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Mit der Erfindung der Trägheitsnavigation wurden Navigationssysteme verfügbar, die unabhängig von optischen und nachrichtentechnischen Verbindungen und  heute würden wir sagen: ohne GPS-Daten/Signale – Positionsdaten anboten.

Der US-Konzern Litton Industries hat diese Technologie zur Einsatz- und Serienreife entwickelt und war lange Zeit führender Hersteller solcher Systeme. Anfang der 1960er Jahre war LITEF in Freiburg die erste Firma in Europa, die diese Navigations­systeme in Serie fertigte. Konzeption und Leistung der damals für den F-104G Star­fighter hergestellten LN-3 Systeme waren so erfolgreich, dass Nachfolgesysteme für die F-4 Phantom II-Flugzeuge der deutschen Luftwaffe und später auch für das Mehrzweckkampflugzeug PA-200 Tornado entwickelt und produziert wurden.

Basierend auf diesen Erfahrungen hat LITEF weitere Generationen von Krei­seln und Beschleunigungsmessern – den entscheidenden Komponenten der Trägheitsnaviga­tion – konzipiert. In Kombination mit den ebenfalls von LITEF entwickelten Digitalrech­nern entstan­den daraus Navigations­systeme, die sowohl für gepanzerte Landfahr­zeuge, Missile- und Stabilisie­rungsanwendungen als auch für Ma­rinean­wendungen eingesetzt wurden und wer­den. Meilensteine in der Fir­menge­schichte sind auch die Entwick­lung und Produktion von Rechnern und Inertia­len Messeinheiten (IMUs) für die militä­ri­sche Luftfahrt, so z. B. für Platt­formen wie PA-200 Tornado und Eurofighter Ty­phoon.

Bereits in den 1970er Jahren beschäftigte sich Großbritannien mit einem Nachfolge­muster für die F-4 Phantom und, spätestens nach dem Erstflug der sowjetischen MiG-29 Fulcrum in den späten 70er Jahren, wurde das Projekt „European Combat Aircraft“ (auch Jäger 90, heute Eurofighter Typhoon oder EF2000 genannt) aktiviert und beschleunigt.

Inertiale Messeinheit des Eurofighters (Foto: LITEF)

Bedingt durch die bewusst herbeigeführte Instabilität des EF2000 wurden auch an die Flugregelung herausfordernde Anforderungen ge­stellt. Mit dem gewonnenen Entwicklungs­auftrag für die Inertiale Messeinheit (EF IMU) in den 1990er Jahren nahm LITEF die Her­ausforderung an und lieferte einige Jahre später dieses höchst innovative System.

Die EF IMU ist der primäre Sensor des Flugregelungssystems und liefert primär Dreh­raten und Beschleunigungen und, als Sekundärfunktion, die Ausgabe von abgeleiteten Wer­ten wie Kurs und Lage im Raum, die zum Manövrieren und maßgeblich zum Sta­bili­sie­ren des EF2000 benötigt werden. Da es sich bei der EF IMU um ein flugkriti­sches System handelt, galten bereits in der Entwicklungsphase die höchsten Normen und Standards. Das System muss in einem Temperaturbereich von -40 bis 70 Grad Celsius fehlerlos funktionieren, G-Belastungen von über 12g aushal­ten und nach wenigen Minuten ein­satzbereit und die Daten verfügbar sein. Auch mag­netische Felder, hohe Schock- und Vibrationsbelastungen in jeglichen Manövern des Piloten dürfen die Datenqualität der EF IMU nicht reduzieren. Um dies dauerhaft zu gewähr­leisten, wurde auf bewährte Tech­nologien und fundiertes Können gesetzt. Als Ergeb­nis sehen Sie hier eine Ein-Box-Lösung. Das System ist vierfach redundant aufge­baut, d. h. vier unabhängige Lanes (Kanäle), die elektrisch isoliert agieren, versehen mit vier Stromanschlüssen und vier Datenausgängen. Der Sensorblock besteht aus vier Krei­seln und acht Beschleunigungsmessern sowie einer sehr ausgereiften Soft­ware zur Fehlererkennung, Fehlerisolation und Fehlerkorrektur. Damit arbeitet ein sehr komple­xes und ausgereiftes System seit vielen Jahren zuver­lässig im Eurofighter Ty­phoon.

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LITEF Sensorblock für den Eurofighter (Foto: LITEF)

Auch im Bereich der Stabilisierungs- und Missile-Anwendungen kann LITEF auf lang­jährige Er­fahrung zurückgreifen. Die eingesetz­ten faseroptischen Sensoren und Iner­tialen Messeinheiten (IMUs) sind frei von beweglichen Teilen und damit un­empfindlich gegen Schock und hohe Vibrationsbelastungen. Die damit ver­bundenen Vorteile füh­ren zu Anwen­dungen für militärische Waffenstatio­nen, Stabilisierung von Optiken, An­ten­nen und Radarsystemen sowie in Missiles und modernsten Lenkflug­körpern für diverse Missionsanforderun­gen. Die hohe Zuver­lässigkeit und Wartungs­freiheit der LITEF-Produkte bieten darüber hinaus geringe Lebenszykluskos­ten für den Nutzer. Zukünftige Produkte wer­den durch MEMS- basierte Sensoren und IMUs in variablen Genauigkei­ten ergänzt.

Aufgrund der Weiterentwicklung der FOG- und MEMS-Technologien kann LITEF heute auch Inertial­referenz­syste­me für die Luftfahrt an­bieten, die sich durch niedriges Ge­wicht, geringes Vo­lumen und ge­ringe Verlustleistung bei hoher Genau­igkeit der Sen­sorda­ten auszeichnen. Darüber hinaus bie­ten diese Kurs-/La­gereferenz- und Na­vi­ga­ti­onssysteme eine hervorra­gende Zu­verlässigkeit so­wie die Mög­lichkeit, mit Hilfe von exter­nen GNSS-Empfängerdaten „hybride“ Positions- und Lageinformation mit ho­her Band­breite und geringem Rau­schen für Na­vigation und Flugregelung zur Verfü­gung zu stellen.

Die Kombination der Expertisen aus 30 Jahren ziviler Luftfahrt und sechs Dekaden militärischer Luftfahrt ist eine solide Basis, die es LITEF ermöglicht, innovative Lösun­gen für zukünftige au­tonome unbemannte und bemannte Plattformen zu entwickeln und dabei eine noch breitere technologische Bandbreite abzudecken.

In den Laboren von LITEF arbeiten die Entwicklungsteams an der Weiterent­wick­lung der Basistech­nologien und an neuen Produkten. Ak­tu­ell liegt der Fo­kus z. B. da­rauf, die Ge­nauig­keit der µIMU – einer auf mikro­elektromecha­ni­schen Senso­ren ba­sieren­den IMU mit einer Ge­nauigkeit von etwa 3°/h (Krei­sel) – schritt­weise zu er­hö­hen. Gleich­zeitig sollen Form­faktor und Leistungs­aufnahme deutlich reduziert werden. Während die aktuelle MEMS-IMU noch ein Vo­lumen von etwa 340 cm³ aufweist, wird die nächste Genera­tion von MEMS-IMUs ein Volumen in der Größenord­nung von nur noch ca. 100 cm³ auf­weisen und gleichzeitig Sensoren bein­halten, deren Kreisel einen Offsetfeh­ler von weniger als 1°/h haben. Damit er­öffnen sich für die MEMS-Technologie an­spruchsvol­lere An­wendungen, die der­zeit noch von fa­ser­optischen Krei­seln (FOGs) do­miniert werden. In einem ersten Schritt ent­wickelt LITEF einach­sige, robuste MEMS-basierte Kreisel in die­ser Ge­nauigkeits­klasse. Die er­for­derliche Tech­nolo­gie ist bei LITEF ver­fügbar und wird derzeit unter an­spruchs­vollsten Um­welt­bedingungen getestet und in die Serienreife über­führt.

Mit der übernächsten Generation von MEMS-Kreiseln wird man bereits navigieren kön­nen. Die MEMS-Tech­nologie wird somit zum Enabler für kleine, autonome Flugan­wen­dungen. Um dieses ehrgeizige Ziel erreichen zu können, werden MEMS-Kreisel not­wen­dig sein, die ein Höchstmaß an innerer Symmetrie aufweisen. Zusätzlich ­müs­sen die im Sensor durch die Genauig­keit des Herstellprozesses naturgemäß vorhande­nen Asymmet­rien kompensiert werden.

Unabhängig von der jeweiligen Anwendung sind alle bei LITEF entwickelten und ge­fertigten Sys­teme ITAR-frei und zeichnen sich durch hohe Zuverlässigkeit und Robust­heit auch bei extremen Umwelt- und Missionsbedingungen aus.