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Die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt führt gegenwärtig die Pistole Glock 46 als neue Dienstpistole ein. Mit deren Konstruktionsprinzip weicht Glock von seiner üblichen Modelllinie ab, erfüllt dadurch aber die Vorgaben der maßgeblichen Technischen Richtlinie der deutschen Polizei.

Die Entscheidung des Innenministeriums zur Beschaffung der Glock 46 fiel im Januar 2019. Sie löst die noch im Dienst befindliche SIG Sauer P6 ab. Der österreichische Hersteller erhielt im Zuge eines Vergabeverfahrens den Zuschlag zur Ausstattung der zukünftig knapp 6.400 Polizeibeamtinnen und -beamten mit der neuen Waffe.blank

Hintergründe für die Beschaffung

Die Erneuerung der Dienstpistolen in Sachsen-Anhalt geschah nicht nur wegen der veralteten Technik und dem damit verbundenen hohen logistischen Aufwand zur Instandhaltung. Auch die Weiterentwicklungen im technologischen und im taktischen Bereich sowie die keineswegs nur abstrakte terroristische Gefahrenlage machten eine Anpassung der Ausrüstung und einen Wechsel der Bewaffnung erforderlich. An dem Testverfahren waren knapp 100 Experten aus dem Innenministerium und dem nachgeordneten Geschäftsbereich der Landespolizei beteiligt. Besonderer Wert wurde bei der Auswahlentscheidung auf eine hohe Magazinkapazität, ein möglichst geringes Gewicht, eine einfache und sichere Bedienung sowie ein auf die jeweilige Handgröße des einzelnen Polizeibeamten flexibel anpassbares Griffstück gelegt.

Die in ihre Hauptbaugruppen zerlegte Glock 46 (Foto: Glock)

Dienstpistole mit Drehlaufverschluss

Von ihrer Größe her erinnert die Glock 46 zunächst an eine Glock 19 Generation 5. Wie auch diese ist sie für die im deutschen Polizeigebrauch übliche Munition des Kalibers 9 mm x 19 eingerichtet, verfügt über die neue nDLC-Beschichtung (Diamond like Carbon) und lässt sich durch austauschbare Griffrücken an unterschiedliche Handgrößen anpassen. Ebenso lässt sich der Magazinhalter auf die andere Waffenseite umstecken. Das Magazin fasst 15 Patronen und verfügt über einen gut sichtbaren orangefarbenen Zubringer. Und doch gibt es auf den ersten Blick Unterschiede festzustellen. So fallen bei der Glock 46 der lang nach hinten gezogene Griffsporn, die zusätzlichen Handhabungsrillen vorne am Verschluss sowie eine drehbare Deckplatte hinten am Verschluss auf. Zudem sitzt am Griffstück hinter dem beidseitig bedienbaren Verschlussfanghebel auf der linken Waffenseite ein weiterer Hebel, nämlich der Zerlegehebel. Und auch der relativ schlanke und rotierende Lauf im Auswurffenster fällt auf.

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(Foto: Glock)

Im Gegensatz zum sonst üblichen millionenfach bewährten Glock-Standard mit dem Browning-Petter-SIG-System und abkippendem Lauf verfügt die Glock 46 über einen Drehlaufverschluss. Dieser verriegelt über vier Verriegelungskämme seitlich im Verschluss. Diese Konstruktion – bei der Glock 46 von Friedrich Dechant entwickelt und patentiert – bietet eine tiefe Laufseelenachse, was sich unter anderem der Präzision zuträglich zeigt. Auch der Verschleiß soll sich so in Grenzen halten, wozu auch die firmenseitige Optimierung von Verriegelungsfläche und Verschlussmaterial beitragen sollen. Nach Angaben von Glock absolvierten drei Testwaffen bei der Zertifizierung jeweils 10.000 Schuss höher geladener Behördenmunition. Dabei traten insgesamt nur fünf Störungen und sonst keinerlei Auffälligkeiten wie Verschleiß oder gar Risse auf.

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Glock 46 (unten) im Vergleich zur Glock 19 Gen 5 (Foto: Glock)

Trotz des unterschiedlichen Konstruktionsprinzips folgt die Glock 46 einer wichtigen Philosophie des Unternehmens: Sie kommt mit möglichst wenigen Einzelteilen aus. 37 sind es bei diesem Modell, eine vergleichbare Glock 19 Gen 5 braucht nur drei weniger.

Dechants Drehlaufverschluss bietet darüber hinaus auch die Voraussetzung dafür, dass sich die Glock 46 anders als die anderen Pistolenmodelle der Deutsch-Wagramer ohne Betätigung des Abzugs entspannen lässt, um sie beispielsweise zur Wartung zu zerlegen. Damit wiederum erfüllt die Glock 46 eine zentrale Vorgabe der Technischen Richtlinie „Pistole“ des polizeitechnischen Instituts der Hochschule der deutschen Polizei.

Verschluss der Glock 46 (unten) um Vergleich zur Glock 19 Gen 5. Deutlich sind die vier seitlichen Verriegelungskämme und die nach hinten herausgetretene Schlagbolzeneinheit zu erkennen (Foto: Jan-P. Weisswange)

Während sich Ladetätigkeiten und Handhabung nicht vom Glock-Standard unterscheiden, weicht der Zerlegevorgang des Modells 46 davon ab. Dennoch erweist er sich als relativ einfach: Magazin entnehmen, Sicherheitsüberprüfung durchführen und Verschluss in offener Stellung hinten arretieren. Dann die Deckplatte hinten am Verschluss an der Handhabe im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag drehen. Nun tritt die Deckplatte mit der Schlagbolzeneinheit rund vier Millimeter hinten aus dem Verschluss heraus, bleibt aber unverlierbar mit ihm verbunden. Jetzt den Zerlegehebel nach unten drücken, den Verschlussfang lösen und den Verschluss bis zu einem spürbaren Anschlag kontrolliert nach vorne gleiten lassen. Der Verschluss lässt sich dann seitlich vom Griffstück abkippen. Die Schließfeder dann wie gewohnt herausheben. Abschließend noch den Lauf an der Steuernocke drehen, bis die Verriegelungskämme aus den Schlitzen treten. Dann lässt er sich bis zum Anschlag nach vorne führen und aus dem Verschluss nehmen. Die Waffe ist zerlegt.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Glock-Pistolen in Streit- und Sicherheitskräften weltweit (auch in Deutschland) in Nutzung sind und sich dort niemand daran stört, die Waffe nach Sicherheitsüberprüfung durch Betätigen des Abzugs zu entspannen. Aber die Technische Richtlinie ist nun einmal für polizeiliche Beschaffungen in Deutschland maßgeblich.

Auf dem Schießstand

ES&T schoss die Glock 46 auf einem überdachten Schießstand – klassisch auf 25 Meter Präzision sowie schnellere Serien auf kürzere Distanzen – beispielsweise Dot-Drills. Einige Serien erfolgten auch nach Ziehen aus der geholsterten Waffe, wobei hier der neue Blackhawk T-Holster Level 3 zum Einsatz kam.

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Ergebnis auf 25 Meter Präzision (Foto: Jan-P. Weisswange)

Die Waffe ließ sich Glock-typisch gut handhaben und lag gut in der Hand. Über die Metallvisierung mit den drei nachtleuchtenden Punkten ließen sich die Ziele gut aufnehmen. Der TR-Abzug erwies sich trotz seines höheren Abzugsgewichtes und längeren Abzugsweges nach etwas Gewöhnung als relativ angenehm, und der Trigger-Reset funktionierte einwandfrei. Glock könnte die Waffe freilich auch mit einem normalen Abzug ausliefern.

Die Glock 46 lag subjektiv gesehen etwas ruhiger im Schuss als eine vergleichbare Glock 19 oder P6. Das äußerte sich in schnellen und präzisen Trefferbildern. Auf 25 Meter Distanz ließ sich das Schwarze des DSB-Spiegels halten, ein ordentliches Ergebnis für eine Kompaktpistole! Ein ähnlich gutes Trefferbild erreichte der Schütze auch mit einer P6, wobei hier nur der erste Schuss über den Spannabzug und die übrigen dann mit vorgespanntem Abzug erfolgten. Bei der Glock hingegen blieb die Abzugscharakteristik des Safe-Action-Abzugs wie erwartet immer gleich.

Ausblick

Die Umstellung auf das neue Dienstpistolenmodell Glock 46 in Sachsen-Anhalt soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein. Die Polizeianwärterinnen und -anwärter der Fachhochschule Polizei gehörten zu den ersten, welche mit der neuen Waffe ausgestattet wurden. Die Spezialeinheiten sind von den Neubeschaffungen ausgenommen, da deren Waffenausstattung mit den Modellen G17 und G26 (Gen 3 und Gen 4) auf einem modernen Stand ist. Neben dem Kauf von rund 8.600 neuen Dienstpistolen und Zubehör, darunter auch Reserve- und Trainingswaffen sowie Modelle für die Aus- und Fortbildung, gibt es eine Reihe weiterer Projektkosten, etwa für die erforderliche Umrüstung der polizeieigenen Waffenwerkstatt. Die Gesamtkosten betragen ca. 8,6 Millionen Euro.

Sachsen-Anhalt ist bundesweit das erste Land, welches eine Waffe des österreichischen Herstellers als querschnittliche Standard-Kurzwaffe einführt. Bei polizeilichen Spezialeinheiten des Bundes und der Länder und auch bei der Bundeswehr ist Glock hingegen mit verschiedenen Versionen der Modelle 17, 19 und 26 bereits seit vielen Jahren in Nutzung.

Autor: Dr. Jan-Phillip Weisswange ist Referent Öffentlichkeitsarbeit in der wehrtechnischen Industrie. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.