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Zwei Auffälligkeiten aus der dem NATO-Außenministertreffen am 20. November 2019 vorgeschalteten Pressekonferenz des NATO Generalsekretärs: Die Nato wappnet sich für Kriege im Weltraum. Und stellt sich China.

Bereits 2018 hatten die Alliierten den Weltraum als „wesentliches Element für Abschreckung und Verteidigung“ identifiziert. Nun soll er als fünfter Einsatzbereich der Allianz anerkannt werden – neben Land, Meer, Luft und Cyber.

Jens Stoltenberg: „Der Weltraum ist für die Verteidigung und Abschreckung der Allianz von wesentlicher Bedeutung. Für Frühwarnung, Kommunikation und Navigation. Rund 2.000 Satelliten umkreisen derzeit die Erde. Etwa die Hälfte gehört den NATO-Ländern. Die Anerkennung des Weltraums als operativer Bereich wird daher ein klares Zeichen dafür sein, dass wir unsere Abschreckung und Verteidigung in allen Bereichen weiter verstärken.“ Der Ansatz der NATO sei jedoch „defensiv und voll im Einklang mit dem Völkerrecht. Die NATO hat nicht die Absicht, Waffen ins All zu bringen.“

China

Die NATO will versuchen, die Auswirkungen von Chinas wirtschaftlichem Aufstieg und seines außenpolitischen Vorgehens auf die Sicherheit der Allianz zu bewerten. „Wir sehen, dass China bald die größte Volkswirtschaft der Welt haben wird. Sie verfügen über den zweitgrößten Verteidigungshaushalt. China investiert massiv in moderne militärische Fähigkeiten, darunter neue fortschrittliche Interkontinentalraketen, Hyperschallwaffen, Gleiter und so weiter. Das sind also natürlich bedeutende militärische Fähigkeiten, die unsere Sicherheit beeinträchtigen.“ Zudem: „China kommt uns näher. Wir sehen es in Afrika, in der Arktis,  China investiert in die Infrastruktur in Europa und auch in Cyberspace“, so der NATO Generalsekretär.

Vorbereitung auf den Londoner Jubiläumsgipfel

Insgesamt steht das Arbeitstreffen der NATO Außenminister im Zeichen des 3. und 4. Dezember. So fehlen die üblichen Verdächtigen auf der Tagesordnung der Außenminister nicht: Bestandsaufnahme der Fortschritte seit dem Brüsseler Gipfel 2018 (u.a. die Readiness-Initiative), der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, die Positionierung gegenüber dem zunehmend destabilisierend empfundenen Russland, die Erörterungen zur Zukunft von Rüstungskontrollabkommen. Beim Thema Lastenteilung wird erwartet, dass der Generalsekretär einen Überblick über die jüngsten Zahlen über die Verteidigungsausgaben gibt. „Wir konstatieren bei den europäischen Verbündeten und Kanada jetzt im fünften Jahr in Folge höhere Verteidigungsausgaben. Mit mehr als 100 Milliarden Dollar, die mehr in die Verteidigung investiert wurden. Das ist ein beispielloser Fortschritt“, stellt Jens Stoltenberg fest.

Der NATO Generalsekretär ließ keines der üblichen Allergene unberücksichtigt. Ohne zum Kern vorzudringen. Beispiel Syrien. „Die Lage in Nordsyrien und im Nordosten Syriens ist nach wie vor prekär und schwierig und äußerst komplex. Aber zumindest ist es insofern ein Schritt nach vorn, dass wir zumindest bisher einen Rückgang der Gewalt verzeichnen konnten. Darauf müssen wir aufbauen, um eine politische Lösung für die Krise in Syrien zu finden.“ Wie diese aussehen könnte, bleibt offen.

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Ebenso wie man mit einem Bündnispartner umgeht, der auf gleich drei Schauplätzen (Nordsyrien und im Seegebiet westlich Zypern sowie durch  extravagante Rüstungsvorhaben) die Solidarität der anderen auf die Probe stellt. Heikel bleibt die Umsetzung einer größeren Verantwortung Europas, für seine Sicherheit selbst einzutreten. Und bei der es sich augenscheinlich zwischen größerer Autonomie (dem Credo aus Paris) und der von der deutschen Verteidigungsministerin beschworenen Formel A2A (‚ability to act‘) zu positionieren gilt. Wobei, wie der Frage eines französischen Journalisten zu entnehmen ist, die Berliner Reaktion auf die Diagnose des französischen Präsidenten dem Nachbarn wohl sauer aufstieß. „Brauchen wir also einige Rücktritte, oder sollten wir die Äußerungen Frankreichs herunterspielen, wie es Deutschland getan hat, indem es Frankreich vorwarf, die NATO sabotieren zu wollen? Ist das die richtige Antwort?“, fragte der Vertreter von Agence France-Presse.

Demgegenüber stellt Jens Stoltenberg klar „Die NATO bleibt der einzige Garant für die europäische und transatlantische Sicherheit. Und es liegt in der Verantwortung von uns allen, unsere Einheit zu bewahren und zu stärken. Um eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung für uns alle zu gewährleisten.“ Und will in der kommenden Woche in Paris vorsprechen. Wohl um Therapiemodelle zu erörtern. Etwa Rückgriff auf Nuklearmedizin – die Konzession der ‚force de frappe‘?

Dabei erscheint Emmanuel Macrons Analyse richtig angesichts der Ohnmacht der europäischen Kräfte. Und in dem ihm zu unterstellenden Motiv deren Stärkung vorantreiben zu wollen. Kritisch zu sehen ist, dass Paris genau dies zur Abspaltung betreiben könnte. Quasi ‚aus Tradition‘.

Und ob die durchaus angebrachte Behandlung des Weltraums und Chinas der NATO die entscheidenden (hirn-)lebenssichernden Impulse verleihen sollen oder können – ist letztendlich nicht die Frage. Vielmehr geht es doch darum, dass in der Abstinenz stimulierender Eingriffe von der anderen Seite des Atlantiks die Europäer in der NATO (wie für sich selbst) die Themen selber einbringen müssen. Einschließlich der Lösungen.

Hans Uwe Mergener