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Vor dem Hintergrund der Schrecken und Wirren zweier Weltkriege formulierten die Väter des deutschen Grundgesetzes, dass deutsche Politik dem Frieden in der Welt dienen muss. Dolf Sternberger führt in diesem Sinne 1961 aus: „Der Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede … der Friede ist die politische Kategorie schlechthin.“

Aus Sicht der deutschen, europäischen und internationalen Politik stellt diese Aussage einen wichtigen Richtwert dar, dessen Beständigkeit sich vor allem mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes bewiesen hat. So fühlen sich seit dem Ende der ideologisch bestimmten, bipolaren Weltordnung wichtige Akteure der multilateralen Politik wie die UNO oder OSZE in der Aufrechterhaltung des Friedens in der Welt bestärkt. Eine konkrete Materialisierung dieses Strebens ist das Konzept der Global Governance, welches sich an Völkerrecht und einem Weltgemeinwohl orientiert und heute maßgeblichen Einfluss auf die internationalen Beziehungen ausübt.

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Der erste Ministerpräsident Israels David Ben-Gurion profitierte ne- ben seiner Intellektualität von sei- nem auf Ausgleich ausgerichteten diplomatischen Geschick (Fotos: PMO Israel)

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 stehen die internationalen Beziehungen zwei Entwicklungen gegenüber, welche globale Friedensbemühungen maßgeblich erschweren. Auf der einen Seite lassen sich, angestoßen durch die Irrationalität des Terrorismus und seiner globalen Auswüchse, eine zunehmende Bedeutung staatlicher Einzelinteressen erkennen. Auf der anderen Seite wächst durch weltweite Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Digitalisierung die Komplexität internationaler Beziehungen. Angesichts dieser neuen, kontextuellen Bedingungen erscheint es fast so, als würde der Blick für eine gemeinsam verantwortete Politik in der Welt (Eine-Welt-Gedanke) verloren gehen. Politik offenbart sich zunehmend als ein Geschäft, wie es Max Weber 1919 definierte: „Politik ist das Streben nach Machtanteil oder nach Machtverteilung.“ Nicht Frieden oder gar der Weltfrieden im Sinne Dolfbergers stehen mehr im Mittelpunkt, sondern nationale oder nationalistische Einzelinteressen. Dass dieser Wandel sich mitunter in einer zunehmend populistischen bzw. autoritätsgeprägten Politik vieler Staaten widerspiegelt, konnten wir in der Vergangenheit bereits am Beispiel der Türkei und Russlands skizzieren.

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