Was muss die Feuerunterstützung mit Blick auf die gegnerischen Fähigkeiten leisten können? Wie wird das zukünftige Einsatzumfeld aussehen? Welche Arten der Wirkung und Wirkungserbringung werden unsere Streitkräfte auf dem Gefechtsfeld benötigen? Und wie kann fortschrittliche Technologie den Streitkräften helfen, künftige Herausforderungen zu meistern? Fragen, die Streitkräfte und Industrie gleichermaßen beschäftigen.
MBDA Deutschland hat für diese Anforderungen Lösungen entwickelt. Genutzt wurde dabei nicht nur firmeninternes Fachwissen, sondern auch die wertvollen Erfahrungen der Nutzergemeinde. Grundlage aller Projektüberlegungen war die herausragende Bedeutung der Artillerie im Gefecht. Diese Waffengattung bleibt ein Schlüssel zum Erfolg in nahezu allen Landoperationen. Aufgrund ihrer enormen Feuerkraft, ihrer kurzen Reaktionszeit und großen Reichweite stellt sie für den Gegner eine ständige Bedrohung dar. Dabei wird es auch bleiben – immer vorausgesetzt, die artilleristischen Systeme können mit den neuen Szenarien zukünftiger Gefechtsführung Schritt halten.
Zunehmende Komplexität im Einsatzgebiet
Wie werden diese Gefechtsfeldszenarien aussehen? Experten gehen davon aus, dass die Komplexität heutiger militärischer Auseinandersetzungen in Zukunft eher noch zunehmen wird. Die Gefechtsstreifen werden unübersichtlicher: während sich im urbanen Umfeld und unübersichtlichem Gelände eigene Kräfte mit statischen und mobilen Zielen auseinandersetzen müssen, gilt es gleichzeitig unbeabsichtigte Begleitschäden zu vermeiden. Die Komplexität wird durch eigene bemannte oder unbemannte Luft- und Bodensysteme im Einsatzgebiet erhöht.
Die Planung von Feuerkommandos zum Beispiel durch Airspace Management/ Deconflicting ist schon jetzt hoch komplex und teilweise sehr zeitaufwendig. Zeit ist jedoch bei der Bekämpfung von Zielen ein entscheidender Faktor. Die starke Vernetzung der Teilstreitkräfte, und deren geltende Einsatzregeln in multinationalen Operationen, erschweren zusätzlich die Planung. Zudem werden immer leistungsfähigere Flugabwehrsysteme eingesetzt. Fachleute rechnen mit einer stetig wachsenden Zahl moderner Flugabwehrsysteme, die sich unmittelbar auf die Luftunterstützung von Bodentruppen auswirken. Die Einsatzplanung im Bereich „Suppression of Enemy Air Defence“ wird in diesem Zusammenhang für die Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung (STF) von besonderer Bedeutung sein. Ein weiteres Merkmal zukünftiger Gefechtsfelder werden leistungsfähigere elektronische Gegenmaßnahmen sein, die das GPS oder ähnliche Navigationslösungen stören. Entsprechende Erfahrungen aus den aktuellen Konflikt- und Krisenregionen wie Syrien, der Krim oder auch dem baltischen Raum belegen diese Entwicklungen.
Feuerunterstützung im Einsatzgebiet
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen prognostizieren Experten in absehbarer Zeit eine Fähigkeitslücke. Um die Vorteile der indirekten Feuerunterstützung auch in zukünftigen Einsätzen nutzen zu können, müssen deshalb mehrere Bedingungen erfüllt sein. Zum einen muss die zukünftige, indirekte Feuerunterstützung über skalierbare Hochpräzisionswaffen verfügen („Ein Schuss, ein Treffer“), die nur geringe unbeabsichtigte Schäden anrichten. Zum anderen müssen diese Waffensysteme in einer äußerst kurzen Reaktionszeit und jenseits aktueller Reichweitenbänder eingesetzt werden können. Reichweiten über 150km werden für den Bereich der Divisions-/Korpsartillerie als Zielmarke angepeilt. Die Feuerunterstützung bietet der Kampftruppe damit eine größere Überlebenschance. Die eigenen Kräfte werden durch die Wirkung der STF geschützt und ihre eigene frühzeitige Aufklärung kann verhindert werden. Diese Bedingungen sind auch Bestandteil des Lenkflugkörper-Projekts von MBDA.
Vorteile gegenüber bestehenden Systemen
Bodentruppen können durch Luftstreitkräfte nur wirksam unterstützt werden, wenn die feindliche Flugabwehr niedergehalten bzw. ausgeschaltet wird. Grundsätzlich verspricht der Einsatz von Lenkflugkörpern im Bereich STF, in Verbindung mit der Luftwaffe, einen deutlichen Fähigkeitszuwachs für die Streitkräfte insgesamt. Dies gilt insbesondere für die präzise Bekämpfung von Hochwertzielen in der Tiefe des gegnerischen Raums.

Um Ziele bekämpfen zu können, wurde bisher vor allem der Munitionsmix eingeführter Systeme angepasst. Vor allem munitionsspezifische Lenkkits für Rohrsysteme wie Excalibur und Vulcano, sowie Raketensysteme wie GMLRS, werden bei der Truppe eingesetzt. Mit Blick auf zukünftige Einsatzszenarien ist dieser Ansatz allerdings nur begrenzt ausreichend. Einer der Gründe ist, dass der Luftraum bei zunehmender Zielentfernung stark beansprucht wird. Verantwortlich hierfür sind die Ballistik und die begrenzte Agilität der Artilleriemunition mit Lenkkits. Das hat zur Folge, dass Luftstreitkräfte nur eingeschränkt eingesetzt werden können.
Im Vergleich zu derzeit genutzten Wirkmitteln bieten Lenkflugkörper entscheidende Vorteile. Dies gilt insbesondere, wenn Präzisions-, Punkt- und kleine Flächenziele über Reichweiten jenseits aktueller Reichweitenbänder bekämpft werden müssen. Der Anflug ins Zielgebiet kann nach Bedarf in Richtung, Flughöhe und Reichweite, bis hin zum omnidirektionalen Zielanflug geplant werden. Der Luftraum kann so effizient genutzt werden, da unabhängig von anderen Luftraumnutzern eine bodennahe Flugführung möglich ist. Lenkflugkörper sind zudem in der Lage, schnell und sicher einen besetzten Luftraum zu umfliegen. Außerdem tragen Maßnahmen zur Signaturreduzierung wesentlich zum Missionserfolg bei.
Gleichzeitig können Lenkflugkörper zur Bekämpfung von Zielen im Nah- und Nächstbereich eingesetzt werden. Dies bietet den Vorteil, die Anzahl unterschiedlicher Systeme zu begrenzen.
Zudem ist es mit aktuellen Gefechtskopf-Technologien bereits heute möglich eine skalierbare Wirkung zu erzielen, die unbeabsichtigte Begleitschäden minimiert. Dies eröffnet im Bereich der Feuerunterstützung neue Möglichkeiten. Die Wirkung der Munition lässt sich teilweise bis kurz vor dem Einschlag, je nach Anforderung anpassen bzw. skalieren. Hierdurch wird eine Wirkungsplanung ermöglicht, die unbeabsichtigte Begleitschäden reduziert.
All diese Funktionen machen Feuerschläge möglich, die sonst nicht effektiv durchführbar wären. Die hohe Präzision von artilleristischen Lenkflugkörpern vereinfacht Operationen, mindert das Risiko von unbeabsichtigten Schäden und reduziert Missionskosten.
Autor: Peter Heilmeier, Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung MBDA Deutschland GmbH