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Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, hat am 7. März folgenden Tweet abgesetzt: „Kampfschwimmer in der Wüste: Seit 2018 bildet die Bundeswehr Spezialkräfte in Niger aus. Bei der gemeinsamen Übung „Black Dagger“ waren auch Hubschrauber und Fallschirmjäger dabei. Starke Leistung!“ Diese Black Dagger Übung ist nicht zu verwechseln, mit der gleichnamigen jährlichen bi-nationalen Übung der der amerikanischen und australischen Streitkräfte.

Ein dem Tweet angehängtes Video zeigt Eindrücke aus der Wüste. Und der Sprecher erklärt, dass dies Ausschnitte der Zertifizierungsübung „Black Dagger“ für das Patenbataillon der nigrischen Streitkräfte ist. Die afrikanischen Soldaten werden seit rund zwei Jahren – seit dem Oktober 2018 – im Rahmen der „Mission Gazelle“ ausgebildet.

Laut Bundeswehr ist das Ziel der Ausbildung einen Leistungsstand zu erreichen, welcher dem der Spezialisierten Kräfte des Heeres mit Erweiterter Grundbefähigung (SpezKrH EGB) entspricht. Neben den Kampfschwimmern (Funktion als Ausbilder) und Fallschirmjägerkräften der 2./Fallschirmjägerregiment 26 aus Zweibrücken (EGB) wurden in die Ausbildung und Übung auch H145M LUH SOF (Light Utility Helicopter Special Operation Forces) Maschinen des Hubschraubergeschwader 64 (HSG 64) der Luftwaffe aus Laupheim eingebunden. Insgesamt waren bis zu 180 deutsche Soldaten im Niger. Bis zu drei Wochen waren die Kräfte vor Ort, mit einen Kernübungszeitraum 2. bis 3. März. Zur Vorbereitung sind erste Kräfte seit dem 20. Februar im Land gewesen, die strategische Verlegung der LUH SOF fand am 24. und 25. Februar statt. Die Rückverlegung der letzten Kräfte ist für den 13. März geplant. Letztmalig war man im Mai 2019 mit einem ähnlichen Kräfteansatz im Niger.

Laut Bundeswehr ist das Ziel der Ausbildung einen Leistungsstand zu erreichen, welcher dem der Spezialisierten Kräfte des Heeres mit Erweiterter Grundbefähigung (SpezKrH EGB) entspricht. (Foto: Bundeswehr)

Laut Sprecher wurden die H145M LUH SOF im Rahmen der Übung erstmals im Bereich heißer Umgebung mit Brown-Out und Staub-Landungen unter Realbedingungen eingesetzt. Im Video zu sehen sind vier Maschinen, die auch als „Taxi“ der Spezialkräfte gelten. Sicherlich ist diese Übung auch eine gute Vorbereitung für den geplanten Einsatz in Afghanistan. Brown-Out und Staublandungen wurden aber anders als im Video dargestellt, bereits durch die Besatzungen schon vorher ausgiebig in Jordanien geübt.

Bundeswehrintern dürfen die H145M Maschinen übrigens nur noch die Bezeichnung MBB BK 117 tragen. MBB steht dabei für den ursprünglichen Hersteller Messerschmitt-Bölkow-Blohm (heute Airbus Helicopters). Eigentlich eine „Mogelpackung“ da die H145M so gut wie nichts mehr mit dem Vorgängermodell gemeinsam hat. Aber dies erleichtert wohl die Zulassung, da diese dann nach einem älteren Regelwerk erfolgen kann. Die Anweisung für die Umbenennung kommt aus dem Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw).

Operation Gazelle

Die Spezialkräfte der Bundeswehr verfügen über begehrte Fähigkeiten. Daher bilden Kommandosoldaten in Afrika und Nahost vier Partnerverbände aus. Aber auch die Bundeswehr hat Vorteile dadurch, da sie unter Realbedingungen testen und üben kann. Der Auftrag im Niger lautet Ausbildungsmission und Militärberatung für ausgewählte Partner. Neben dem Niger gibt es offiziell eine Zusammenarbeit mit den Spezialkräften in Tunesien (Mission Fennek), mit Luftlandetruppen in Jordanien (Mission Arabian Leopard) sowie dem Kamerun. Die Partnerstaaten gelten als Stabilitätsanker oder haben regional eine besondere Bedeutung.

In Niger sind die Kampfschwimmer auf Einladung der Regierung in der „Mission Gazelle“ eingesetzt. Bis Mai 2019 hatten 280 Soldaten des afrikanischen Landes die erste Phase der Ausbildung durchlaufen. Es geht um Grundlagen wie die Schieß- oder Karte/Kompass-Ausbildung. Auch eine Schule für militärische Spezialkräfte, womöglich mit Beteiligung weiterer Staaten, gehöre zu dem Vorhaben, heißt es seitens der Deutschen Bundesregierung. Die deutschen Soldaten sind nur immer temporär vor Ort, ansonsten werden die Programme aus der Ferne überwacht. Im vergangenen Jahr löste diese Mission heftige politische Diskussionen in Berlin aus. Die Streitpunkte waren, ob ein Parlamentsmandat für die Ausbildungsmissionen notwendig ist und warum die deutschen Soldaten Waffen mitführen.

Das Verteidigungsministerium verwies auf das Parlamentsbeteiligungsgesetz: Dort ist geregelt, dass der Bundestag dem Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland zustimmen muss, wenn Soldaten „in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten ist“. Bei der Operation Gazelle dient die Bewaffnung der Ausbildung und dem Eigenschutz.

(Foto: Bundeswehr)

Spezialkräfte im und des Niger

Die Republik Niger – nicht zu verwechseln mit Nigeria – wo die Bundeswehr mit der Deutschen Marine auch ausbildet, ist ein Binnenstaat in Westafrika. Niger grenzt im Norden an Algerien und Libyen, im Westen an Mali und Burkina Faso, im Osten an den Tschad und im Süden an Nigeria und Benin. Es ist ein Binnenstaat mit Anteil an der Sahara, dem Sahel und dem Sudan. Allein diese geographische Lage zeigt welche Unruhezonen direkt an den Grenzen liegen. Die Streitkräfte des Niger umfassen rund 12.300 Soldaten. Und das für einen Staat mit einer Gesamtfläche von 1.267.000 km². Diese Fläche entspricht ungefähr 3,6 Mal der Größe der Bundesrepublik Deutschland. Niger ist damit eines der größten Länder in Afrika und flächenmäßig das 22st-größte Land der Welt.

2015 verfügte Niger über nur eine Kompanie sogenannter Spezialkräfte. Und damit über nur sehr begrenzte Befähigung für Spezialoperationen, die sich einzig auf CT (Counter Terrorist) und COIN (Counterinsurgency) Missionen konzentrieren. Die Einheit fokussiert sich insbesondere auf die Bekämpfung der militanten Boko Haram im benachbarten Nigeria und führt routinemäßig gemeinsame Operationen mit Spezialeinheiten aus Kamerun und dem Tschad im Land durch. Zu den Missionen gehören direkte Maßnahmen sowie Überwachungs-/Aufklärungsaufgaben. Seitdem wurden die Fähigkeiten mit internationaler Hilfe kontinuierlich ausgebaut.

Offiziell besteht das Heer derzeit aus acht motorisierten Infanteriekompanien, vier gepanzerter Aufklärungsstaffeln, einer Pionierkompanie, einer Luftabwehrkompanie sowie zwei luftlandefähigen Kompanien an Spezialkräften. Auch, wenn der Bundeswehrsprecher von der Zertifizierung eines Patenbataillons spricht. Für das Absetzen der Luftlandekräfte stehen ein veraltetes Luftfahrzeug des Typs C-130H HERCULES und leichte Hubschrauber des Type SA 342M GAZELLE zur Verfügung. Beide Luftfahrtsysteme operieren vom Diori Hamani International Airport aus. 1979 kaufte Niger zwei C-130H, von denen eine nach einem Crash 1997 nicht mehr repariert werden konnte. Auch die zweite Maschine hatte 2005 einen Crash, ist aber immer noch in Nutzung. Im April 2016 erhielt Niger ein C-130 Flügelset, mit dem die noch verbliebene Maschine überholt werden soll. Außerdem liegt eine Bestellung für zwei ehemalige C-130 der US Air Force vor, diese sollen dieses Jahr ausgeliefert werden. Daher erhielt man zuvor als Spende vom US State Department einen Hangar für die C-130. Dieser befindet sich dann aber auf der Agadez South Millitary Base. Die SA 342M Hubschrauber wurden 2013 von Frankreich gespendet, werden neben leichten Transportaufgaben, vor allem aber als leichter Kampfhubschrauber, ausgestattet mit einer 20 mm Bewaffnung, genutzt.

Da es sich bei der Region um einen Unruheherd und Rückzugsort militanter Terroristen handelt, werden sowohl der Niger als auch Nigeria seit Jahren bei der Ausbildung und auch Ausrüstung durch westliche Partner unterstützte, zum Beispiel Nigeria seit 2015 durch das kanadische Special Operations Regiment (CSOR). Auch die Deutsche Marine bildet in Nigeria aus und das Special Operations Command des US Africa Command (US AFRICOM) unterstützt bei der jährlichen durchgeführten Spezialkräfte-Übung „Flintlock“. Zu regelmäßigen Besuchern und Ausbildern in der Region gehören auch Einheiten der belgischen Special Forces Group, britische Special Forces; und gleichwertige Einheiten aus Dänemark, Italien, den Niederlanden, Spanien und Schweden.

Die gemeinsamen Ausbildungen und Übungen sollen die Sicherheitsinstitutionen stärken, den multilateralen Informationsaustausch fördern sowie die Interoperabilität zwischen den Partnerländern der Trans-Sahara-Partnerschaft zur Terrorismusbekämpfung (TSCTP) entwickeln. Wie ein Sprecher der Bundewehr jetzt über die Übung sagte, wurde das Bataillon der Spezialkräfte zertifiziert.

Große Aufmerksamkeit erfuhr der Einsatz westlicher Spezialkräfte in der Region, als beim Tongo Tongo Hinterhalt, auch als Niger Hinterhalt bezeichnet, am 4. Oktober 2017 vier Angehörige amerikanischer Spezialkräfte, fünf nigerianische Soldaten sowie mindestens 21 Aufständische des Islamische Staat in der Großsahara (ISGS) ums Leben kamen. Es gab etliche weitere Verwundete. Die amerikanischen Gefallenen und Verwundeten gehörten alle der Third Special Forces Group aus Fort Bragg, North Carolina, an.

André Forkert