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Arquus hat das Aufklärungs- und Erkundungsfahrzeug Scarabée bei der Paris Airshow zum ersten Mal öffentlich präsentiert. Auf der Eurosatory 2018 hatte Arquus einem kleinen Kreis erstmals Einblicke in die Neuentwicklung Scarabee gewährt. Nach einem Jahr intensiver Entwicklungsarbeit konnten Journalisten das Ergebnis vorab kennenlernen, welches Arquus mit eigenen Mitteln entwickelt hat.

Basis waren Fahrzeuge wie das VBL (Véhicule Blindé Léger, leichtes Panzerfahrzeug), das mit über 2.000 Einheiten vor allem in Frankreich verbreitet ist, oder das Konzeptfahrzeug Crab. Zu den wichtigen Entwicklungszielen gehört der Schutz vor Aufklärung, der u.a. zu einer niedrigen Silhouette (1,90 m Höhe) führte und zur Auswahl des Hybridantriebs beitrug.

Das leichte, gepanzerte 4×4 Fahrzeug verfügt über einen Hybridantrieb mit thermischem und elektrischem Motor. Ein 3-Liter-Dieselmotor mit 220 kW Leistung ist über ein Verteilgetriebe mit einem 75-kW- Elektromotor verbunden. Der Antrieb kann in vier Modi betrieben werden: Dieselmotor für Vortrieb und Generatorantrieb, Elektromotor unterstützt Dieselmotor beim Vortrieb (Boost), Alleinantrieb durch Elektromotor (Schleichfahrt), Dieselmotor nur Generatorantrieb. Der Stealth-Modus (Schleichfahrt) ermöglicht eine taktische Annäherung ohne thermische oder akustische Signatur oder lange „Silent Watch“ (Beobachtungshalte) mit allen Systemen. Ein Antriebsmanagementsystem ermöglicht die Vorauswahl für möglichst sparsame Fahrt, für höchste Reichweite, für maximale Beweglichkeit und für Geländefahrt.

Die Reichweite mit Dieselmotor wird mit bis zu 1.000 km angegeben. Mit Elektromotor ist nach zehn km Schluss. Aus Gewichtsgründen konnten nur zwei Batterien untergebracht werden, die nicht mehr Energie speichern können. Allerdings bleibt das Fahrzeug wegen Strommangels nicht liegen, weil jederzeit der Dieselmotor zugeschaltet werden kann.

Bei einem Leergewicht von sechs Tonnen stehen zwei Tonnen für Nutzlast zur Verfügung. Im Boost-Modus ist der Scarabee mit knapp 37 kW/Tonne gut motorisiert. Das Sprintvermögen wird durch das hohe Drehmoment des Elektromotors bei niedriger Drehzahl positiv beeinflusst. Auf der Straße kann der Scarabee bis zu 120 km/h schnell fahren.

Ein für das Fahrzeug entwickelter Anhänger kann weitere vier Tonnen tragen. Der Anhänger verfügt über einen eigenen elektrischen Antrieb, der aus einer Batterie an Bord gespeist wird. Damit kann der Anhänger als unbemanntes Landfahrzeug für logistische Aufgaben (Multifunctional Utility/Logistics and Equipment, MULE) eingesetzt werden. Über Wegprogrammierung kann der elektrifizierte Anhänger unabhängig vom Scarabée logistische Güter transportieren. Als Adressat können auch die Besatzungen anderer Scarabées dienen, die im Nahbereich die Steuerung des Anhängers übernehmen können.

Das Fahrwerk lässt die Einstellung der Bodenfreiheit (und damit der Fahrzeughöhe) zu, zwischen 40 cm und 50 cm (Fahrzeughöhe 1,90 m bzw. 2,00 m). Die Räder an beiden Achsen können gelenkt werden. Bei gegenläufigem Einlenken liegt der Wendekreis des Fahrzeugs mit einem Radstand von rund vier Metern unter fünf Meter. Bei gleichsinnigem Einlenken kann das Fahrzeug schräg verschoben werden (Krebsgang) und aus engen Lücken „ausparken“. Fernbediente Schiebetüren ermöglichen den Zugang zum und das Absitzen vom Fahrzeug auch in beengten Verhältnissen. Die Fahrt mit offenen Türen ist möglich. Die verbauten 7-Tonnen-Achsen bieten Aufwuchspotenzial.

Der in der Mitte positionierte Fahrer hat einen 270-Grad-Blick ins Gelände. Rechts bzw. links hinter ihm sind Kommandant und ein weiter Soldat untergebracht. Ein vierter Sitz ermöglicht den Transport einer weiteren Person. Für die Verteilung der Informationen der zahlreichen Sensoren sowohl für den Betrieb des Fahrzeugs (Vetronik) als auch für die Aufklärungsgeräte und Waffen steht eine neu konzipierte elektronische Architektur zur Verfügung. Ein Informations- und Führungssystem (Battlemanagementsystem, BMS) ermöglicht die Feuerleitung sowie die Kommunikation der Besatzungsmitglieder untereinander als auch mit Kommandostellen außerhalb des Fahrzeugs.

Der Scarabee ist für ferngesteuerten Betrieb ausgelegt. Die für den Betrieb notwendigen Systeme sind digital gesteuert und können über den zentralen Fahrzeugbus geführt werden. Hierzu zählt auch der fernsteuerbare Anhänger, der oben bereits erwähnt wurde.

Das Fahrzeug ist mit integriertem ballistischem und Minenschutz Schutz versehen, der nicht weiter erläutert wurde. Eine Anpassung des Schutzniveaus an Einsatzerfordernisse ist vorgesehen, geht aber zulasten der verfügbaren Nutzlast. Allerdings war ein entkoppelter Boden zu sehen, der die Besatzung vor Auswirkungen von Minendetonation unter dem Boden schützt. Die Batterien seien zum Minenschutz im Unterboden platziert, hieß es, wobei über die bekannte Brandgefahr von LithiumIonen-Batterien nicht gesprochen wurde.

Der Scarabée ist luftverladbar (C-130, Chinook, A400M) und kann aus der Luft abgesetzt werden (kompatibel mit der LTCO12 Plattform). Dank Schiebetüren kann das Fahrzeug im Luftfahrzeug für den Einsatz vorbereitet werden und ist 15 Minuten nach dem Absetzen einsatzbereit.

Der Scarabée ist für den verbundenen Kampf konzipiert und kann eine Vielzahl von Systemen tragen, wie z.B. fernbedienbare Waffenstationen (RCWS), Multikaliber-Kanonen, RGL-Kameras, MMP (oder MILAN) Abschussgeräte, Drohnensysteme, Radar…..

Frankreich hat Vorläufer der Forderungen zu einem geschützten Fahrzeug für die Einsatzunterstützung (Véhicule Blindé d’Aide à l’Engagement, VBAE) veröffentlicht. Damit sollen die eingeführten VBL abgelöst werden. Der Scarabee zielt in seiner Auslegung auf dieses Programm, das bei einem Umfang von 800 bis 2.000 Fahrzeugen auf einen Wert von zwei Milliarden Euro geschätzt wird. Dafür sollen Demonstratoren bis 2022 vorgestellt werden. Als Produktionsbeginn wird 2025 angestrebt. Arquus hat angekündigt, dass der Scarabee in drei Jahren serienreif wird.

Gerhard Heiming