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Die Nachricht kam am 4. Juni 2020 wie ein Paukenschlag: Der traditionsreiche Handwaffenhersteller SIG Sauer will seinen deutschen Standort in Eckernförde schließen. Rund 130 Mitarbeiter wären von der Schließung betroffen.

Zunächst hatte eine Boulevard-Zeitung die Nachricht gebracht, weitere Medien griffen die Meldung dann auf. SIG Sauer-Geschäftsführer Tim Castagne hat am 4. Juni 2020 zunächst den Betriebsrat und dann die Belegschaft über die wirtschaftlich angespannte Situation des Standortes informiert.

Mehrere Gründe führt das Traditionsunternehmen dafür an, dass die Bedingungen am Standort Deutschland für SIG Sauer keine wirtschaftliche Produktion von Sport- und Behördenwaffen mehr erlauben.

So schränke die Gesetzgebung die Nutzung von Sportwaffen immer mehr ein. Weiterhin würden bei der Vergabe von Behördenaufträgen sowohl von der deutschen Polizei als auch von der Bundeswehr einige wenige lokale Produzenten bevorzugt. SIG Sauer hingegen werde wegen seiner internationalen Ausrichtung von den Ausschreibungen systematisch ausgeschlossen. In der Tat stammen die meisten SIG Sauer-Entwicklungen derzeit aus den USA, weshalb sie nicht ITAR-frei sind.

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Dennoch hätten die Gesellschafter, die L&O Holding, in den letzten Jahren große finanzielle Beiträge zur Stabilisierung des Unternehmens geleistet. Auch habe das Unternehmen drastische Sparmaßnahmen umgesetzt, um das Traditionsunternehmen und die Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Doch zu den vorhandenen Problemen seien noch die aktuellen Auswirkungen der Coronakrise gekommen, die eine Fortführung des Geschäftsbetriebs in Eckernförde wirtschaftlich zusätzlich erheblich belastet hätten.

Freud und Leid liegen oft eng beieinander: SIG Sauer USA hat erst am 1. Juni 2020 seine Kandidaten für das Next Generation Squad Weapon-Vorhaben der U.S. Army ausgeliefert. Zu den jetzt für die Erprobung übergebenen Komponenten zählen leichte Maschinengewehre SIG Sauer Lightweight Machine Guns (NGSW-AR), Sturmgewehre SIG Sauer Rifles (NGSW-R), Hybridmunition 6.8 SIG Sauer Hybridmunition sowie SIG Sauer Next Generation Schalldämpfer.

SIG Sauer führt seine Wurzeln auf die thüringische Waffenschmiede J.P. Sauer & Sohn bis ins 18. Jahrhundert zurück. Die Firma verlegte nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Firmensitz nach Eckernförde. Aus der erfolgreichen Kooperation mit der Schweizerischen Industrie Gesellschaft (SIG) seit den 1970er Jahren entstammen bekannte Produkte wie die P220-Familie. Die P225 diente seit den 1970er Jahren als P6 in etlichen deutschen Polizeibehörden und beim Zoll als Standard-Seitenwaffe. Bis heute werden SIG Sauer-Waffen beim Bundeskriminalamt (P229) und bei den Spezialeinsatzkommandos Nordrhein-Westfalen (P226) eingesetzt. Das Gewehrsystem MCX dient unter anderem bei den Landespolizeien Berlin und Schleswig-Holstein als Mitteldistanzwaffe. Auch nach Schließung des Werks in Eckernförde soll die Ersatzteilversorgung für Behörden, Sportschützen und Jäger aufrecht erhalten werden.

Jan-Phillipp Weisswange