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Fincantieris U.S.-Tochter Fincantieri Marinette Marine konnte im Rennen zur Entscheidung des Designs der zukünftigen Lenkflugkörperfregatten für die U.S. Navy – als FFG(X)-Programm bekannt – die Konkurrenten aus dem Feld schlagen. Erst am 28. Februar 2020 hatte die U.S. Navy ihren „Request for Proposal“ für die Planung und den Bau der Fregatten der nächsten Generation herausgegeben. Mit einer derart schnellen Entscheidung war nicht gerechnet worden.

Im Februar 2018 hatte die U.S. Navy fünf jeweils mit 15 Millionen U.S.-Dollar (rund 13,5 Millionen Euro) dotierte Entwicklungsaufträge an Austal USA, Huntington Ingalls Industries, Fincantieri Marine, General Dynamics Bath Iron Works und Lockheed Martin vergeben. Lockheed Martin (baut mit seiner Tochtergesellschaft Marinette Marine die Freedom-Klasse der Littoral Combat Ships (LCS)) erklärte im Mai 2019 seinen Rückzug aus dem Programm. Es verblieben

  • Austal USA mit einem auf ihrer Independence-Klasse (eine der beiden Typen der Littoral Combat Ships (LCS)) beruhenden Entwurf.
  • Fincantieri Marinette Marine mit dem FREMM-Konzept.
  • General Dynamics Bath Iron Works, die mit der spanischen Navantia zusammenarbeitet. Navantia ist Konstrukteur der F100-Klasse bzw. Álvaro-de-Bazán-Klasse der spanischen Marine.
  • Huntington Ingalls Industries. Über den Vorschlag der Werftengruppe wurde wenig bekannt. Beobachter gehen davon aus, dass das Design Züge des National Security Cutter der U.S. Coast Guard trägt – womöglich bis hin zu einer herunterdimonsionierten Arleigh-Burke-Klasse.

Ursprünglich hatten sich zehn Werften um das FFG(X)-Programm beworben, darunter auch Atlas North America mit einem Vorschlag auf der Grundlage der MEKO A-200 Fregatte.

 

Die Wunschliste der U.S. Navy

Mit der Angebotsanforderung (Request for Proposal, RFP) spezifizierte die U.S. Navy ihre Erwartungen:

  • Mindestens 32 Mark 41 Senkrechtstarter-Zellen (Vertical Launch System (VLS)) für entweder Standard Missile 2 Block IIICs oder RIM-162 Evolved SeaSparrow Missiles (ESSM) und einen vorgesehenen vertikal startende Anti-U-Boot-Flugkörper
  • 21 RIM-116 Rolling Airframe Missile (RAM)
  • 8 bis 16 Schiff-Schiff-Flugkörper (Over-the-Horizon)
  • Artillerie: Kanone Mk 110 57mm, Geschütz M240 oder M2
  • 150-Kilowatt-Laser
  • Radar: Raytheon Enterprise Air Surveillance Radar (EASR)
  • COMBATSS-21 Combat Management System (auf Aegis aufbauend)
  • Datalink (Cooperative Engagement Capability (CEC)) zum Austausch von (Ziel-) Informationen mit anderen Schiffen und Luftfahrzeugen
  • Aufnahme eines Hubschraubers MH-60R Seahawk und eines Unmanned Aerial Vehicle (UAV) MQ-8C Firescout
  • AN/SQQ-89(V)15 U-Jagd-Kampfsystem (ASW)
  • AN/SQS-62 tiefenvariables Sonar
  • Elektronische Kampfführung: SLQ-32(V)6 Surface Electronic Warfare Improvement Program (SEWIP) mit Erweiterungsmöglichkeit auf Block 2 Electronic Warfare Suite

Weiterhin legte die U.S. Navy fest, dass die FFG(X) auf einer US-amerikanischen Werft zu bauen sind. Sie müssen auf einem bestehenden U.S.- oder dem Design eines Verbündeten basieren.

Das FFG(X)-Programm als „kleines“ Kampfschiff nahm 2015 Kontur an. Im Gegensatz zu den Littoral Combat Ships soll FFG(X) über Fähigkeiten zur Luftabwehr, zur U-Boot-Kriegsführung und zum Überwasserkampf sowohl in Küstennähe als auch auf Hoher See verfügen. Auch sollen sie dazu beitragen, die großen Überwassereinheiten von Routineaufgaben zu entbinden. Somit reagiert die amerikanische Marine darauf, dass die „Littoral Combat Ships“ (LCS) ihrer ursprünglich zugedachten Rolle nicht im erwarteten Maße nachkommen. „FFG(X) ist die Weiterentwicklung der ‚kleinen‘ Überwassereinheit der Marine mit erhöhter Letalität, Überlebensfähigkeit und verbesserter Fähigkeit, die Nationale Verteidigungsstrategie über die gesamte Palette militärischer Operationen hinweg zu unterstützen. Sie wird uns zweifellos helfen, großflächige Seeoperationen effektiver durchzuführen und unsere Fähigkeit zu verbessern, sowohl in umkämpften Ozeanen als auch in der Nähe von Küsten zu kämpfen“, wird der Chief of Naval Operations (CNO) der U.S. Navy, Admiral Michael M. Gilday, in U.S.-Fachmedien zitiert.

Der Detailentwurf und der Bauauftrag umfassen ein Schiff im laufenden Haushaltsjahr (Financial Year – FY 2020) und Optionen für bis zu neun weitere Schiffe im Gesamtwert von 5,58 Milliarden U.S.-Dollar (rund 5,03 Milliarden Euro), wenn alle Optionen ausgeübt werden. Die Kosten für Baunummer 1 werden mit 1,3 Milliarden U.S.-Dollar (ca. 1,17 Milliarden Euro) veranschlagt, während die folgenden auf 800 Millionen U.S.-Dollar (rund 721 Millionen Euro) kommen sollen. Kosten für die beizustellende (!) Ausrüstung und Bewaffnung sind nicht oder nur teilweise eingerechnet. Das erste Schiff soll 72 Monate nach Auftragsvergabe abgeliefert werden, wobei die U.S. Navy den Vertragsabschluss noch in diesem Jahr erwartet.

Zwar legen die Beschaffungspläne des Pentagon zwanzig Fregatten der neuen Generation fest, doch hat sich die Marine nicht zu einer Akquisitionsstrategie über die ersten zehn Einheiten hinaus verpflichtet. Sie will sich die Flexibilität erhalten, das nächste Los gegebenenfalls auch bei oder mit einer anderen Werft in Auftrag geben zu können. Dies könnte ab dem Haushaltsjahr 2025 erfolgen, wie Beobachter feststellen.

 

Warum Fincantieri?

Der Zuschlag zum Bau der ersten Einheit und die Optionen für die folgenden neun ging an Fincantieri – nicht nur, weil die zu berücksichtigenden Faktoren für den FREMM-Entwurf sprachen. Die U.S. Navy verspricht sich einen Mehrwert durch seine Anpassungsfähigkeit an zukünftige technologische Entwicklungen. Neben den operativen Anforderungen waren, so amerikanische Beobachter, möglicherweise zwei andere Aspekte ausschlaggebend. Zum einen die Tatsache, dass Fincantieri Marinette Marine und Lockheed-Martin beim Bau der Freedom-Klasse des Littoral Combat Ships bereits zusammenarbeiten. Bisher liefen zwölf Einheiten in Marinette vom Stapel. Die Werft hat sich in der Vergangenheit Aufwuchspotential, in infrastruktureller wie in finanzieller Hinsicht geschaffen. Exportprojekte konnten akquiriert werden, z.B. Mehrzweck-Fregatten für Saudi-Arabien (ESuT berichtete). Auch der amerikanische Wahlkampf mag einen Schatten werfen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 gewann Donald Trump Wisconsin unerwartet mit einem knappen Vorsprung von 0,77% – zehn Wahlmännerstimmen.

Der Blick auf die Wettbewerber offenbart, dass insbesondere Austal mit seiner Littoral-Combat-Ship-Variante (Independence-Klasse) Reputation verspielt hat. Zudem findet der australische Aluminumschiffbau in der US-Navy wenig Resonanz. Ingalls Vorschlag mag zu weit hergeholt gewirkt haben – und damit zu unsicher in der Risikobeherrschung. Zudem gilt die Werft als ausgelastet. Ähnliches gilt für General Dynamics Bath Iron Works – die Werft ist ausgelastet, doch drohen Streiks. Darüber hinaus mögen Zweifel an der Standfestigkeit ihres Vorschlages, dem die spanische F-100 bzw. Álvaro-de-Bazán-Klasse von Navantia zugrunde liegt, nach der Havarie der norwegischen Fregatte „Helge Ingstad“ (ebenfalls ein Navantia-Design) nicht ausgeräumt sein.

 

FREMM

Das französisch-italienische FREMM-Design ist bei der ägyptischen, französischen, italienischen und marokkanischen Marine im Einsatz. Die FREMM (Fregata Europea Multi-Missione) ist seit 2012 im Einsatz. Die Varianten sind unterschiedlich in Höchstgeschwindigkeit und Besatzungsstärke. Bei der französischen Marine, deren acht vorgesehene FREMM als höher automatisiert gelten als ihre italienischen Äquivalente, steht die Indienststellung der „Normandie“, Baunummer 6, bevor. Italien bestellte zehn FREMM – sechs als Mehrzweck- und vier als für die U-Jagd spezialisierte Fregatten (Frankreich: sechs U-Jagd- und zwei Luftabwehr-Versionen). Die beiden noch in Bau befindlichen „Spartaco Schergat“ und „Emilio Bianchi“ sind nunmehr zur Abgabe nach Brasilien vorgesehen.

Für Fincantieri bedeutet der amerikanische Auftrag einen Erfolg. Der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri kommentierte das Ergebnis der Ausschreibung in einem Tweet: „Die Vergabe der U.S. Navy-Ausschreibung für zehn neue Fregatten bestätigt Fincantieris Exzellenz im Schiffbau. Ein Auftrag von hoher technologischer und wirtschaftlicher Relevanz, der die Qualität der italienischen Industrie und die Fähigkeit zum Neustart unseres Landes bestätigt.“

Hans Uwe Mergener

 

Rahmendaten (gemäß einer Ausstellungsbroschüre von Fincantieri Marinette Marine):

Länge: 151 Meter

Breite: 20 Meter

Verdrängung: keine Angabe

Antrieb: CODLAG (COmbined DieseleLectric And Gas), zwei Schrauben

Geschwindigkeit:  >26 Knoten, im E-Betrieb: 16+ Knoten

Reichweite: 6.000+ nautische Meilen (bei 16 Knoten)

Unterbringungskapazität: 200 Personen

Besatzung: keine Angaben

Bewaffnung:

Artillerie: 1xMK 110 57mm

Flugkörper: 8xNaval Strike Missile, 32xVLS RAM

Elektronische Kampfführung: 2x AN-SLQ-32(V)6 CM (SEWIP) BLK II, 4x MK 53 MOD 9 DLS (NULKA)

Sonstiges:

2xRHIB 7 Meter

Hangar für 2 Sikorsky MH-60R Seahawk Hubschrauber