Mortar Systems Conference 2019 – Trends und Entwicklungen der Mörserwaffe

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Internationale Vorträge von Mörserprogrammverantwortlichen in den Streitkräften und Vertretern der Industrie ermöglichen Einblicke in die derzeitigen Entwicklungen und Diskussionen rund um das Waffensystem Mörser. Die jährliche Mortar Systems Conference fand auch in diesem Jahr am 19. und 20. März, parallel mit einer Artillerie- und einer Simulationskonferenz, im englischen Bristol statt. Ziel der Veranstaltung war es, über die aktuell laufenden Programme rund um Mörser-Waffensysteme zu informieren und Ideen für den Einsatz und Entwicklung der Mörserwaffe in der Zukunft auszutauschen.

Diskussionen

Das Fachpublikum war sich zwar einig, dass ein Mörsersoldat der Zukunft weiterhin mehrere Nebenfunktionen erfüllen muss (Infanterist, Kraftfahrer, Mörserbediener, Bediener von Kommunikations- und Führungsinformationssystemen), Uneinigkeit herrschte dabei über die genaue Ausprägung eines Mörsertrupps. Obwohl die unterschiedlichen Streitkräfte vergleichbare Systeme nutzen bzw. nutzen möchten, beabsichtigen diese die Systeme sowohl mit vier- als auch mit fünf-Mann Trupps zu betreiben (120 mm). Dabei werden nicht taktische Notwendigkeiten, sondern personalpolitische Vorgaben als Gründe für die unterschiedlichen Truppgrößen aufgeführt. Auf Nutzerebene ist es dagegen für jeden Vertreter einleuchtend, dass zusätzliches Personal in Hinsicht auf Wahrnehmung von Aufträgen im Zuge der Eigensicherung und Redundanzen (Krankheit, Verwundung, Verletzung) zweckmäßig ist.

Unterschiedliche technologische Wege werden beispielsweise in der Art der Mörser gegangen. Während viele Nationen Mörser mit Glattrohren in der Nutzung haben und von diesem Konzept auch nicht abweichen, nutzen Länder wie beispielsweise Frankreich Mörser mit gezogenen Rohren. Ähnlich wie in einer Handwaffe werden die Mörsergeschosse bei diesem Prinzip in eine Rotation versetzt, dadurch lassen sich einfacher weitere Schussweiten generieren. Mörser mit Glattrohren eignen sich dagegen deutlich besser, um gelenkte Munition zu verschießen.

Darüber, dass Mörser im Einsatz die direkte Feuerunterstützung der Kampftruppe sicherstellen sollen herrscht Konsens. Die Frage ob 120-mm-Mörserkräfte im Friedens- und Ausbildungsbetrieb zweckmäßigerweise in der Infanterie (bspw. Deutschland, Italien und USA) oder in der Artillerie (bspw. Dänemark, Frankreich und Schweiz) aufgehoben sind wird dagegen kontrovers diskutiert. Als Argumente für die Konzentration der Mörserkräfte in einem Artillerieverband wurden Skaleneffekte in Ausbildung, Übung und der Logistik und der damit verbundenen Hoffnung auf einen höheren Ausbildungsstand aufgeführt. Für die organische Ansiedlung der schweren Mörser in der Infanterie wurden die engere Interaktion mit der zu unterstützenden Infanterie und ein daraus generiertes tieferes Verständnis für die gegenseitige Operationsweise aufgeführt.

Last but not least gab es auch technischen Diskussionsbedarf. Da im Zuge der Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung mehrere NATO Nationen die Effektivität der Mörserwaffe in hochintensiven Gefechten mit vergleichsweise ausgerüsteten und operierenden Gegnern wiederentdeckt haben, stehen einige Modernisierungsbestrebungen auf dem Programm. Seitens der Industrie werden dafür zwei unterschiedliche Konzepte angeboten. In Gefechtsfahrzeugen integrierte und zum größten Teil automatisierte Mörsersysteme werden sowohl als klassisch aus der Dachluke feuernde Systeme in Konkurrenz zum Turmlösungen angeboten. Turmlösungen versprechen insbesondere ein höheres Schutzniveau (sowohl gegen kinetische als auch ABC-Bedrohungen). Klassische Systeme sind deutlich günstiger in der Anschaffung und in der Integration, diese können daher auch durch Streitkräfte mit kleineren Budgets oder durch finanzstärkere Staaten in größeren Mengen beschafft werden.

Trends, Entwicklungen und Forderungen

Massive Feuerschläge der russischen Artillerie auf aufgeklärte Stellungen der ukrainischen Artillerie- und Mörserkräfte erfordern ein Umdenken wie unter anderem Mörserkräfte auch in Zukunft erfolgreich eingesetzt werden können. Die Aufklärung der Stellungen erfolgte mittels unterschiedlichster Mittel zu denen neben im Handel erhältlichen Kleinstdrohnen auch russlandaffine Nichtkombattanten gehören. Unabhängig davon welcher Staat oder welche Organisation einen potentiellen Gegner in der Zukunft darstellen sollte, ist es wichtig zu begreifen, dass der Ukrainekonflikt die Schwächen im klassischen Einsatz von indirekter Feuerunterstützung im Zeitalter von Smartphones, Internet und Kleindrohnen offenbart hat. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass potentielle Gegner in der Zukunft auf genau diese Taktiken zurückgreifen können und werden.

Automatisierung und Digitalisierung wird als möglicher Lösungsansatz für die aufgestellten Forderungen angesehen. Hauptziel beider Bestrebungen ist es die Zeitspanne zwischen Aufklärung und Bekämpfung eines Zieles so gering wie möglich zu halten und die Mobilität von Mörserkräften zu steigern. Weiterhin soll die menschliche Fehlerquelle wann immer es möglich ist reduziert werden. Dies gilt sowohl bei der Übermittlung von Zieldaten, als auch beim Richten der Waffenanlage. Daher soll Datenfunk Priorität vor Sprechfunk erhalten, diesen jedoch nicht ersetzten!

Automatisierung wird hauptsächlich beim Laden, Ausrichten und Richten des Mörsers als zweckmäßig erachtet und dementsprechend auch angestrebt. Digitalisierung soll bei der Integration der Mörserkräfte in moderne Führungsinformationssystemarchitekturen der Streitkräfte und bei der Übermittlung der Informationsströme zwischen Beobachter, Feuerleit- /Koordinierungselement und Bedienmannschaft des Mörsers erreicht werden. Neben der schnelleren Reaktionszeit würde so auch das Lagebewusstsein aller Akteure auf dem Gefechtsfeld verbessert werden. Eine höhere Mobilität soll mittels Integration der Waffenanlagen auf moderne 4×4, 6×6, 8×8 Radfahrzeuge und Ketten-Plattformen erreicht werden. Die Konzepte für solche Systeme sind nicht neu werden jedoch zunehmend ausgereifter, das eingestellte Mörserkampfsystem der Bundeswehr auf Wiesel 2 Basis verfolgte dies bereits in den 90er Jahren.

Die Begründung für diese Forderungen wird unter anderem aus den Auswertungen der Einsatzerfahrungen des Ukrainekonfliktes und der technologischen Weiterentwicklung der russischen und chinesischen Streitkräfte hergeleitet. Es lassen sich daraus folgende Trends ableiten:

Anpassung der Einsatzdoktrin

Der Mörser soll die Befähigung zur Bekämpfung von Punkt- und von Flächenzielen erhalten. Damit einhergehend sind neben technologischen Anpassungen, höherer Präzision und Treffgenauigkeit, auch doktrinäre Änderungen vonnöten. Die Bekämpfung von Punktzielen wird deswegen notwendig, da immer mehr Konflikte in bebauten Gebieten stattfinden. Diese Umgebung bietet deutlich mehr Splitterschutz als offene Flächen. Eine Mörserpatrone, die 20 Meter neben dem Ziel einschlägt und auf einer Freifläche seine volle Wirkung entfalten würde, würde in einer Ortschaft unter Umständen komplett verpuffen, da zwischen Ziel und Einschlagspunkt eine Mauer, eine Haus oder sonstige Hindernisse die gegen das Ziel gerichtete Splitterwirkung negieren, dafür aber unter Umständen zivile Bevölkerung treffen würde. Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen werden seit eh und je als Schutz von insbesondere irregulär operierenden Kräfte missbraucht.

Der Verschuss von massiven Munitionsansätzen birgt neben höheren Kollateralschäden auch logistische Nachteile. Wer viel „daneben“ schießt, der muss oft nachmunitionieren. In diesem Zeitraum kann die Feuereinheit nicht wirken, weiterhin muss diese Munition erstmal in den Einsatzraum verbracht werden, was wiederum Kräfte und Mittel bindet.

Mehr Präzision / Treffgenauigkeit

Leistungsfähigere Feuerleitsysteme sollen unter anderem Umweltdaten berücksichtigen, um so auch konventionelle „dumme“ Munition über weitere Entfernungen genauer verschießen zu können. Genauere und wenn möglich georeferenzierte Zieldaten sollen eine bessere Ausgangsbasis für die Feuerleitung liefern. Daneben verspricht die Integration von Radartechnologie zur Bestimmung der Mündungsgeschwindigkeit von verschossenen Patronen (Muzzle Velocity Radar) Rückschlüsse für eine genauere Feuerleitung und somit eine Steigerung der Präzision. So ein System wird beispielsweise beim neuen 120-mm-Mörser der dänischen Streitkräfte (Elibts CARDOM 10 auf GDELS Piranha V Basis) Verwendung finden, welches sich derzeit in der technischen Erprobung befindet und nächstes Jahr an die Truppe ausgeliefert werden soll.

Der parallele Einsatz von GNSS (Global Navigation Satellite System) unabhängigen Positionsbestimmungsmitteln soll diese Präzision auch in GNSS gestörter Umgebung ermöglichen.

Neben herkömmlicher Munition wird auch der Bedarf für Präzisionsmunition mit der Befähigung zu Punkttreffern im ersten Schuss geäußert. Die dabei anfallenden Mehrkosten, Faktor 10 – 20 Fach gegenüber herkömmlicher Munition sorgen dafür, dass derzeit nur die U.S. Streitkräfte über solche Wirkmittel verfügen. Weitere Nationen sehen zwar einen generellen Bedarf, haben derzeitig jedoch keine Beschaffungen vorgesehen.

Mehr Schutz

Da moderne Gesellschaften eine bedingte Akzeptanz für Personalverluste aufweisen und die westlichen Streitkräfte hauptsächlich über hochtechnisierte Ausrüstung in geringer Stückzahl verfügen, können auch materielle Ausfälle nicht ohne weiteres kompensiert werden. Dem Faktor Schutz und Steigerung der Überlebensfähigkeit auf dem Gefechtsfeld kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Die Überlebensfähigkeit kann auch nicht ausschließlich über Panzerschutz, welcher mittels mehr Wirkung ausgekontert werden kann, erreicht werden. Da eine Aufklärung der Feuerstellung nach dem ersten Schuss als gesichert angenommen werden kann – die Patronen können im Flug mittels feindlichem Radar detektiert und deren Ursprung zurückverfolgt werden – ist Mobilität der beste Schutz vor Wirkung des feindlichen Gegenschlages.

Auf die Mörserwaffe heruntergebrochen bedeutet dies, dass der Mörser wenn möglich nur noch für einige Sekunden des Feuerns eine stationäre Rolle einnimmt und sich nach dem Abfeuern wieder in Bewegung setzt, um sich so einem potentiellen Gegenschlag zu entziehen. Dies ist der treibende Faktor für die Integration der Möser in Gefechtsfahrzeuge. Abgesessene Systeme werden hauptsächlich nur noch im Kaliberspektrum 60 und 81 mm bzw. für den Einsatz bei Luftlande- und Gebirgstruppen betrachtet.

Mehr Wirkung

Die Forderung nach zusätzlicher Wirkung erfordert eine mehrschichtige Betrachtung. Je nach Nation oder Hersteller werden unter anderem eine höhere Treffergenauigkeit als ein Mehr an Wirkung verstanden. Die Begründung, dass eine 60-mm-Patrone welche punktgenau auf dem Ziel einschlägt (Penetrationsfähigkeit vorausgesetzt) mehr Wirkung als eine 120-mm-Patrone welche 50 Meter neben dem Ziel einschlägt entfalte, lässt sich nur schwer entkräften.

Daneben wird auch die Steigerung der Reichweite als ein Beitrag zu mehr Wirkung verstanden. So kann mit weniger Kräften ein größerer Operationsraum mit Steilfeuer bedient werden und erlaubt es so mit dem gleichen Ansatz an Kräften ein mehr an Fläche mit Wirkung zu „versorgen“.

Um auch ein potentiell geschütztes Zielspektrum eines technologisch ebenbürtigen Gegners bekämpfen zu können wird darüber hinaus auch ein Mehr an Wirkung im Sinne der Penetrationsfähigkeit von Panzerung gefordert. Hier scheint sich der Rückgriff auf unterschiedliche Ansätze der Vorfragmentierung von Mörsermunition durchgesetzt zu haben. So beabsichtigt die U.S. Army die bereits bei dem 60-mm-Mörser genutzte vorfragmentierte Munitionsart, basierend auf der MAPAM Technologie von Saab Bofors Dynamics Switzerland, in Kürze auch auf das Kaliberspektrum 81- und 120-mm auszuweiten.

In Anbetracht der Tatsache, dass alleine der Flottenbestand von Kampfpanzern in Russland auf ca. 2.500 und in China auf knapp 7.000 Systeme taxiert wird, wird auch darüber nachgedacht in welcher Weise ein Mörser bei der Bekämpfung von gepanzerten Fahrzeugen, bis hin zum Kampfpanzer, beitragen kann. Klassische Munition könnte bspw. dazu genutzt werden die Sensorik gepanzerter Fahrzeuge zu zerstören und diese so in deren Gefechtsführung behindern. Es wird aber auch darüber nachgedacht inwieweit Konzepte für präzisionsgelenkte Panzerabwehrmörsermunition – durch SAAB in Form der Strix bereits vor Jahrzehnten entwickelt – wieder aus der „Vergessenheit“ geholt werden sollten.

Weniger Komplexität

Da, wie bereits angesprochen, Mörserbesatzungen neben der Bedienung der Waffenanlage noch viele weitere Aufträge wahrnehmen müssen, darf die Bedienung der Waffenanlage im Zuge der Modernisierung und Weiterentwicklung nicht komplexer gestaltet werden. Wenn möglich sollte diese eher einfacher werden. Automatisierung und Digitalisierung versprechen hier viel Potenzial, da diese dem Soldaten eine Menge an Arbeit abnehmen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn bei der Ausgestaltung der Systeme der Nutzerfreundlichkeit und der Intuitivität eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Eine Forderung die auch Vertreter des deutschen Heeres im Zuge der Forderungen für Digitalisierung landbasierter Operationen immer wieder Mantra-artig vorbeten.

Fazit

Die Veranstaltung hat deutlich gezeigt, dass Mörsersysteme weiterhin als potente Wirkmittel betrachtet werden und viel Potenzial für Weiterentwicklungen bieten. An Ideen und Konzepten mangelt es nicht, inwieweit diese realisiert werden bzw. werden können steht auf einem anderen Blatt.

 

Waldemar Geiger

Videoquelle: Patria