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Christlicher Nationalismus und expansiver Panslawismus

Die Slawenapostel Kyrill und Method brachten im 9. Jahrhundert den slawischen Völkern den christlichen Glauben. Beide schufen die erste Schrift für die alt-
slawische Sprache und übersetzten das Alte und das Neue Testament in die kyrillische Schrift. Dadurch haben Kyrill und Method großen identitätsstiftenden Einfluss auf die kulturelle Entwicklung der Slawen in über tausend Jahren gewonnen. Ihr großes, geschichtliches Verdienst besteht darin, dass sie die große ethnische Zersplitterung der Slawen überwanden. Nach dem großen Schisma von 1054 bildete die christliche Religion die politische Klammer, die die osteuropäischen Gesellschaften und Volksgruppen zusammenhielt.

Die Durchsetzung der neuen Staatssymbolik mit dem Doppeladler aus der Zarenzeit und umfassende Maßnahmen zu ihrer Popularisierung sind Teil der symbolischen Politik Putins, die auf die Stärkung des Patriotismus und auf die Inszenierung eines starken Staates abzielt. (Grafik: mawibo-media)

So wie den Spaniern, Portugiesen oder Briten ein religiös angehauchter Nationalismus in der Neuzeit eigen war, so beanspruchte auch der Panslawismus seit dem 17. Jahrhundert einen christlich geprägten Nationalismus als sinn- und identitätsstiftend für sich. Damit einher ging eine starke europäische Affinität, wie es die zahlreichen, vor allem deutschen Heiraten mit dem russischen Zarenhaus belegen. Dadurch gelangten im 19. Jahrhundert die Einflüsse der Französischen Revolution nach Russland. Die Leibeigenschaft und das russische Feudalsystem wurden infrage gestellt. Die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche wurde kritischer gesehen, wie dies die petrinische Reform von 1700 bereits andeutete. Vor allem kam Kritik auf, dass die wohlhabende Kirche Russlands sich nicht sozial engagierte, insbesondere bei den regelmäßig auftretenden Hungersnöten in Stadt und Land. In dieser Phase sind zwei Dimensionen prägend für die panslawistischen Bestrebungen: der russische Nationalismus und eine kulturell und religiös verbrämte, einheitsstiftende Romantik.

Im Ergebnis forderte der Panslawismus im Laufe des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine stärkere demokratische Beteiligung des Volkes, die sich jedoch nie im russischen Volk verfestigen konnte. Ursächlich hierfür ist, dass jahrhundertelang Autokraten Russland beherrschten – brutale Diktatoren wie Iwan der Schreckliche oder Stalin. Eine in der Breite des russischen Volkes verankerte Demokratievorstellung hatte sich über die Jahrhunderte in Russland nicht entwickelt. Das demokratische Ideengut, das sich im Panslawismus herausgebildet hat, entsprang vielmehr einer kleinen bildungsorientierten Mittel- und Oberschicht. Diese Entwicklungen sind bedeutend, weil Russland spätestens seit dem Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) ein wichtiger Faktor im europäischen Kräftegleichgewicht ist und eine zunehmende Wechselwirkung zwischen Ereignissen in Russland und dem restlichen Europa entsteht.

Russlands einzigartige, geopolitische Rolle

Henry Kissinger bemerkte, dass Russland seit dem 18. Jahrhundert eine einzigartige Rolle in den internationalen Beziehungen spielt: „Es fungiert als ein Teil der Machtbalance in Europa ebenso wie in Asien. Es trug aber nur unregelmäßig zum jeweiligen Gleichgewicht in der internationalen Ordnung bei.“ Aspekte wie die schiere Größe Russlands – samt den Staaten an seiner Peripherie – und die daraus resultierende Bevölkerungszahl erscheinen hierbei ebenso bedeutend wie auch ideologisch-politische Aspekte. So ist es durchaus möglich, im Sinne Lenins von der avantgardistischen Funktion Russlands in verschiedenen historischen Zeitabschnitten zu reden: als Schutzherr des orthodoxen Christentums in der Zarenzeit, als Kernstaat des real-existierenden Sozialismus nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und seit dem Beginn der Ära Putin als eine politisch-autoritäre Alternative auf dem internationalen Parkett zwischen dem Westen und China.

Russland machte seit dem Wiener Kongress immer auch auf einer religiösen Ebene durch den Führungsanspruch der russisch-orthodoxen Kirche seinen Machtanspruch in Südosteuropa erkennbar. (Foto: Kreml)

In der Geschichte Russlands erleben wir, dass sich immer wieder Autokraten als Herrscher durchsetzen konnten und die Bevölkerung die Ausübung demokratischer Beteiligung bis in die Gegenwart kaum gewohnt ist. Wladimir Putin steht in einer langen Reihe von russischen Autokraten. Einen wichtigen Faktor in Russlands Außenpolitik stellt die Selbstwahrnehmung der Russen dar, deren Geschichte von Nationalismus und wachsendem Territorialanspruch geprägt ist, beides Bedürfnisse, die der letzte Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Michail Gorbatschow und der spätere russische Präsident Boris Jelzin sträflich vernachlässigten. Bestes Beispiel hierfür ist die Krim, die nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes an die Ukraine fiel, aber seit dem 17. Jahrhundert zum russischen Kaiserreich gehört hatte. Entsprechend groß war die Unterstützung der russischen Bevölkerung für Putin, als dieser quasi in einer verdeckten Aktion der russischen Streitkräfte sich die Krim wieder zurückholte.

Die Stabilität des aktuellen russischen Regimes wurzelt in einer politischen Krise, die nahezu die vollständige Auflösung der Sowjetunion in den 1990er Jahren zur Folge hatte. Eine der wohl wichtigsten politischen Konstanten stellt in diesem Kontext die Person Putin dar. In vielerlei Hinsicht sind unter Putin geostrategische und staatsnationalistische Überlegungen politisch bedeutsam. So brüstet sich Putin, ehemals Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB, seit 1999 mehrfacher Minister- und Staatspräsident, de facto Alleinherrscher, seit seinem Einzug in die Politik ebenso mit der christlich-orthodoxen Tradition des Zarentums wie auch mit dem sowjetischen Erbe des Landes. Genauso macht sich Putin stark für seit jeher bestehende expansive Ambitionen Russlands, insbesondere in Konfliktregionen wie dem Donbass, dem Kaukasus und dem Mittleren Osten.

Die Mehrheit der Russen befürwortet die nationalistische, teilweise offensive Außenpolitik Putins. So gelingt es dem gebürtigen Sankt Petersburger, seit 2000 bei den Präsidentschaftswahlen stets die absolute Mehrheit zu erlangen, zuletzt erhielt er 2018 sogar knapp 77 Prozent der abgegebenen Stimmen. Organisation, Durchführung und Auszählung der Wahlen in Russland entsprechen gegenwärtig nicht westlichen Demokratiestandarts. Demonstrationen in Moskau deuten darauf hin, dass sich die jüngere Generation Russlands das aber nicht dauerhaft gefallen lassen wird. Bei einem Blick auf dessen politische Karriere kommt man daher nicht umhin, an ein altes russisches Sprichwort zu denken, das lautet:  (sinngemäß: Mit der Zeit kommt auch die Liebe). Wie groß diese Liebe des russischen Volkes zu Putin ist, ist eine politische Frage, der sich die quantitative Umfrageforschung zu widmen hätte, die in Russland jedoch kaum zum Tragen kommt.

Geostrategische Interessen

Bei einem Blick in die Geschichte der Außenpolitik Russlands lassen sich zwei Dispositive erkennen, die bis heute wirkungsmächtig erscheinen: ein Großmachtanspruch und die Angst vor einer Isolierung des Reiches. So strebte bereits das zaristische Russland einerseits eine Anerkennung durch die europäischen Großmächte als gleichwertigen politischen Akteur an, während es andererseits versucht, durch die direkte Kontrolle über die Krim, die indirekte Kontrolle über den Balkan und einem Zugang an das Mittelmeer einer geostrategischen Isolation des Landes entgegenzuwirken.

Bereits im 18. Jahrhundert sichert sich das Reich unter Katharina der Großen über die Eroberung der Krim die russische Hegemonie über das Schwarze Meer. Parallel dazu gelingt auf einer ideologisch-religiösen Ebene nach dem Sieg im russisch-türkischen Krieg 1768 bis 1774 die Herstellung einer russischen Vormachtstellung in der orthodoxen Christenheit. Die Garantie über Durchfahrtsrechte an den Meeresengen des Bosporus und den Dardanellen kann im darauffolgenden Jahrhundert – spätestens auf dem Wiener Kongress 1814 – auch gegenüber den anderen europäischen Mächten durchgesetzt und somit eine mögliche Isolation Russlands verhindert werden. Russland macht nun über seine strategischen Zugangsmöglichkeiten, aber auch auf einer religiösen Ebene durch den Führungsanspruch der russisch-orthodoxen Kirche seinen Machtanspruch in Südosteuropa erkenntlich und steckt seine Einflusssphären ab, die später den Ostblock definieren werden.

Die russische Revolution unter der Federführung Lenins 1917 stellt eine kurze Unterbrechung der außenpolitischen Ambitionen Russlands dar. Noch vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen den Bolschewiki und der Weißen Armee ist Lenin überzeugt, dass die Weltrevolution kurz bevorstünde. Als spätestens 1918 klar wird, dass diese ausbleiben wird, macht sich die sowjetische Führung daran, den sozialistischen Einheitsstaat aufzubauen. Im Anschluss an den großen Terror der 1920er Jahre beginnen unter Stalin dann die Bestrebungen, die territorialen Verluste des Friedens von Brest-Litowsk zu revidieren. Hieraus resultiert nicht nur die spätere Aufteilung Polens, sondern eine massive Deportationspolitik in der kleinen Rus (nördliche Ukraine) und der Kaukasusregion. Mit dem Sieg über Hitlerdeutschland wird die politische Einflussnahme über den restlichen Ostblock ausgebreitet. Die Schließung des Eisernen Vorhangs ist in diesem Sinne eine konsequente Weiterverfolgung der zaristischen, geostrategischen Bestrebungen in dieser Region.

Im Zuge des Kalten Krieges und der damit einhergehenden bipolaren Weltordnung stellt Europa nur noch einen Nebenschauplatz des russischen Machtstrebens dar. Der Sozialismus ermöglicht politische Zugangsmöglichkeiten, die geopolitisch weiter reichen als das orthodoxe, vor allem auf Europa bezogene Christentum: So findet das sowjetische Modell Nachahmer in Asien, Afrika und Lateinamerika. Ab den 1920er Jahren unterstützten die Bolschewiki direkte und indirekte, finanzielle und militärische Interventionen sozialistischer Bewegungen rund um den Globus. Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus 1991 und die darauffolgenden Bestrebungen einer liberalen Demokratisierung der ehemaligen Sowjetunion bedeuten nicht nur einen wirtschaftlichen Totaleinbruch, sondern führen zu einer Sezession des Flächenstaates und dem Ende der russischen Großmachtambitionen.

So verwundert es nicht, dass ein Großteil der durch Huntington beschriebenen Fault-Line-Wars ab Mitte der 1990er Jahre auf ehemals sowjetischem Territorium bzw. dem ehemals sowjetischen Einflussgebiet stattfinden. Insbesondere die Niederlage der Russen im ersten Tschetschenienkrieg 1994 bis 1996 legt offen, dass die ehemalige Supermacht militärisch kaum noch handlungsfähig ist. Mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges und den sich anbahnenden weiteren Gebietsverlusten im Kaukasus findet in Moskau ein radikales Umdenken statt. 1999 wird Putin durch Staatspräsident Jelzin zum Ministerpräsidenten des Landes ernannt. Rückblickend steht außer Frage, dass die Ernennung Putins einem internen Putsch gegen Jelzin gleichkommt. Als erste Amtshandlung intervenierte Putin mit voller militärischer Wucht im Nordkaukasus. Hiermit macht Putin einen ersten Aufschlag für den anstehenden Paradigmenwechsel in der russischen Innen- und Außenpolitik.

Autokratische russische Außenpolitik in der Ära Putin

Anfang der 2000er Jahre kommt es zu einem strukturellen Wandel der russischen Außenpolitik unter Putin. Dr. Dmitrij Trenin, Direktor des Carnegie Moscow Centers, bezeichnet diesen als eine Umorientierung von einer West- hin zu einer Weltpolitik. So gibt es in den 1990er Jahren noch verschiedene Bestrebungen unter Gorbatschow und Jelzin, eine Westintegration Russlands, inklusive Beitritt in die NATO, zu erreichen. Das Desinteresse Brüssels und Washingtons gegenüber den Anfragen – insbesondere Jelzins – hatte nicht nur einen Gesichtsverlust der ehemaligen Supermacht, sondern auch einen sensiblen Machtverlust in der traditionell russischen Machtsphäre zur Folge.

Mit dem Bau der Krimbrücke bei Kertsch soll die Anbindung der Krim zementiert werden. Präsident Putin bei der Einweihung im Mai 2018. (Foto: MoD Russia)

Mit dem Antritt Putins ändert sich diese Haltung. Entgegen einer Orientierung an westlichen Kontexten strebt Putin bereits frühzeitig eine Partnerschaft auf Augenhöhe an. In diesem Sinne gilt es zunächst, den Einfluss Russlands in den Staaten des Ostblocks geltend zu machen. Insbesondere die frühen 2000er Jahre sind daher geprägt von einer Intensivierung der Beziehungen zu Staaten des postsowjetischen Raums. In dieser Phase kann man von einer Re-
etablierung des ehemals zaristischen und sowjetischen außenpolitischen Paradigmas sprechen, wonach Russland strategisch auf sich allein gestellt ist und seine Kraft aus sich selbst schöpfen muss. Kleinere Staaten sollen in die eigene Einflusssphäre eingefügt werden, um seine Vormachtstellung gegenüber gegnerischen Akteuren behaupten zu können.

Diese Haltung verschärfte sich erstmals, als das russische Militär 2008 in den Kaukasus eingreift. Dies führte zu einer Distanzierung gegenüber dem Westen. Der Reboot einer Einflusspolitik à la Breschnew beinhaltet auch die Herstellung neuer Kontakte zu Staaten mit strategischer Bedeutung im Nahen Osten, wie dem Iran und Syrien, die neben logistischer auch militärische Unterstützung durch Moskau erhalten. In diesem Sinne reagiert Russland scharf auf die Intervention der Koalition der Willigen im Irak 2003. Auf einer diskursiven Ebene ist Russland in dieser Zeit ein stiller Profiteur von Narrativen in der islamischen Welt, wonach die USA einen Aggressor darstellen. Russland kann sich als Alternative zum Westen profilieren. Spätestens mit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings und den darauffolgenden kriegerischen Konflikten in der Region kann sich Moskau als indirekter Partner der alten Regime (z.B. Libyen), aber auch als Schutzmacht wie im Falle Syriens etablieren. Wie heute an den Friedenskonferenzen für Syrien deutlich wird, spiegelt Moskau seine Bedeutung in der Region auch diplomatisch wider. Neben dem Iran und der Türkei stellt Russland einen der wichtigsten Akteure in der Levante dar und verdrängt mehr und mehr die Rolle westlicher Akteure wie den USA oder der EU.

Beim S-400-Raketendeal geht es Moskau darum, strategische Partner des Westens für sich zu gewinnen bzw. die russischen Einflussmöglichkeiten im Einflussbereich der NATO deutlich zu machen. (Foto: Kreml)

Beziehungen zur NATO und dem Westen

Während Putin in der Innenpolitik einen Ideologiehybrid von russischem Nationalismus, christlich-orthodoxem Verantwortungsbewusstsein und sowjetischem Erbe propagiert, wird die Außenpolitik von knallharten, realpolitischen Vorstellungen dominiert. Einem Schachspiel gleich wird hierbei in gefährlicher Weise versucht, Spannung gegenüber zentralen Feldern aufzubauen und anzugreifen, wenn Schwächen in der Verteidigung des Gegners entdeckt werden. Sinnbild hierfür ist das Vorgehen Putins auf der Krim und im Nahen Osten. Es ist zu erkennen, dass Ambitionen bestehen, strategische Partner des Westens für sich zu gewinnen bzw. die russischen Einflussmöglichkeiten im Einflussbereich der NATO deutlich zu machen.

Aktuelles Beispiel hierfür ist der S-400-Raketendeal zwischen Ankara und Moskau. Umso erstaunlicher erscheint dieses Beispiel, wenn man sich vor Augen führt, dass die Türkei noch 2015 einen russischen Kampfjet abschoss, was nahezu einen völligen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Folge hatte. Die Eiszeit zwischen beiden Staaten endete in dem Moment abrupt, als sich zunehmende Spannungen zwischen Ankara und dem Westen abzeichneten. Das hieraus entstandene politische Fenster der Gelegenheit wurde von Moskau offensiv genutzt. Das führte zu einer Wiederbelebung der russisch-türkischen Beziehungen und zu einer Distanzierung beider Staaten gegenüber dem Westen.

Das Selbstbild Russlands als Alternative zu den USA und zur NATO ist ein Modell, das in den vergangenen Jahren immer stärker ans Tageslicht tritt. Der Mueller-Report und Spekulationen darüber, dass ein russischer Einfluss bis nach Washington reicht, verdeutlicht ein weiteres Mal, dass Putins Kalkül einer indirekten Erzeugung von Spannungen zumindest in der medialen Reproduktion durchaus fruchtbar erscheint.

Ebenso dürfte klar sein, dass diese Politik Russlands im Westen wahrgenommen und reflektiert wird. So fanden in den vergangenen Jahren mehrere NATO-Übungsmanöver in Osteuropa und dem Baltikum statt. Das aktuellste Beispiel hierfür ist die NATO-Übung „Noble Jump“, die seit 2015 regelmäßig durchgeführt wird, zuletzt im Mai/Juni 2019 in Polen. Hierbei wurde die rasche Reaktions- und Verlegungsfähigkeit der sogenannten NATO-Speerspitze trainiert.

Russland hat mit dem Fehlen demokratischer Kontrollmechanismen in operativer Hinsicht einen großen Vorteil gegenüber der NATO. Das dürfte verantwortlich für die außen- und sicherheitspolitische Agilität Russlands in den vergangenen Jahren sein.

Fazit

Die russische Außenpolitik hat unter Putin heute eine ähnliche Dynamik wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Dies sollte aber nicht missverstanden werden. Es ist nicht von einer Wiederkehr einer Ost-West-Konfrontation die Rede. Vielmehr ist zu erkennen, dass das Spiel mit der Möglichkeit einer Konfrontation zum Teil der gegenseitigen Wahrnehmung geworden ist. So sind die Ambitionen Russlands im Nahen Osten und gegenüber NATO-Verbündeten Teil einer harschen Diplomatie im realpolitischen Sinn. In Russland selbst befriedigt eben diese Außenpolitik weite Teile der Bevölkerung und ist mitverantwortlich für das Vertrauen gegenüber dem starken Mann Putin, unter dem der Zusammenbruch und Ausverkauf der 1990er Jahre überwunden zu sein scheint. Während die Selbstdarstellung in der Wiederkehr zaristischer und sowjetischer Großmachtansprüche und ein überzogener Nationalismus in Russland selbst großen Zuspruch finden, dürfte auf der Ebene der internationalen Politik die eigentliche Herausforderung für Putin darin bestehen, den politischen Bogen gegenüber dem Westen nicht zu überspannen.

Autoren: Prof. Dr. Andreas M. Rauch ist Mitglied im NRW Landesprüfungsausschuss an der Universität Duisburg-Essen; Seçkin Söylemez B.A., M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Theorie und Lehrbeauftragter der Universität Duisburg-Essen.