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Wer ein neues Amt antritt, muss die Chance bekommen, sich in diesem Amt bewähren zu können. Dies gilt auch für die neue Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer. So weit – so gut.

Was um alles in der Welt hat Bundeskanzlerin Merkel bewogen, diese Personalie so zu entscheiden? Und was um alles in der Welt hat Frau Kramp-Karrenbauer bewogen, das auch zu machen?

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Rolf Clement ist Chefredakteur der Europäischen Sicherheit & Technik

Annegret Kramp-Karrenbauer hat nun zwei Fulltime-Jobs: Jeder Verteidigungsminister, der über seine Amtsführung spricht, erzählt davon, dass das ein 16-Stunden-Job sei. Die Bundeswehr ist in einer schwierigen Phase. Nur einige Beispiele: Die Finanzzusagen an die NATO sind nach der jüngsten Finanzplanung des sozialdemokratischen Finanzministers Scholz ebenso wenig einzuhalten wie die Entwicklung der Ausrüstung der Bundeswehr. Dort hakt es an allen Ecken und Enden. In der August-Ausgabe der Europäischen Sicherheit und Technik analysieren wir, dass die als Ziel vorgegebene Vollausstattung der Brigade für die NATO-Speerspitze 2023 nicht mehr erreichbar ist. Da muss jemand massiv eingreifen. Die internationalen Herausforderungen für Deutschland sind immens. In der Bundeswehr muss das Vertrauen der Basis in die Führung neu aufgebaut werden. Der enge Terminplan des Generalinspekteurs zeigt: Das braucht Einsatz, den auch die Ministerin zeigen muss, gerade jetzt, da die bisherige Ministerin weg ist. Da bleibt wenig Zeit für einen Nebenjob im Konrad-Adenauer-Haus.

Als CDU-Vorsitzende muss sie die Partei neu aufstellen, sie muss sie fit machen für eine mögliche Bundestagswahl, und sie muss dies machen mit einem Generalsekretär, der – jedenfalls für Beobachter – ihr die Probleme nicht gerade abnimmt. Sie muss sich als CDU-Vorsitzende mit Themen beschäftigen, die als Verteidigungsministerin nachrangig sind: Klimapolitik, Stadt-Land-Gefälle, Pflegenotstand, Bildungspolitik – alles Themen, die die CDU für wichtig erklärt. Da muss die Union zu einer gemeinsamen Programmatik zusammengeführt werden. Ob da noch Zeit bleibt für einen Nebenjob im Bendler-Block?

In der Sicherheitspolitik ist sie nicht zu Hause, der Vorschlag, einen europäischen Flugzeugträger mit den Briten und den Franzosen zusammen zu bauen, war ein solcher Fehlgriff, u.a. weil Frankreich und Großbritannien gerade jeder einen bauen oder gebaut haben. Es reicht nicht aus, einige Zeit Innenminister im Saarland gewesen zu sein, besserer Polizeichef eines größeren Landkreises, um dann die Sicherheitspolitik eines der wichtigsten Länder in der NATO zu gestalten.

Und: Sie sollte als Parteivorsitzende gerade frei sein für die Auseinandersetzung mit den anderen Parteien, auch der SPD. Nun ist sie in die Koalitionsdisziplin eingebunden – ohne die Richtlinienkompetenz einer Kanzlerin. Sie muss also zurückhaltender agieren.

Es ist immer wieder dasselbe: In der Raumstation Berlin wird in anderen Kategorien gedacht als es für die „Menschen draußen im Lande“, wie Helmut Kohl das immer verräterisch formuliert hat, wichtig wäre. Es darf kein Motiv sein, eine Parteivorsitzende, die ins Straucheln geraten ist, durch eine Ministeramt „aufzuwerten“. Es darf kein Motiv sein, sie so für die Nach-Merkel-Ära in Position schieben zu wollen – wobei, ganz nebenbei: Noch nie ist es jemandem gelungen, aus dem Verteidigungsministerium ins Kanzleramt umzuziehen. Dafür ist dieses Ministeramt zu affärenanfällig.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Was die beiden Frauen an der Spitze von Union und Regierung veranlasst hat, diesen Weg zu gehen, ist schwer zu verstehen. Es birgt ein hohes Risiko, dass vor allem Kramp-Karrenbauer in beiden Ämter nicht den Erfolg erarbeiten kann, den man in beiden Ämtern brauchen würde. Aber: Jede soll ihre Chance haben. Warten wir ab, wie die neue Verteidigungsministerin einschlägt.

Rolf Clement