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Die US Navy gab am Freitag, den 20. Dezember 2019 bekannt, dass Lockheed Martin einen Auftrag über 1,96 Milliarden US-Dollar (ca. 1,75 Milliarden Euro) für den Bau von vier Multimissionsschiffen (MMSC – Multi-Mission Surface Combatant) für Saudi-Arabien erhalten hat. Sie sind aus dem Entwurf der Küstenkampfschiffe (LCS – Littoral Combat Ship) der Freedom-Klasse abgeleitet.

Die ‚Freedom‘-Variante der LCS, von der die US Navy vorläufig 16 bestellte, wird von Lockheed Martin, Marinette, Wisconsin gemeinsam mit einer Tochter der italienischen Fincantieri (s.u.) gebaut. Neun dieser LCS-Schiffe wurden bereits an die US-Marine ausgeliefert, sieben befinden sich derzeit in unterschiedlichen Bauphasen. Die 115,3 Meter langen, 17,5 Meter breiten Einrumpfschiffe dieser LCS-Variante sollen bei einer Verdrängung von 3500 Tonnen bis zu 47 Knoten erreichen können. Laut Angaben von sowohl Lockheed Martin als auch Fincantieri sollen die Einheiten in der saudischen Exportversion der MMSC 118 Meter lang sein, mehr als 30 Knoten Geschwindigkeit laufen und eine Reichweite von 5.000 Seemeilen erzielen können. Lockheed Martin bewirbt die MMSC zusammen mit dem Hubschrauber MH-60R Seahawk (von der die Freedom-Klasse zwei aufnehmen kann). Zur Hubschrauberausstattung der MMSC wurde bisher nichts bekannt gegeben.

Nach einem Bericht des Chief Financial Officer im US Verteidigungsministerium vom Februar 2018 belaufen sich die Kosten für ein Schiff der ‚Freedom‘-Variante mittlerweile ca. 646 Millionen US-Dollar (ca. 578 Millionen Euro). Bei den Angaben treten Unterschiede auf – abhängig davon, ob und welche Ausstattung mit Missionsmodulen berücksichtigt wird. Einschließlich umgelegter Entwicklungskosten und Rücklagen für Modernisierungsvorhaben sowie eines querschnittlichen Ansatzes für Ausrüstung werden für den Bau eines LCS der Freedom-Klasse im FY 2019 1,254 Milliarden US-Dollar (1,123 Milliarden Euro) ausgewiesen.

Strategischer Partner auf der arabischen Halbinsel

In der Ankündigung, die auf der Website des amerikanischen Verteidigungsministeriums veröffentlicht wurde, heißt es, dass der Auftrag zu einem Festpreis einschließlich Materialpaket und Datenumgebung (integrated data environment) vergeben wurde. Weiter führt man aus „Dieser Verkauf trägt zur Außenpolitik und zur nationalen Sicherheit der USA bei, indem er hilft, die Sicherheit eines strategischen regionalen Partners zu verbessern.“

Die Vereinbarung bahnte sich bereits seit Längerem an. Bereits 2015 gab es einen Letter of Intent, der damals in Riad nicht gegengezeichnet wurde. Schon damals ging es um den Bau sogenannter ‚Multi-Mission Surface Combatant (MMSC)‘, die auf den LCS basieren, jedoch robuster ausgerüstet sein sollten – unter anderem mit RIM-162 Evolved SeaSparrow (ESSM), RGM-84 Harpoon Block II, Torpedos, 4D-Radar und Sonar. Die MMSC sind Kernelement des Saudi Naval Expansion Program II (SNEP 2), einer seit mehr als einem Jahrzehnt laufenden Initiative zur Erneuerung und Modernisierung der im Persischen Golf operierenden (Ost-) Flotte des Königreichs. 2017 bekundete das Königreich sein Interesse an integrierten Luft- und Raketenabwehrsystemen, Kampfschiffen, taktischen Flugzeugen und Hubschraubern – Beschaffungen mit einem Volumen von mehr als 28 Milliarden US-Dollar (25,1 Milliarden Euro) mit Lockheed Martin als Partner. Unter Präsident Donald Trump wurde im Mai 2017 ein 110-Milliarden US-Dollar Paket (ca. 98,24 Milliarden Euro) zur Unterstützung Riads geschnürt.

Der MMSC-Auftrag wurde im Rahmen des Foreign Military Sales-Programms vergeben. Das Auslandsverkaufsprogramm des US-Verteidigungsministeriums erleichtert den Verkauf von US-Waffensystemen, Verteidigungsausrüstung, verteidigungsnaher Dienstleistungen und militärischer Ausbildung an ausländische Regierungen. Dabei ist eine Agentur, die Defense Security Cooperation Agency (DSCA), der Verhandlungspartner für den jeweiligen Staat. Im Oktober 2019 gab sie bekannt, dass sich der Umsatz für das Geschäftsjahr 2019 auf 55,4 Milliarden US-Dollar (ca. 49,6 Milliarden Euro) belief.

Amerikanischen Medien zufolge beabsichtigt Saudi-Arabien bis zu 20 Milliarden US-Dollar (fast 18 Milliarden Euro) für neue Schiffe und maritime Infrastruktur auszugeben. Dabei schlagen  sechs Milliarden US-Dollar (5,36 Milliarden Euro) für die MMSC zu Buche, deren Auslieferung 2023 beginnen soll, letzte Lieferung 2026.

Im Geschäft mit Saudi-Arabien: neben Fincantieri …

Zusammen mit Lockheed Martin und Fincantieri Marinette Marine arbeiten mehr als 800 Zulieferer in 42 Bundesstaaten für das LCS-Programm der US Navy. Deren Bauvorhaben, so eine Sprecherin bei der Erläuterung des Abschlusses mit Saudi-Arabien, liefen weiter gemäß Plan. Der Abschluss mit Riad hätte keine Auswirkungen auf die Auslieferung der amerikanischen Einheiten.

Giuseppe Bono, CEO von Fincantieri, erklärte: „Aufträge wie diese sind nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung, sondern zeichnen sich auch durch wichtige industrielle Aspekte aus. Dieses Ergebnis unserer Anstrengungen ermöglicht es uns, unsere Reputatioon auch auf dem als sehr komplex geltenden US-Markt zu festigen. Es ist auch eine Anerkennung der strategischen, technologischen und Managementfähigkeiten, die Fincantieri in der Lage ist, stets auf höchstem Niveau und in jedem Kontext einzubringen.“ Der Auftragswert für Fincantieri Marinette Marine beläuft sich auf rund 1,3 Milliarden US-Dollar (1,16 Milliarden Euro).

Zur Fincantieri Marine Group gehören neben Fincantieri Marinette Marine zwei weitere Werften in der Region der Großen Seen, Fincantieri Bay Shipbuilding und Fincantieri Ace Marine. Seit 2008 wurden mehr als 180 Millionen US-Dollar in die Modernisierung der Werften in Wisconsin investiert, mehr als 1.000 Mitarbeiter eingestellt. Insgesamt sind an den drei Standorten rund 2.500 Mitarbeiter beschäftigt. Die Gruppe bedient mehr als 350 Auftragnehmer.

Interessanterweise fand bereits am 24. Oktober 2019 die Zeremonie zum Stahlschnitt in Beisein einer saudi-arabischen Delegation unter Führung des Befehlshabers der Ostflotte der Königlich Saudischen Marine, Admiral Fahad Al-Shimrami, bei Fincantieri Marinette Marine statt.

… auch Navantia … und Naval Group

2018 erteilte Riad dem spanischen Schiffbauer Navantia einen Auftrag über 2,1 Milliarden US-Dollar (1,8 Milliarden Euro) für den Bau von fünf Korvetten für die Royal Saudi Naval Forces, die auf dem Entwurf der ‚Avante 2200 Combatant‘ beruhen. Gleichzeitig gründeten Navantia und SAMI (Saudi Arabian Military Industries) das Joint Venture SANNI (SAMI-Navantia Naval Industries). Im Oktober 2019 zeichnete SANNI einen Vertrag in Höhe von 985,5 Millionen US-Dollar (ca. 880 Millionen Euro), um gemeinsam die Integration des Führungs- und Waffeneinsatzsystems in die zukünftigen Korvetten zu realisieren.

Am Rande der IDEX (Februar 2019) wurde ein Memorandum of Understanding zwischen SAMI und der französischen Naval Group gezeichnet. Die Vereinbarung, zu der Details noch ausstehen, sieht den gemeinsamen Bau von Fregatten in Saudi-Arabien vor.

Hans Uwe Mergener