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Mit dem Luft-Boden-Flugkörper Taurus verfügt die deutsche Luftwaffe über eine hochpräzise Abstandswaffe mit großer Reichweite. Allerdings dient gegenwärtig allein der Jagdbomber Tornado als Trägerplattform für den Flugkörper. Nachdem das Bundesministerium der Verteidigung vor wenigen Wochen die Liste der Tornado-Nachfolger auf die beiden Muster Eurofighter und F/A-18 Super Hornet reduziert hat, stellt sich deshalb die Frage, ob der seit 2004 in einer Stückzahl von 600 Exemplaren eingeführte Taurus überhaupt weiterverwendet werden kann.

Die Chancen dafür stehen offenbar sehr gut. Denn nach Aussage von Oliver Strothmann, Director New Business Europe der Taurus Systems GmbH (TSG), sind sowohl die F/A-18 als auch der Eurofighter als Trägerplattformen geeignet. „Wir sehen keine Probleme der Integration in die beiden Trägersysteme“, erläutert der ehemalige Tornado-Waffensystemoffizier im Gespräch mit der ES&T. Bereits heute sei der Taurus für die Nutzung mit den F/A-18 der spanischen Luftwaffe zugelassen. Für die in Deutschland noch im Rennen stehende etwas größere F/A-18 Super Hornet dürfte eine Integration deshalb keine Probleme bereiten, so Strothmann.

Auch mit dem Eurofighter sind bereits erfolgreiche Trageversuche mit dem rund 1,5 Tonnen schweren Flugkörper gemacht worden. (Foto: J. Gietl)

Auch mit dem Eurofighter seien bereits erfolgreiche Trageversuche des rund 1,5 Tonnen schweren Flugkörpers gemacht worden. Allerdings gibt es noch keine elektronische Integration, wie Strothmann einräumt. Die britische Luftwaffe hat seinen Worten zufolge die von ihren Abmessungen und dem Gewicht vergleichbare Lenkwaffe Storm Shadow bereits auf ihren Eurofightern Typhoon integriert. Die Einschätzung des Taurus-Managers wird vom Eurofighter-Hersteller Airbus geteilt. Dass der Flugkörper auf dem Kampfjet einfach zu integrieren ist, bestätigt ein Airbus-Sprecher und verweist ebenfalls auf die britischen Erfahrungen mit der Storm Shadow. Nach Angabe des Herstellers könnte der Flugkörper aufgrund seiner Größe dagegen nicht als interne Last in einer F-35 von Lockheed Martin mitgeführt werden.

Die Taurus Systems GmbH ist ein Joint Venture von MBDA Deutschland, die 67 Prozent hält, sowie der schwedischen Saab Dynamics AB mit 33 Prozent. Die in Schrobenhausen ansässige GmbH mit etwa 40 Mitarbeitern ist für Montage sowie Betreuung der Flugkörper zuständig und führt die etwa alle zehn Jahre anfallende Überholung durch. Das Gemeinschaftsunternehmen sieht sich als Systemhaus, das alle wesentlichen Komponenten des Flugkörpers aus einer Hand liefert. Neben dem Taurus gehören zum Produktportfolio das Missionsplanungssystem und ein Gerät zur Be- und Enttankung.

Reichweite und Präzision

Seitdem die Bundeswehr wieder verstärkt das Thema Landes- und Bündnisverteidigung in ihren Fokus rückt, erleben Waffensysteme, die auf Basis der Erfahrungen des Kalten Krieges entwickelt wurden, eine gewisse Renaissance. Neben Kampfpanzern, schwerer Artillerie und Luftverteidigung dürfte dazu auch eine Abstandswaffe wie der Taurus zählen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr in Zukunft aufgrund der anstehenden Digitalisierung und neuer Fähigkeiten potenzieller Gegner mit ihren Waffensystemen auf immer größere Distanzen wirken muss.

Der Flugkörper weist laut Hersteller eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern auf und nähert sich dem Ziel idealerweise im Konturenflug in einer Höhe von weniger als 50 Metern. Der Tiefflug macht den Taurus durch herkömmliche Radare schwer detektierbar, während ein Trägerflugzeug aufgrund der Reichweite der Lenkwaffe eine kürzere Zeit der gegnerischen Luftverteidigung ausgesetzt ist. „Unsere Überlebenswahrscheinlichkeit wird größer, wenn wir tief fliegen“, sagt Strothmann. Da der Taurus als Sensor einen passiven Infrarotsuchkopf verwendet, erhöht dies seine Überlebenswahrscheinlichkeit weiter. Lediglich ein Radar-Höhenmesser zur Navigation emittiere eine schwache Strahlung, erklärt Strothmann. „Nach vorne haben wir dagegen keine Strahlung.“

Wirkungs- und Funktionsweise

Ausgelegt ist der Taurus auf die Bekämpfung von stationären Punkt- und Flächenzielen. Dabei versetzt ihn der Tandem-Gefechtskopf in die Lage, sogar stark ausgebaute Bunker zu penetrieren: Eine Vorhohlladung sprengt beim Aufschlag eine Lücke in die Bunkerwand durch die der nachgeordnete Penetrator ins Innere eindringt. Die Vorhohlladung wird mittels eines Laser-Sensors gesteuert, während der Sensor des Penetrators auf den Eindringwiderstand reagiert. Damit soll es möglich sein, innerhalb des Bunkers mehrere Etagen zu durchdringen, bis die Detonation ausgelöst wird. Der Taurus ist in der Lage, in verschiedenen Winkeln, darunter sehr flachen, das Ziel anzufliegen. Die beste Wirkung wird bei einem verbunkerten Ziel jedoch in der Regel erreicht, wenn der Taurus in der letzten Flugphase aufsteigt – das sogenannte Pop-up – und in einem steilen Winkel in den Sturzflug geht.

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Luft-Boden-Flugkörper Taurus (Graphik: TSG)

Um das Ziel zuverlässig im anspruchsvollen Konturenflug, insbesondere wenn dieser durch Bergregionen führt, zu finden, setzt der Taurus im Wesentlichen auf drei Navigationssensoren. Neben dem GPS ist dies eine Terrain Based Navigation (TRN) sowie eine Image Based Navigation (IBN). Bei letzterer sind in der thermalen Karte des Flugkörpers Referenzpunkte markiert. In der Regel handelt es sich dabei um Punkte, die ihre thermische Signatur nur wenig verändern, wie Brücken, große Wegkreuze oder Flussläufe. Beim TRN wird eine dreidimensionale Karte mit den Werten des Höhenradars abgeglichen. Über einen Filter werden die Navigationsdaten der verschiedenen Sensoren gewichtet und der Flugweg festgelegt.

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Sollten alle drei Navigationssysteme ausfallen, könnte der Flugkörper laut Hersteller immer noch mit einem Kreiselkompass navigieren. Um ein Ziel mit hoher Erfolgsquote bekämpfen zu können, ist mitunter der Einsatz mehrerer Flugkörper erforderlich. Das Missionssystem könne dabei die Flugrouten von bis zu acht Flugkörpern vorplanen, ohne dass sich diese in den mitunter engen Korridoren ins Gehege kommen.

Taurus in der Luftwaffe

Nach Angaben der Luftwaffe starteten 2014 nach zehn Jahren Lebensdauer die ersten geplanten Grundüberholungen der Taurus-Lenkflugkörper. Die letzten Taurus durchlaufen diese Maßnahmen 2020. „Hierbei werden lebensdauerbegrenzte Bauteile und im wirtschaftlich sinnvollen Umfang obsoleszenzbehaftete Hauptbaugruppen ersetzt“, schreibt die Luftwaffe.

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Start des Taurus von einem Tornado (Foto: Luftwaffe)

In der noch laufenden Grundüberholung wird laut Strothmann ein verbesserter GPS-Empfänger eingebaut, der „sehr störsicher“ sei. Bei der nächsten Überholung ab 2025 sieht der Manager weitere Möglichkeiten, die Funktionalitäten des Taurus zu verbessern. Dazu zählt er die Erneuerung des Infrarotsuchkopfes und eine moderne Bildverarb1eitung. Diese Technologien versetzten die Anwender in die Lage, riesige Datenmengen zu verarbeiten. Das mache es möglich, nicht nur vorbestimmte Wegpunkte abzugleichen, sondern kontinuierliche Informationen aufzunehmen, die durch einen Suchkopf zur Navigation genutzt werden können. „Die Achillesferse GPS ist damit weg“, sagt Strothmann. Erstellt werden diese Informationen aus Satellitendaten, aus denen bestimmte Merkmale extrahiert würden.

Denkbar ist laut Strothmann auch die Ausrüstung des Taurus mit Selbstschutzmaßnahmen wie Chaffs und Flares. Insbesondere in der Pop-up-Phase kurz vor dem Auftreffen auf das Ziel würde damit die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht. Auch ein Störsystem wie das sogenannte BriteCloud werde untersucht. Nach Aussage von Strothmann ist der Platz für solche zusätzlichen Systeme vorhanden. „Der Flugkörper hat Raumreserven, die für zusätzliche Ausrüstung bei Telemetrie-Tests oder Sicherheitsmaßnahmen für Übungsplätze vorgesehen sind.“

Auch nach Einschätzung der Luftwaffe wird voraussichtlich eine weitere Grundüberholung für die Lenkflugkörper ab 2025 erforderlich. „Ob die Zehnjahresintervalle gegebenenfalls verlängert werden können, bleibt nach Untersuchung der LFK und Bewertungen der Alterungsprozesse noch zu entscheiden“, heißt es aus dem Kommando Luftwaffe. Ob bei der nächsten Grundüberholung auch Maßnahmen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit implementiert werden, sei noch nicht entschieden. Auf die Umsetzung solcher Maßnahmen haben nach Einschätzung der Luftwaffe auch die bevorstehenden Entscheidungen „zugehöriger Großprojekte“ wie der Tornado-Nachfolge und gegebenenfalls neue Fähigkeitsforderungen Einfluss.

Gegenwärtig setzen Deutschland, Spanien sowie Südkorea auf den Taurus. Die Zusammenarbeit zwischen der Taurus Systems GmbH und dem deutschen Nutzer läuft nach Angaben des Unternehmens ohne Friktionen. Eine wichtige Voraussetzung, um das System weiter einsatzbereit zu halten. Schließlich hat der Taurus laut Hersteller noch zwei Drittel seiner Nutzungszeit bei der Bundeswehr vor sich. Aufgrund der gestiegenen Bedeutung der Landes- und Bündnisverteidigung in der NATO finden womöglich noch weitere Staaten Interesse an der Abstandswaffe.

Autor: Lars Hoffmann