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Das gestrige (1. April) Briefing im NATO Hauptquartier für die in Brüssel akkreditierten Journalisten vor dem anstehenden NATO-Außenministertreffen in Washington (2.-4. April), das den 70. Geburtstag markieren soll, brachte zwar keine Überraschungen. Und verlief wie erwartet: die Erläuterungen des Generalsekretärs zum Ablauf des Gipfels samt den Schwerpunkten des Programms und das sich anschließende Frage-Antwort-Spiel nehmen durchaus liturgische Züge an. Die Fragen zu Afghanistan, Georgien, Ukraine, zur Erfüllungsquote Deutschlands sind voraussagbar. Und finden immer eine solide, nicht zu kritisierende Antwort – engagiert vorgetragen, ohne Belehrung. Sondern, um zu überzeugen. Und, im Falle Deutschlands, in Kenntnis der Zahlen und Fakten. Das heißt, ganz gleich, worum es geht, ob zur Asowschen See oder zu den Verteidigungsleistungen Deutschlands, da steht einer, der sich schlau gemacht hat und das Erfahrene verinnerlicht hat – und nicht nur oberflächlich eine Spreche wiedergibt.

So offenbart sich zwischen den Zeilen in der Person des NATO Generalsekretärs Jens Stoltenberg ein Überzeugungstäter. Und es wird klar, worum es ihm geht bei diesem Jahrestag – weit über die gewichtigen Tagesordnungspunkte, zu denen unter anderen das Verhältnis zu Russland, der Kampf gegen Terrorismus, die Beiträge der Mitgliedsstaaten sowie erstmalig eine gemeinsame Sitzung des Kongresses und der NATO-Außenminister gehört, hinausgehend. Überzeugt von der Leistungsfähigkeit der NATO als eine Sicherheitsallianz will er seine Herde zusammenhalten. Und dazu gehört nicht nur das Einschwören auf eine gemeinsame Position der Stärke gegenüber Russland. Es geht ihm um weit mehr: um die Kohäsion der Allianz in Zeiten, in denen sich Konstellationen verschieben. Jenseits des Atlantiks wirbt er für Engagement in Europa. Und zeitigt Erfolge – wie etwa die Zunahme von US Stationierungen in Europa samt den assoziierten Programmen („prepositioning“). Im Gegenzug klagt er von den Europäern gerechte Lastenverteilung ein.

Und damit fällt – unausgesprochen – Deutschland eine besondere Verantwortung zu. Denn die Art und Weise wie Berlin die in der Allianz vereinbarten Zielvorgaben behandelt und umsetzt, wird nicht ohne Auswirkungen bleiben. Nicht nur wegen möglicher Kritik aus dem Weißen Haus bzw. Pentagon. Vielmehr mag es insbesondere denjenigen Mitgliedsstaaten, deren Staatshaushalt vergleichsweise nicht so gut dasteht wie der deutsche als Anhalt, Maßstab oder gar Rechtfertigung für die eigenen Leistungen dienen. Insofern wird Deutschlands Verhalten ausschlaggebend für die Zukunft der Allianz nach ihrem 70. Geburtstag. Ist sich Berlin dessen bewusst?

Hans Uwe Mergener