschen Militärfahrzeugen erhalten hat.

Die drei Redbacks von Hanwha werden in Changwon, Südkorea, gebaut, während die Lynx-Fahrzeuge in Deutschland im Bau sind. Später soll ein Großteil der Montagen in Australien stattfinden. Die Auslieferung soll zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 erfolgen. Im November 2020 sollen dann die ersten Testreihen stattfinden, mit einem Abschlussbericht und der Kaufentscheidung in 2022. Die australische Armee will 2024/25 eine Anfangsbefähigung (Initial Operating Capability – IOC) und die volle Befähigung (FOC) bis 2030/31 erreichen.

 

Testen bis zum Umfallen

Die Auswahl in Phase 2 basierte auf existierenden und verfügbaren Fahrzeugen, die in einigen Ländern auch schon genutzt werden. Dennoch ist das gesuchte Fahrzeug am Ende doch nach australischen Vorgaben modifiziert und für den Kunden angepasst. Daher geht es jetzt darum, in kurzer Zeit aus den Demonstratoren voll funktionsfähige und robuste Fahrzeuge als Prototypen zu entwickeln. Das australische Verteidigungsministerium hebt hervor, dass: „alle Testfahrzeuge in einer Konfiguration geliefert werden, die für die ausgeschriebene Konfiguration repräsentativ ist, mit allen Ausnahmen, die in den RMA-Verträgen dokumentiert sind“.

Der Erprobung ist breit angelegt und umfasst Waffensysteme, den Schutz gegen Minen und ballistische Bedrohungen, die Leistungs- und Mobilitätsmerkmale der Fahrzeuge, die Integration der elektronischen Systeme, die Reife der Integration von Subsystemen sowie der taktische Einsatz der Fahrzeuge in der Rolle eines Schützenpanzers. Für die Erprobung Schutz werden zum Beispiel Sprengtests früh in der Erprobungsphase durchgeführt. Eine 10 kg Minenexplosion wird unter einer Kette und eine weitere unter der Mittellinie der Wanne stattfinden.

Für die Einsatztests steht dauerhaft ein 26-köpfiger Erprobungszug bereit. Die Crews werden aber nicht zwischen den Fahrzeugen wechseln, sondern immer nur auf einem der beiden Kandidaten ausgebildet. Während der Erprobung werden die Fahrzeuge von den Plattformherstellern unterstützt und gewartet, obwohl die grundlegende Wartung und Überprüfung von den Besatzungen des Versuchszuges unter Anleitung durchgeführt werden.

Die Kombination von Schutz, Feuerkraft, Sensoren und Zugang zum digitalen Netzwerk würde den Schützenpanzer zu einer wesentlich höheren Leistungsfähigkeit befähigen als die Vorgänger. Daher wird laut Verteidigungsministerium auch an der Doktrin und Einsatzkonzepten (CONOPS) gearbeitet, um diese neue gepanzerte Flotte optimal nutzen zu können.

Die Schützenpanzer sollen unter anderem auch im gemischten Verband mit den australischen Kampfpanzern vom Typ Abrams M1A1-MBT operieren können. Dabei kann die Führung auch durch den Kampfpanzer erfolgen. Dies alles im Zusammenwirken mit dem Steilfeuer der Artillerie, um Feindkräfte zu unterdrücken, und dann von günstiger Überwachungsposition aus direkt angreifen zu können. Wichtig dabei ist auch der Einsatz der (stabilisierten) Waffen in der Bewegung. Die Armeeführung fordert eine „Armee in Bewegung“ sowie eine „beschleunigte Kriegsführung“, die auf alle operativen Gegebenheiten hin anpassungsfähig reagieren kann. Damit einher geht eine neue Streitkräftestruktur, die sich daran ausrichtet, dass die Streitkräfte flexibel, verlegefähig und wirksam in Friedenserhaltungs- oder Stabilisierungsoperationen geringer Intensität oder hochintensiven Gefechten eingesetzt werden können. Dies soll durch drei ähnliche kombinierte Mehrrollen-Kampfbrigaden mit kombinierten Waffensystemen umgesetzt werden. Vorgesehen ist, dass die neue Struktur sich aus zwei Standard-Infanteriebataillonen, einem gepanzerten Kavallerieregiment mit Schützen- und Kampfpanzern sowie unterstützenden Elementen, u.a. der Artillerie, Fernmeldewesen und Pionieren, zusammensetzt.

Im Rahmen des Plans wurde die derzeitige Struktur der Kampfbrigade geändert in ein mechanisiertes Infanteriebataillon mit M113AS4 APCs, ein motorisiertes Infanteriebataillon mit geschützten Thales Australia Bushmaster-Fahrzeugen, ein Kampfpanzerregiment mit einem Bataillon mit M1A1 Abrams-Panzern und zwei GDLS Australian Light Armoured Vehicle (ASLAV) Bataillonen, ein Artillerieregiment mit 155 mm M777 Haubitzen und ein Pionierregiment sowie Kommunikations-, Logistik- und anderen Unterstützungseinheiten.

Die Armee wird ihre M113AS4 APCs so lange weiter nutzen, bis die Fähigkeit durch den neuen Schützenpanzer zur Verfügung steht. Die M113AS4 werden mit der Einführung des IFV Land 400 schrittweise ausgephast.

 

Kandidat Lynx

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Der von Rheinmetall Defence entwickelte Lynx KF41 (KF steht für Kettenfahrzeug, 41 für die Gewichtsklasse) benötigt eine dreiköpfige Besatzung und kann bis zu acht Infanteristen/Grenadiere aufnehmen. Es gibt weitere Varianten als Bergungs-, Reparatur-, Pionier- und Sanitätsfahrzeug.

Der 7,73 m lange Rumpf des Lynx ist eine vollständig geschweißte Struktur mit innenliegenden Spall Linern. Entkoppelte Sitze und ein doppelter Boden verbessern die Überlebensfähigkeit gegen Minen und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die ballistische Panzerung des Fahrzeugs schirmt den Lynx nach Angaben von Rheinmetall auch gegen Panzerabwehrwaffen, Mittelkalibermunition (allgemein bis 40 mm), Artilleriesplitter und Bomblets von oben ab.

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Foto: Rheinmetall

Der Lynx wird zudem ausgestattet mit dem aktiven Schutzsystem Iron Fist (APS) von Elbit Systems, dem Rheinmetall Rapid Obscurant System – Land (ROSY), Laser- und Akustiksensoren sowie dem digitalen Lance-Turm. Der Lance-Turm umfasst die Mauser MK30-2 30-mm-Kanone und ein koaxial montiertes 7,62-mm-Maschinengewehr, und damit die gleiche Bewaffnung wie eine schon bestellte Boxer-Variante. Das Maschinengewehr wird extern angetrieben und hat drei Läufe. Erreicht ein Rohr eine kritische Temperatur, wird das Rohrbündel elektrisch in ein alternatives Rohr gedreht: ein Vorgang, der laut Rheinmetall unter Panzerung in weniger als drei Sekunden abgeschlossen werden kann.

Zudem weist der Turm bereits integrierte Behälter auf, von denen zum Beispiel der Panzerabwehr-Lenkflugkörper (ATGMs) vom Typ Spike LR2 oder andere Subsysteme verschossen werden können. Der Lynx umfasst ein digitales Sichtsystem, einen integrierten Laserentfernungsmesser sowie ein computergesteuertes Feuerleitsystem.

Angetrieben wird der Lynx durch einen Liebherr Dieselaggregat (800 kW/1.050 PS) mit einem Automatikgetriebe der Baureihe Renk HSWL 256. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 70 km/h und die Reichweite bei etwa 500 km.

Australien wäre der Erstkunde für den Lynx.

 

Kandidat Redback

Der AS21 Redback stammt aus Südkorea und ist eine Anpassentwicklung für Australien. Dabei wurden Erfahrungen aus der Nutzung des K21 IFV von Hanwha neu umgesetzt, der seit 2009 bei der Armee der Republik Korea im Einsatz ist.

Das Fahrzeug wiegt 42 Tonnen und kann auf den einteiligen Gummiketten Geschwindigkeiten von bis zu 65 km/h erreichen, bei einer maximalen Reichweite von 520 km. Auch hier besteht die Besatzung aus drei Soldaten und der hintere Kampfraum kann bis zu acht Soldaten aufnehmen.

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Foto: Hanwha

Das Fahrwerk besteht aus sieben Laufrädern mit Einzelradaufhängung, die eine individuelle Anpassung an jede Art von Untergrund ermöglicht.

Angetrieben wird der Redback von einem 1.000 PS starken MTU-Achtzylinder-Dieselmotor, der ähnlich wie der Boxer CRV ausgestattet ist, und verwendet außerdem dasselbe Allison-Automatikgetriebe wie die M1A1 Abrams-Kampfpanzer der australischen Armee.

Der neue modulare Zwei-Mann-Mittelkaliberturm T2000 wurde von der australischen Firma EOS Defence Systems in Zusammenarbeit mit der Elbit Systems entwickelt. Der T2000 basiert auf dem serienmäßigen MT30-Turm von Elbit und wurde speziell auf die Anforderungen von Land 400 zugeschnitten, insbesondere in den Bereichen Systemintegration, Situationsbewusstsein und Ausbildung an Bord. Der Turm kombiniert die Struktur und die elektrische Antriebshardware des MT30, die von EOS mit dem Feuerleitsystem, der Elektrooptik und der gemeinsamen Benutzerschnittstelle seines kampferprobten Fernlenkwaffensystems R400S Mk 2 (RWS) integriert wurden.

Als Kanone wird die Northrop Grumman Bushmaster 30mm Mk44S genutzt. Dies ist eine vergrößerte Version der 25 mm M242, die in den australischen ASLAVs genutzt wird. Auch hier gibt es ein koaxiales 7,62 mm Maschinengewehr MAG58. Ebenfalls integriert sind zwei Spike LR2 und das Iron Fist APS. Hinzu kommt eine EOS R400S Mk2 RWS, die auf dem Dach montiert ist.

Der Turm- und Wannenschutz soll NATO STANAG Stufe 6 sein, der Unterbodenschutz NATO STANAG 4 und 4B. Das Fahrzeug wurde auf der IDEX 2019 erstmals gezeigt.

 

Situation Bundeswehr

Die Bundeswehr hat ihren neuen Schützenpanzer schon seit geraumer Zeit, den Puma. Dieser soll derzeit mit großem Aufwand und hohen finanziellen Mitteln bei der Industrie endlich die Einsatzreife erlangen. Kommendes Jahr wird die Nagelprobe sein, dann muss er die Einsatzreife nachweisen, damit noch ausreichend Zeit für die Ausbildung bis zur Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2023 bleibt.

Sowohl das Kommando Heer als auch die Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“, die die Hauptkräfte für VJTF 2023 stellt, sind mit der Situation mehr als unzufrieden. Bei Ausbildung und Übung zeigte der Puma zuletzt laut Panzergrenadierbrigade 37 immer wieder die fehlende Einsatzreife. Auch deshalb muss parallel der Betrieb und die Planung mit dem SPz Marder aufrechterhalten werden. Dies kostet zusätzliche Ressourcen bei Zeit, Personal und Finanzmitteln.

Schon jetzt wird im Kommando Heer über Alternativlösungen nachgedacht. Sollte im kommenden Jahr die Einsatzreife nicht nachgewiesen werden, kommt selbst ein Austausch der Puma-Flotte in Betracht. In Briefings des Kommando Heer wurde der CV90 als Alternative und Favorit bisher genannt. Aber auch der Lynx wäre sicherlich ein Kandidat, hat er doch die DNA des Pumas in sich und gleichzeitig die Lehren aus den Problemen des Pumas bei der Bundeswehr gezogen.

André Forkert