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Bei der International Armoured Vehicles Conference in London hat die neu gebildete Rheinmetall Protection Systems GmbH (RPS) eine optimierte Kombinationslösung zum Schutz vor unterschiedlichen Bedrohungen auf dem heutigen Gefechtsfeld vorgestellt. In RPS sind die Kompetenzen und Kapazitäten auf der gesamten Breite des passiven und aktiven Schutzes, die in verschiedenen Gesellschaften des Konzerns entstanden sind, zusammengefasst worden. RPS agiert als unabhängiges Systemhaus für Schutz am Markt und beliefert neben den internen Schwesterfirmen Rheinmetall Landsysteme (RLS) und Rheinmetall Military Vehicles (RMV) auch zahlreiche externe Systemhersteller (OEM) weltweit.

In der hybriden Schutzlösung sind unter dem Namen Strikeshield passiver Schutz gegen kinetische Geschosse und Splitter gem. der AEP 55 und aktiver Schutz gegen Panzerabwehrhandwaffen gem. der AEP 62 in einem Modul zusammengeführt und in ihrer Wirkung besser aufeinander abgestimmt worden. Insbesondere die Residualeffekte einer Bekämpfung von Panzerabwehrhandwaffen wurden systematisch erfasst und werden bei der Auslegung des passiven Schutzes berücksichtigt. Dies geht deutlich über die heute gültigen Nachweisführungen der AEP 55 hinaus. Damit wird die in den AEP und TL noch bestehende Abgrenzung zwischen passivem und aktivem Schutz aufgebrochen.

„Es ist großartig zu erleben, wie wir etwas Neues schaffen,“ so Stefan Kruselburger, CSO der RPS. „Über Jahre wurden in den Gremien die separaten Standards optimiert. Die notwendige Interaktion Aktivschutz mit Passivschutz in den realen Szenarien wurde aus unserer Sicht dabei nicht ausreichend berücksichtigt. Hier setzen wir mit unserem Komplett-Know-How an und nun kommt es unter dem Dach der RPS zu einem relevanten neuen Schritt in der Schutztechnologie – getreu unserem Motto: wir werden Leben besser schützen.“

Im Bereich des schweren Kampfpanzerschutzes kann der großkalibrige Penetrator eines kinetischen Geschosses aktiv durch Ablenken – und dadurch Verringern der Eindringtiefe – und Zerbrechen bekämpft werden. Die Restenergie und Trümmerstücke muss die passive Grundpanzerung aufnehmen. Dieses Konzept wird einen wirkungsvollen und zuverlässigen Schutz gegen die neusten 125 mm KE-Penetratoren in der klassischen Duellsituation Panzer gegen Panzer insbesondere im Frontbereich bieten. Auch im Fall von Hohlladungswaffen muss die passive Panzerung die Reste des Geschosses aufnehmen. Dies können Reste eines Hohlladungsstachels sein, aber auch die kinetische Energie des noch heranfliegenden Raketenmotors oder hohe Druckspitzen bei Deflagration des Sprengstoffes bzw. Explosion des Treibstoffes einer Lenkwaffe. RPS nutzt diese unterschiedlichen Effekte systematisch zu einer verbesserten Auslegung des hybriden Schutzes und beschreitet damit neue Wege.

Als Abwehrmaßnahme werden Elemente des bekannten abstandsaktiven Schutzsystems ADS von RPS verwendet, bei Bedarf auch mit einem anderen Effektor, der auch gegen KE-Geschosse wirkt. Voraussetzung für die zeitgerechte Auslösung ist eine schnelle und sichere Sensorfusion zwischen Radar und einem E/O-Sensor. Das Radar überwacht dauernd die Umgebung und aktiviert bei erkannter Bedrohung den E/O-Sensor, mit dem die Lage des Geschosses verifiziert und die Wirkung der Gegenmaßnahme exakt ausgerichtet wird. Reaktionszeiten unter einer Millisekunde für die Sensor-/Auswertekombination ermöglichen eine zuverlässige Erkennung der Bedrohung auf kurze Distanz (unter zehn Meter) und deren Vernichtung, ohne Besatzung und Fahrzeug zu gefährden.

In dem hybriden Schutzmodul (gem. Bild) ist der aktive Schutz gegen Hohlladungswaffen in den passiven Zusatzschutz integriert und mit dem ggfs. vorhandenem passiven (Grund-) Schutz abgestimmt. Damit wird das Gesamtsystem gleichzeitig leistungsfähiger sowie leichter und kleiner. Insbesondere die Integration wird deutlich erleichtert, da die Module analog zu passiven Schutzmodulen am Fahrzeug befestigt oder auch wieder abgenommen werden können.

Berücksichtigt man das passive Schutzsystem schon in der Entwurfsphase des Fahrzeugs, können weitere deutliche Gewichtsvorteile für das Gesamtfahrzeug erzielt werden. Die Ausnutzung und Beurteilung dieser Effekte erfordert ein übergreifendes Wissen der Schutztechnologien unter einem Dach, wie der Rheinmetall Protection Systems, um die Synergien freizugeben – letztlich zum Vorteil der geschützten Soldaten.

Als Ergänzung für den Hardkill-Schutz kann das Softkillsystem ROSY (Rapid Obscuring System) genutzt werden. ROSY unterbricht mit einem schnell verschossenen Infrarot-deckendem (IR-covering) Nebelvorhang die Sichtlinie zwischen Gegner und eigenem Fahrzeug. Die Auslösung erfolgt mit dem Hardkill-System und ermöglicht das sichere Ausweichen des beschossenen Fahrzeugs.

Die hybriden Schutzmodule sind u.a. in den USA von Interesse und ein Praxistest wird zeitnah erwartet. Erste Erkenntnisse sind die Bestätigung der einfachen Integration der Module in ein vorhandenes Fahrzeug und die zuverlässige Funktion. Die angelaufenen Versuche und Integrationsuntersuchungen bergen das Potential, eine große Anzahl von Fahrzeugen der US-Streitkräfte mit dem hybriden Schutzsystem Strikeshield auszurüsten.

Gerhard Heiming