„Flugzeugträger der Lüfte“ – Erstflug für wiederverwendbare Gremlins Drohne

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Das US Verteidigungsministerium gab am 17. Januar 2020 zusammen mit Dynetics Inc. bekannt, dass im November 2019 der X-61A Gremlins-Demonstrator seinen Erstflug absolvierte.

Ein von der Firma veröffentlichtes Video des Jungfernfluges zeigt wie eine als Mutterschiff fungierende Lockheed Martin C-130A Hercules das Gremlins Air Vehicle (GAV) über dem Dugway Proving Ground in Utah absetzt. Danach absolvierte die Drohne einen eigenständigen Flug von 1 Stunde und 41 Minuten. Damit ist das US Verteidigungsministerium seinem Ziel einen Schritt nähergekommen, in Zukunft Drohnen-Schwärme einzusetzen, die von einem militärischen Mutterschiff aus abgesetzt werden.

Mit diesem Demonstrationsflug konnte der erste Teil der Programmphase erfolgreich abgeschlossen werden. Jetzt will sich das Team dem zweiten Teil widmen, bei dem die abgesetzte Drohne erfolgreich zum Mutterschiff zurückkehrt und von diesem per Docking-System wieder aufgenommen wird. Die Gremlins Drohnen sollen mehrfach verwendet werden, auch um Kosten zu sparen.

„Dieser Flugtest bestätigt die gesamte Konstruktionsarbeit, die Analyse und die Bodentests, die wir in den letzten zweieinhalb Jahren durchgeführt haben“, sagte Brandon Hiller, Chefingenieur für den X-61A. „Wir haben großes Vertrauen in die Leistung und das Gesamtdesign des Systems, und die Telemetriedaten aus dem Flug sind im Vergleich zu unseren Modellvorhersagen außerordentlich gut. Unser Team hat hervorragende Arbeit geleistet, um den Erstflug dieses einzigartigen Demonstrators in so kurzer Zeit zu erreichen, und wir sind sehr darauf bedacht, diese neue Fähigkeit dem Verteidigungsministerium zur Verfügung zu stellen.“

Während des Tests flog der X-61A ohne Anomalien und laut dem DARPA-Dynetics-Team erfüllte die Drohne alle Testziele. Ein Wehrmutstropfen bleibt allerdings, bei der Landung zerschellte die Drohne am Boden. Laut Testteam entfaltete sich der Drogue-Fallschirm, der zuerst das Luftfahrzeug verlangsamt, wie geplant. Der größere Hauptfallschirm, der die Landung des Luftfahrzeugs aber sicherstellen sollte, wurde jedoch aufgrund eines mechanischen Problems nicht ordnungsgemäß ausgelöst. Die Drohe erlitt einen Totalschaden und ist nicht mehr zu verwenden.

Der Testflug

Der Testflug fand auf dem Dugway Testgelände in der Nähe von Salt Lake City, Utah, statt. Die Erprobung beinhaltete einen Einsatz der X-61A von einer C-130A im freien Flug.

Die Testziele umfassten:

  • Demonstration eines erfolgreichen Starts des GAV von der C-130
  • Übergangs des X-61A Demonstrators von einem Kaltstart in einen stabilen Flug
  • Sammeln von Betriebs- und Leistungsdaten des GAV-Subsystems
  • Validierung der Datenverbindungen der Gremlins und Übergabe der Kontrolle über die Drohne zwischen den Luft- und Bodenkontrollstationen
  • Einsatz des GAV-Andockarms
  • Demonstration des Flugabbruchs und der Bodenbergung (Fallschirm) des GAV (nur Demonstrationssystem – nicht Teil des operationellen Systems)

„Dieser Flug stellt einen historischen Meilenstein für Dynetics und das Gremlins-Programm dar“, sagte Tim Keeter, Programmleiter der Dynetics Gremlins. „Das GAV flog wunderbar und unser Führungs- und Kontrollsystem ermöglichte es uns, während des gesamten Fluges die volle Kontrolle über das GAV zu behalten. Der Verlust unseres Fahrzeugs bestätigt unsere Entscheidung, fünf GAVs für die Phase 3 zu bauen; uns bleiben noch vier übrig. Insgesamt bin ich stolz darauf, dass sich all die harte Arbeit gelohnt hat, und wir freuen uns darauf, diese Dynamik im Hinblick auf die erste luftgestützte Erholung Anfang 2020 fortzusetzen“.

Das Gremlins Programm wird vom Tactical Technology Office (TTO) der DARPA verwaltet. Das übergeordnete Ziel besteht darin, so schnell wie möglich eine Systemfähigkeit zu erlangen, welche den Start und die Bergung von wiederverwendbaren, kostengünstigen, unbemannten Flugzsystemen (UAS) aus der Luft ermöglicht. Dieser Test ist der nächste Schritt zum Abschluss der Demonstrationsziele der Phase 3 des Programms, zu denen ein abschließender Flugtest gehört, um die Fähigkeit zur Bergung von vier GAVs in weniger als 30 Minuten zu demonstrieren. Dieser soll dem Vernehmen nach im Frühjahr 2020 erfolgen. Dabei soll demonstriert werden, dass mehrere Gremlins vom C-130 Mutterschiff während des Fluges erfolgreich geborgen werden können.

Dieser Test ist der kritische Nachweis für die Befähigung der Gremlins über mehrere Missionen hinweg wiederverwendbar zu sein. Erst dies würde die Wirtschaftlichkeit des Konzepts belegen. Um Kosten zu senken sollen Drohnen in Zukunft möglichst viele Einsätze fliegen. Bei der Bekanntmachung des Testfluges wurden Zahlen von 10 bis 30 Einsätze genannt, ab denen die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme erreicht wird. Die genaue Anzahl müsse noch eruiert werden, ab wann sich die Systeme rechnen.

Zur Wiederaufnahme der Drohne soll die C-130 eine gezogene Fangvorrichtung absenken, die mit der Gremlins-Drohne zusammentrifft. Dadurch sollen Turbulenzen vermieden werden, die durch das vorausfliegende und viel größere Mutterschiff entstehen. Im Anschluss wird ein Fangarm ausgefahren, der die Drohne dann stabilisiert und in den Laderaum der C-130 verbringt.

Das Gremlins Programm

Gremlins ist ein US-amerikanisches Projekt der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) zur Entwicklung eines „Flugzeugträgers der Lüfte“. Im April 2018 wurde das von Dynetics geführte Team, zu dem auch die Unternehmen Kratos Unmanned Aerial Systems, Williams International, Applied Systems Engineering, Inc., Kutta Technologies, Inc., Moog Inc., Sierra Nevada Corporation, Systima Technologies, Inc. und Airborne Systems gehören, als letztes im Programm verbliebene Team ausgewählt.

Gremlins Konzept: Airborne Launch & Recovery of Unmanned Aerial Systems (Video: DARPA)

Am Ende des Programms sollen Schwärme von UAVs durch verschiedene bemannte Militärluftfahrzeuge abgesetzt und wieder aufgenommen werden können.

Phase 1 (durchgeführt von insgesamt vier unterschiedlichen Teams) sollte die generelle Machbarkeit von UAV-Start- und Wiederaufnahmesystemen in der Luft zeigen. Dabei sollen nur minimale Änderungen am Mutterschiff vorgenommen werden.

In Phase 2 (bestehend aus nur noch zwei Teams) wurden zwei Systemkonzepte entwickelt, um die Reife der Überlegungen dieses „Flugzeugträger der Lüfte“-Konzepts zu zeigen.

In der jetzigen, finalen Phase 3 (nur noch das Dynetics-Team) wurden die Gremlin-UAS-Prototypen gebaut, getestet und der Demonstrationsflug durchgeführt.

Die Gremlins sollen von einer Vielzahl von Mutterschiffen ausgesetzt werden, darunter Bomber, Transportflugzeuge, Jäger und anderer kleinerer UAS, solange sich diese noch außerhalb der Reichweite der feindlichen Luftverteidigung befinden. Zu den von DARPA spezifizierten Leistungsparametern gehören eine Reichweite von 482 km und die Möglichkeit, eine Stunde lang am Himmel zu kreisen. Außerdem sollen 27,2 kg Nutzlast und etwa 1 kW Stromerzeugung sichergestellt werden.

Zur Aufnahme der Drohnen soll ausschließlich die Lockheed Martin C-130 Hercules genutzt werden. Nach erfolgreicher Bergung und Rückkehr zur Basis sollen Bodentrupps die Drohne für den nächsten Einsatz vorbereiten. Dies soll innerhalb von 24 Stunden erfolgen können. Die durchschnittliche Lebensdauer der Gremlins soll mindestens 20 Einsätze betragen.

Das Gremlins-Programm ist Teil umfassenderer Bemühungen der USA, Schwarm-UAS einzusetzen. Ihre taktischen Aufgaben sollen die Übersättigung und damit Überfrachtung und Verwirrung der feindlichen Luftverteidigung sowie die Überwachung/Aufklärung großer Räume betragen. Parallel zum Gremlin Programm laufen das Low-Cost-Programm für UAV-Schwarmtechnologie (Low-Cost UAV Swarming Technology (LOCUST)) vom US-amerikanischen Marineforschungsamt (ONR) und das Perdix Drop Swarm Programm des US Verteidigungsministeriums. Während der erste das Coyote-UAV verwendet, um den Einsatz mehrerer kleiner UAS von Schiffen, taktischen Fahrzeugen, bemannten Flugzeugen oder anderen unbemannten Plattformen aus zu demonstrieren, ist das zweite Projekt ein Versuch, Schwärme von Mikro-UAVs als gemeinsamen Organismus zu betrachten und praktisch ein gemeinsames Gehirn zur Entscheidungsfindung und Ausrichtung des einzelnen Systems zu nutzen. Vorbild sind die Vogelschwärme in der Natur.

Deutsch-Französische Parallelen

Im Rahmen des deutsch-französischen Future Combat Air System (FCAS) Programms gibt es ähnliche Ansätze. Hier sollen unbemannte Drohnen zusammen mit dem bemannten Luftfahrzeug der 6. Generation eingesetzt werden. Laut MBDA sind zwei Klassen von Remote Carriern angedacht, ein Kleinerer mit einem Gewicht von ca. 100 bis 150 kg ohne Rückholfähigkeit sowie ein Großer mit Rückholoptionen. Dies kann durch eine Bodenlandung oder z.B. durch das Einsammeln mit Flächenflugzeuge wie dem Airbus A400M erfolgen. Den MBDA-Überlegungen zugrunde liegt der TAURUS KEPD 350 als Effektor langer Reichweite.

Eine Weiterentwicklung des TAURUS könnte in Zukunft nicht nur als Effektor, sondern in mehreren unterschiedlichen Rollen eingesetzt werden, inklusive Rückholfunktion. Er kann vom Kampfflugzeug oder auch von einer A400M aus eingesetzt werden, als Aufklärer, Unterdrücker oder Täuscher. Das Rückholen dient vor allem der Kostensenkung. Laut MBDA könnte ein solches System ab 2040 im Einsatz sein.

André Forkert