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Das deutsch-norwegische U-Bootprojekt steht vor einem erneuten Anlauf. Das norwegische Verteidigungsministerium kündigte an, dass der Vertrag über die neuen U-Boote für die norwegischen Marine nun unter Dach und Fach gebracht werden soll. Seit Februar, so das Ministerium, liegt ein neues Angebot von thyssenkrupp Marine Systems vor. Die norwegische Beschaffungsbehörde Forsvarsmateriell, so heißt es, verhandelt nun gemeinsam mit seinem deutschen Partner, dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, formell mit dem Lieferanten. Ziel ist es, bis Ende 2020 einen Vertrag ausgehandelt zu haben. Allerdings könnten, bedingt durch COVID-19, Verzögerungen eintreten. Ohne Einzelheiten zu nennen schreibt das Ministerium, es seien Maßnahmen ergriffen worden, um diese Effekte zu beherrschen. Lieferzeit und Lieferplan für die neuen U-Boote sind Teil der Vertragsverhandlungen.

Norwegen entschied sich 2017 als Ersatz für die sechs U-Boote der Ula-Klasse zu einem gemeinsamen Entwurf mit Deutschland: U212CD, wobei „CD“ für „common design“, also gemeinsame Ausführung, steht. Im Oktober 2018 legte thyssenkrupp MarineSystems das erste Angebot vor. Es wurde im Juli 2019 aktualisiert. Nachdem sich die beiden Marinen parallel auf Standards einigen konnten, wurde das Angebot angeglichen und bildet nun wohl die Grundlage für diese Verhandlungsrunde.

Forsvarsmateriell sieht für die vier norwegischen U-Boote eine Kostenobergrenze von etwas mehr als 44 Milliarden Norwegischen Kronen (ca. 3,9 Milliarden Euro) vor, einschließlich Mehrwertsteuer, einer Risikomarge und Implementierungskosten.

Die Beschaffung, so die Angaben von Forsvarsmateriell, soll sich über zehn Jahre hinziehen, wobei das erste U-Boot etwa sieben Jahre nach der Bestellung erwartet wird. Die nachfolgenden U-Boote sollen im jährlichen Abstand folgen. Als die Absichtserklärung im Februar 2017 unterzeichnet wurde, sollte der Zulauf 2025 starten. Nun aber bestätigte die norwegische Premierministerin Erna Solberg, die gemeinsam mit Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen den nationalen Verteidigungsplanes am 17. April vorstellte, dass Norwegen frühestens 2028 bis 2030 das erste neue U-Boot erhalten könne.

Deutschland nimmt die U-Boote Nummer drei und sechs in der Baureihe, die bis 2032 (so hieß es damals) fertiggestellt sein soll.

In Oslo wurde bereits die längere Indiensthaltung der Ula-Boote erwogen. Bis zu 1,5 Milliarden Norwegische Kronen (ca. 130 Millionen Euro) wurden für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Außerdienststellung in den Haushalt 2017-2025 eingebracht. Als lebensverlängernde Maßnahmen der vier verbleibenden Ula-U-Boote werden die Projekte P6345, Updating Ula-Klasse, und P6370, Interim Solution Ula-Klasse, aufgelegt – weitere 593 Millionen Norwegische Kronen (ca. 51 Millionen Euro).

 

Norwegen: Kooperationen erwünscht – thyssenkrupp Marine Systems reagiert

Die norwegischen Fachzeitschrift „Teknisk ukeblad“ berichtet, dass das Storting, das norwegische Parlament, eine ausgewogene industrielle Zusammenarbeit und einen Marktzugang für die norwegische Verteidigungsindustrie zur Bedingung vor Vertragsunterzeichnung gemacht hat. Teilweise hat man dem auf deutscher Seite im Vorfeld schon entsprochen. Man verständigte sich darauf, Wartungs- und Instandsetzungskapazitäten im norwegischen Bergen einzurichten. Zwischen beiden Marinen gibt es Pläne für gemeinsame Ausbildung, Personaleinsatz und Lebenszyklusmanagement der künftigen U212CD.

Darüber hinaus, so Teknisk ukeblad, sei es in Norwegen nach wie vor erklärtes Ziel, eine breitere Zusammenarbeit bei Bau und Betrieb der U-Boote zu erwirken. Oslo sähe in Italien, den Niederlanden und in Polen geeignete Partner.

Die Kieler thyssenkrupp Marine Systems zeigten sich durch die Veröffentlichung der Skandinavier überrascht. „Das ist ein gutes Signal“, kommentiert Stefan Ettwig, Leiter der Kommunikationsabteilung. thyssenkrupp Marine Systems stellt sich durch Neueinstellungen und großangelegte Infrastrukturmaßnahmen für die Zukunft auf – unter anderem ist eine neue Schiffbauhalle zur Groß-Sektionsfertigung, ein Shiplift  sowie eine zweite Ausrüstungslinie geplant. Die deutsche Werft hat auf die Kooperation mit Norwegen hingearbeitet. Gemeinsam mit ihrer Tochtergesellschaft Atlas Elektronik und dem norwegischen Rüstungsunternehmen Kongsberg gründete thyssenkrupp Marine Systems im Oktober 2017 das Joint Venture kta Naval Systems. kta Naval Systems wird unter anderem für die Entwicklung, Produktion und Wartung von Führungs- und Waffeneinsatzsystemen (combat systems) verantwortlich sein. Ansässig ist das Unternehmen im norwegischen Kongsberg mit einer Niederlassung in Bremen. Kongsberg und Atlas Elektronik bringen jeweils 50 Prozent Eigenkapital in das Joint Venture ein.

Über technische Einzelheiten gibt es naturgemäß keine Angaben. Dem Vernehmen nach soll U212CD größer als das von der Deutschen Marine betriebene U212A sein.

Hans Uwe Mergener

 

Als Anhaltspunkt hier die technischen Daten U212A (Quelle: Deutsche Marine):

MASSE
  • Länge: 56,0 m
  • Breite: 7,0 m
  • Tiefgang: 6,0 m aufgetaucht
  • Höhe: 11,5 m
  • Verdrängung: 1.830 t getaucht, 1.450 t aufgetaucht
ANTRIEB
  • Typ hybrid diesel-elektrisch mit Brennstoffzellen
  • 1 x Dieselmotor
  • 1 x Elektromotor
  • 1 x Brennstoffzellenanlage
  • Propeller: 1
  • Gesamtleistung: 3.100 kW (4.200 PS)
  • Geschwindigkeit: 20 kn getaucht, 12 kn aufgetaucht
SENSOREN
  • 1 x Bugsonar DSQS-21G
  • 1 x Seitensonar FAS 3-1
  • 1 x passives Entfernungsmess-Sonar PRS 3-15
  • 1 x Schleppsonar TAS 83/DTA 50
  • aktive und passive Sonarbojen
  • 1 x Angriffssehrohr SERO 15
  • 1 x Beobachtungssehrohr SERO 14
  • 1 x EK-System FL 1800 U (Elektronische Aufklärung/Elektronischer Kampf)
  • 1 x Minenmeide- und Navigationssonar
  • 1 x Navigationsradar
WAFFEN
  • 6 x Torpedorohr für Schwergewichtstorpedo DM2A4, Reichweite mehr als 50 Kilometer
  • 1 x Torpedo-Abwehrsystem C303/S
BESATZUNG UND SONSTIGES
  • Crew: 28