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Mit Beginn der Auslandseinsätze tauchte Anfang der 1990er Jahre bei der Bundeswehr im Hinblick auf das Ausrüstungskonzept der Begriff für eine neue Fahrzeugkategorie auf. Es handelte sich um die geschützten Fahrzeuge.

Geschützte Fahrzeuge, die für einen Lufttransport in mittleren Hubschraubern ausgelegt werden müssen, unterliegen zahlreichen konstruktiven Restriktionen. (Fotos: Archiv Autor)

Eine klare Abgrenzung dieser Kategorie zu den gepanzerten Fahrzeugen ist nicht möglich. In den Anfangsjahren der Entwicklung geschützter Fahrzeuge basierten diese auf handelsüblichen Plattformen (Multicar von Hako, Unimog von Mercedes-Benz) bzw. militärische Plattformen (Eagle von General Dynamics European Land Systems) usw. Gepanzerte Fahrzeuge verfügen über ein selbsttragendes Gehäuse, an dem die Radaufhängungen und die Antriebselemente befestigt waren (z. B. Luchs, Fuchs, Fennek). Auch die Höhe des Schutzniveaus lässt eine klare Unterteilung zwischen geschützten und gepanzerten Fahrzeugen nicht zu. Somit basieren diese Begriffe nicht auf klaren Definitionen, sondern sind aus der Historie heraus entstanden.

In dem folgenden Beitrag sollen ausgewählte technische Aspekte vorgestellt und diskutiert werden, die bei der Auslegung geschützter Fahrzeuge von Bedeutung sind.

Militärische Forderungen

Bezogen auf das zu erwartende Bedrohungsszenario bei Auslandseinsätzen sollen geschützte Fahrzeuge der Besatzung Schutz u. a. vor folgenden Bedrohungsarten bieten:

  • direktes Feuer: Schutz gegenüber Beschuss aus Handfeuerwaffen inkl. Scharfschützengewehren,
  • indirektes Feuer: Schutz gegen Splitter (z. B. bei Mörserbeschuss),
  • (definierter) Schutz gegen Minen und Sprengfallen (IED),
  • Schutz vor BC-Kampfstoffen.

Erwünscht wird eine Resistenz gegenüber Brandkampfmitteln (Molotowcocktails usw.) und Draht-Fallen.

Für zukünftige Einsätze muss auch ein Schutz gegenüber Drohnenangriffen und EloKa-Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Neben den aufgelisteten Schutzforderungen bestehen an geschützte Fahrzeuge weitere militärische Grundforderungen:

  • Möglichkeit zur Selbstverteidigung unter Schutz bei Tag und bei Nacht,
  • möglichst hohe Nutzlast,
  • möglichst gute Integrationsmöglichkeit für Rüstsätze in dem verfügbaren Nutzvolumen,
  • hohe Mobilität inklusive Geländegängigkeit, große Einsatzautonomie,
  • Möglichkeit zur Ausstattung mit modernen Führungsmitteln,
  • Klimatisierung für die Schutzzelle,
  • gute Transportier- und Verlegefähigkeit (Straßen-, Eisenbahn-, See- und Lufttransport),
  • querschnittliche Verwendbarkeit: Bildung verschiedener Varianten im Rahmen einer Fahrzeugklasse für unterschiedliche Aufgaben.

Konzeptionelle Aspekte

Schlechtwegstrecken in Afghanistan führen zu extrem hohen Beanspruchungen an vielen Bauteilen geschützter Fahrzeuge.

Vorüberlegungen haben ergeben, dass es sinnvoll ist, die neue Kategorie der geschützten Fahrzeuge in verschiedene Klassen aufzuteilen, um eine praktikable Fahrzeugauslegung zu erreichen. Um den logistischen Aufwand und damit die Kosten zu begrenzen, war geplant, dass in jeder Klasse jeweils nur ein Typvertreter beschafft werden soll. Kriterien für die Zugehörigkeit in einer Klasse waren: Abmessungen, zulässiges Gesamtgewicht und Lufttransportierbarkeit (CH-53G, Transall C-160, A400M). Daran mussten sich dann die Forderungen nach Schutz, Nutzlast, Nutzvolumen und Mobilität/Geländegängigkeit orientieren, um ein harmonisches Gesamtsystem zu erreichen.

Bei geschützten Fahrzeugen kann der Motor vorn (Haubenfahrzeug) oder weiter zurückversetzt angeordnet werden. Die Lage des Motors im Frontbereich kann die Belastung der Schutzzelle beim Auffahren auf Minen reduzieren. Auch begünstigt diese Motorlage die Realisierung einer Fahrzeugfamilie, da hier (z. B. bei einer Großraumzelle) ein Zugang des Kampfraumes durch eine Hecktür leichter realisierbar ist. Allerdings erfordern große Hecktüren gegenüber einer blast-Bedrohung einen höheren schutztechnischen Aufwand – auch die Scharniere müssen für die relativ hohen Gewichte im Hinblick auf die zu erwartenden Schockbelastungen entsprechend stark dimensioniert werden. Ein Haubenfahrzeug ermöglicht eine gute Zugänglichkeit des Motors und begünstigt eine geplante Modulbauweise des Fahrzeugs. Nachteile können sich für die Sichtverhältnisse des Fahrers ergeben.

Bruch einer Schraubenfeder
aufgrund extrem hoher
Beanspruchung

Als Vorteil für den Frontlenker kann die Raumökonomie gelten, d.h. bei vorgegebener Fahrzeuglänge (aufgrund einer Lufttransportforderung) ergibt sich im Regelfall eine maximale Länge für den Nutzraum. Ein weiter zurückversetzter Motor führt zu optimalen Sichtverhältnissen vor dem Fahrzeug, kann aber zu Problemen bei der Anströmung des Kühlers führen. Die Zugänglichkeit zum Motor erfordert u. a. ein kippbares Fahrerhaus, was bei höheren Schutzforderungen zu anspruchsvollen Konstruktionen bei der Lagerung führt. Ein höherer Aufwand muss hierbei auch für den Minenschutz für die Besatzung des Fahrerhauses getrieben werden. Unabhängig von der Motorlage muss die Pedalerie zwingend von der (äußeren) Bodenstruktur entkoppelt werden; eventuelle Durchbrüche müssen gegenüber dem Eindringen von Blast-Wellen abgedichtet werden.

Hohe fahrdynamische Belastungen
können sogar zu Rahmenbrüchen
führen.

Schließlich müssen die Fahrzeuge den vielfältigen zulassungsrechtlichen Forderungen genügen. Dies betrifft z. B. die Einhaltung der zulässigen Bauhöhe (inklusive montierter Waffenstation) ebenso wie das erforderliche Sichtfeld für den Fahrer.

Lufttransportfähigkeit

Der Lufttransport stellt (neben den aufgeführten militärischen Forderungen) weitere spezifische Vorgaben für die Auslegung geschützter Fahrzeuge. Besonders kritisch gestalten sich Forderungen für Fahrzeuge, die in kleineren Luftfahrzeugen (insbesondere Hubschraubern) transportiert werden sollen. So ist bei der CH-53G der Laderaum teilweise nur 2,29 m breit und 1,96 m hoch. Damit ergeben sich strenge Limits insbesondere für die Fahrzeugabmessungen und für das Fahrzeuggewicht.

Hoher Schmutzeintrag im Fahrwerksbereich kann zu vielfältigen
Problemen und Funktionsausfällen führen.

Der geringe Spielraum für die Abmessungen hat Auswirkungen auf die Mobilität bzw. Geländegängigkeit (Räder-/Reifengröße, positiver Federweg, Reduzierung der Bodenfreiheit usw.) sowie auf das Nutzvolumen und die Ergonomie. Die Kontur des Fahrzeugs wird insbesondere durch den verfügbaren Freiraum bei der Nutzung der Laderampe für die Ein- und Ausfahrt bestimmt. Häufig müssen unter dem Aspekt der Luftverladbarkeit Teile im Dachbereich des Fahrzeugs abgeklappt oder abgebaut werden. Eine Luftfederung der Räder ermöglicht zwar die Reduzierung der Bauhöhe beim Verladen, ist aber im Einsatz gegenüber Bedrohungen durch Splitter oder gegenüber anderen Projektilen sehr anfällig. Das begrenzte Lufttransportgewicht hat stringente Auswirkungen auf das realisierbare Schutzniveau. Schließlich müssen an dem Fahrzeug auch ausreichend Verzurrmöglichkeiten an belastbaren Strukturen vorgesehen werden. Dies stellt aufgrund der vorgegebenen Forderungen bezüglich des Bruchlastvielfachen (Crash-Situationen des Luftfahrzeugs) in vielen Fällen eine Herausforderung dar. Auch muss der spezifische Bodendruck unterhalb des Belastungslimits der Bodenstruktur des Luftfahrzeugs liegen.

Mobilität

Ungeschützt verlegte Leitungen bei handelsüblichen Plattformen
können in militärischen Einsätzen zu lebensbedrohlichen Situationen
führen.

Grundsätzlich führen größere Räder/Reifen und eine höhere Bodenfreiheit zu einer besseren Geländegängigkeit; Schlechtwegstrecken können so mit höherer Geschwindigkeit befahren werden, ohne dass es zu einer unzumutbaren Schwingungsbelastung für die Besatzung kommt.

Andererseits erhöht sich damit die Lage des Schwerpunktes. Das Fahrzeug wird wankanfällig und die Gefahr des Kippens bei schnellerer Kurvenfahrt oder beim Befahren eines Schräghanges steigt. Dieser Zielkonflikt bedarf somit sowohl bei der Auswahl der Radgröße wie auch bei der Abstimmung des Feder-Dämpfer-Systems eines akzeptablen Kompromisses.

Die Nutzung von handelsüblichen Plattformen als Basis für geschützte Fahrzeuge ist besonders attraktiv, da die Kosten der Plattform gegenüber dem Schutzaufbau sowie der weiteren Ausrüstung (Funkgeräte, Waffenstation usw.) in etwa nur 25 bis 30 Prozent betragen. Aber der militärische Einsatz führt erfahrungsgemäß zu Belastungen für Fahrwerk (Achsen, Lenkelemente usw.) und Rahmen, die bei der Nutzung handelsüblicher Plattformen häufig zu plastischen Verformungen sowie zu Brüchen führen. Gerade bei Bedrohung führt eine höhere Geschwindigkeit bei der Überwindung von Sichtstrecken zu einer Erhöhung der Überlebensfähigkeit für Besatzung und Fahrzeug. Erfahrungsgemäß wird eine umfassende Erprobung mit realitätsnaher Belastung zur Aufdeckung etwaiger Schwachstellen an diesen Baugruppen führen, bevor es im Einsatz zu Schäden mit lebensbedrohlichen Situationen kommt.

Insbesondere aride Regionen können einen extrem feinkörnigen Sand/Staub aufweisen. Erfahrungen haben gezeigt, dass derartig feinkörniger Staub auch durch normale Abdichtungen dringt und z. B. Bremszylinder blockieren lässt. Verunreinigungen im Kraftstoff führen regelmäßig zu Problemen bei den Einspritzpumpen. Alle Baugruppen im Bereich des Fahrwerks unterliegen einer extrem hohen Schmutzbelastung durch Sand und Schlamm. Sowohl feuchter als auch getrockneter Schlamm (letzterer kann eine ähnliche Festigkeit wie Zement erreichen) kann in diesem Bereich zu Funktionsausfällen an kritischen Baugruppen führen. Bei handelsüblichen Plattformen sind wichtige Elemente (z.B. Tank, Kühler, Druckluftbehälter, Signal- und Druckluftleitungen) ungeschützt am Rahmen appliziert. Einsatzerfahrungen haben gezeigt, dass eine Zerstörung wichtiger Leitungen (Druckluft- oder auch elektrische Leitungen) durch Splitter zu einer Immobilität und damit zu einer erhöhten Gefährdung der Besatzung und des Fahrzeugs führen kann. Daher müssen vor einer militärischen Nutzung von handelsüblichen Plattformen häufig Modifikationen und Umbauten bei kritischen Komponenten vorgenommen werden, um Missionsausfälle möglichst zu vermeiden.

Feuerkraft

Bereits bei den ersten Einsätzen im Rahmen der KFOR-Truppen wurde erkennbar, dass die Fahrzeuge eine Möglichkeit zur Selbstverteidigung benötigen. Während die ersten Umrüstungen auf den Fahrzeugen der Kat I-Generation noch Behelfskonstruktionen darstellten (Drehringlafetten), werden heute an Waffenstationen für geschützte Fahrzeuge u. a. folgende Grundforderungen gestellt:

  • Bedienbarkeit unter Schutz aus dem Kampfraum heraus,
  • Entkoppelung des Bedienerplatzes von der Drehbewegung der Lafette,
    Waffeneinsatz muss bei Tag und Nacht möglich sein,
  • Waffe muss stabilisiert sein, um einen Einsatz aus der Bewegung zu ermöglichen,
  • Ausblickköpfe benötigen eine Reinigungsanlage u. a. aufgrund der hohen Staubbelastung in den Einsatzgebieten,
  • Nutzbarkeit der Lafette für verschiedene Waffen,
  • möglichst großer Munitionsvorrat an der Lafette,
  • ggf. Adaption einer Nebelmittel-Wurfanlage.

Aus systemtechnischer Sicht muss bei Einrüstung einer fernbedienbaren Waffenstation (insbesondere bei Gewichten über 200 kg) die Auswirkung der Gewichtserhöhung auf das Fahrzeug überprüft werden. Ebenso muss die Auswirkung der geänderten Schwerpunktlage unter fahrdynamischen Gesichtspunkten überprüft werden. Die Integration der Waffenanlage wird häufig eine Verstärkung der Dachstruktur erfordern. Die zur Waffenstation zugehörige Elektronik muss auf die spezifischen Rahmenbedingungen des Fahrzeugs (z.B. auf die zu erwartenden Temperaturverhältnisse im Kampfraum) sowie die vorhandenen Konturen und Aufbauten zugeschnitten werden, um eine Eigengefährdung beim Waffeneinsatz auszuschließen. Schließlich bedarf es auch einer Untersuchung auf elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), um die Kompatibilität der Bauteile der Waffenstation unter allen Betriebsbedingungen des Fahrzeugs sicherzustellen.

Underbelly-IED können selbst bei gepanzerten Fahrzeugen zu ernsthaften Schäden führen.

Schutz/Überlebensfähigkeit

Eine primäre militärische Forderung für ein geschütztes Fahrzeug stellt naheliegenderweise der Schutz bzw. die Überlebensfähigkeit der Besatzung dar. Dabei stehen die Schutzforderungen im direkten Zielkonflikt mit den Mobilitätsforderungen. Eine weitere Verschärfung der Situation tritt bei gleichzeitiger Vorlage von Forderungen nach Lufttransportierfähigkeit ein. Hier hat sich in den vergangenen 40 Jahren ein grundsätzlicher Wandel in der Auslegungsphilosophie militärischer Fahrzeuge vollzogen: Während frühere Fahrzeuge (Fuchs, Luchs, aber auch Marder, Leopard 2) ausgehend von der Serienversion noch über ein ausgeprägtes Wachstumspotenzial verfügten, werden modernere Fahrzeuge aufgrund der offenkundigen Zielkonflikte heute so ausgelegt, dass bereits bei der Einführung das zulässige Gesamtgewicht bzw. Lufttransportgewicht praktisch ausgereizt werden.

Die Folge dieser neuen Auslegungsphilosophie ist nicht nur die Tatsache, dass ein nennenswertes Aufwuchspotenzial nicht mehr vorhanden ist. Vielmehr werden auch bei den neueren Fahrzeugen die Baugruppen von Antrieb und Fahrwerk im Einsatz einer grenzwertigen Belastung ausgesetzt. Gewichtstreiber sind bei geschützten Fahrzeugen häufig die Glasflächen, da z.B. der Schutz gegen Beschuss aus Scharfschützengewehren eine Glasdicke von über 70 mm (entspricht einem Flächengewicht von über 150 kg/m2) erfordert. Der verständlichen Forderung nach Verkleinerung der Glasflächen steht die zulassungsrechtliche Forderung nach ausreichenden Sichtbereichen für den Fahrer gegenüber. Hier muss um einen für alle Seiten tragfähigen Kompromiss gerungen werden! Ein nicht triviales Problem stellt die Reinigung (und Beheizung) von beschusssicheren Scheiben dar; bislang ungelöst ist die Reinigung der Seitenscheiben.

Wirksame Deflektoren (hier am Beispiel des südafrikanischen Lkw Casspir) zeigen einen Neigungswinkel von 45 Grad oder kleiner auf. Sie führen allerdings zu vielfältigen anderweitigen Problemen (z. B. in der Fahrdynamik). (Grafik: Archiv Autor)

Die aktuelle Bedrohung in den Einsatzgebieten erfordert einen polyvalenten Schutz; dieser reicht vom Schutz gegen eine punktuelle Bedrohung (Handfeuerwaffen, Splitter usw.) bis hin zur großflächigen (Blast-)Belastung von Fahrzeugstrukturen bei IED-Ansprengungen (Underbelly- oder Roadside-IED). Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine einseitige Auslegung des Schutzkonzeptes auf einen Schutz gegen Durchdringung/Durchschlag u. U. zu einem völlig unzureichenden Schutz gegen eine Blast-Belastung führen kann. Sofern es das zulässige Gesamtgewicht erlaubt, kommt eine Verbundpanzerung zum Einsatz; hier wird häufig für die Außenfläche ein hochhartes Material (z.B. Keramik oder hochharter Panzerstahl) zur Zerstörung von Projektilen aus Handfeuerwaffen kleinkalibriger Munition eingesetzt. Die Absorption der kinetischen Energie erfolgt in der mittelharten Grundpanzerung. Zum Auffangen von Fragmenten oder zur Reduzierung des Splitterkegels wird häufig an der Innenseite der Schutzzelle ein Liner aufgeklebt.

Bezüglich des ballistischen Schutzes richtet sich bei der Erprobung das Augenmerk auf typische Schwachstellen der Struktur – wie z.B. Türspalte, Randschwächen von Schutzelementen und Scheibenrahmen, Schweißnähte (z.B. bei Türscharnieren), Linerspalte usw. Durch eine konsequente Entwicklungsarbeit stehen heute leistungsfähige Simulationsprogramme zur Verfügung, um bereits vor Durchführung von kostenintensiven Erprobungen an der Hardware eine entsprechende Schwachstellenanalyse durchführen zu können.

Als Schutz gegen Minen oder Underbelly-IED wurden bei einer Reihe von Fahrzeugen Deflektoren oder eine sogenannte V-Shape-Hull angewendet. Erfahrungen im Einsatz haben gezeigt, dass die Bleche eines Deflektors in einem möglichst großen Abstand zum Boden und möglichst in einem spitzen Winkel (< 45 Grad) zueinander angeordnet werden müssen, damit die Blast-Front tatsächlich abgelenkt wird, seitlich abfließt und nicht zu einer Verformung des Deflektors führt. Durch Deflektoren unter dem Fahrzeugboden wird bei Materialerhaltungsarbeiten der Zugang zu Bauteilen der Kraftübertragung erschwert. Sofern Deflektoren nicht allseitig (Vorder-/Rückseite) geschlossen sind, kann sich beim Einsatz Schmutz und Schlamm in der Kehle des Deflektors ansammeln und zu einer spürbaren Gewichtserhöhung führen. Besonders kritische Situationen können sich ergeben, wenn Metallteile (z.B. Schrauben) in den Deflektor gelangen, die im Falle einer Minendetonation nach oben beschleunigt werden und den Boden der Schutzzelle durchschlagen. Wie das Beispiel von neueren Fahrzeugen zeigt, stehen heute wirksamere Schutzmethoden für den Fahrzeugboden zur Verfügung.

Erkenntnisse aus aktuellen Einsätzen haben gezeigt, dass die häufig für IED-Anschläge benutzten HME-Sprengstoffe (Home-made Explosives) bei der Explosion einen ausgeprägten Explosionsschwaden mit hoher Temperatur erzeugen, der eine relativ längere Wirkzeit besitzt, als dies z B. bei hochbrisanten, militärischen Sprengstoffen der Fall ist. Bei kurzzeitiger Verformung der Struktur der Schutzzelle können Spalte entstehen, durch die diese heißen Schwaden vorübergehend in den Kampfraum eindringen. Daher müssen die Schließmechanismen von Türen unter Einsatz dieser besonderen Sprengmittel bei der Erprobung untersucht werden. Ebenso ist ein wichtiger Untersuchungspunkt die schocksichere Befestigung von Ausrüstungsteilen bzw. Teilen eines Rüstsatzes. Hierbei haben sich in vielen Fällen flexible Aufbewahrungselemente (Netze, Waffensäcke usw.) sehr gut bewährt.

Die Einsatzerfahrungen haben ergeben, dass es häufig nach IED-Angriffen zu Folgeunfällen kommt, d.h. das Fahrzeug stürzt um oder stürzt im schlimmsten Fall einen Abhang herunter. Hier müssen wirksame Rückhaltesysteme und eine entsprechende Sitzgestaltung die Besatzung vor Folgeschäden bewahren. Bei leichteren Fahrzeugen sind Überrollbügel erforderlich. Insgesamt hat es sich als vorteilhaft gezeigt, wenn die Oberkanten eines Fahrzeuges abgeschrägt werden. Diese Maßnahme reduziert die Belastungen im Falle eines Umsturzes aus der Bewegung. Darüber erfahren auch die in den Schrägflächen befindlichen Scheiben bei einem IED-Angriff (Roadside-IED) eine geringere Druckbelastung.

Schließlich gehören auch zur systemtechnischen Auslegung entsprechende Konzepte und Maßnahmen für eine Notbergung der Besatzung im Falle eines umgestürzten Fahrzeugs.

Bordnetz/Elektronik

Die steigende Anzahl elektronischer Komponenten in Verbindung mit einem höheren Umfang an Software-basierten Funktionalitäten erfordert bei modernen geschützten Fahrzeugen besondere Maßnahmen, damit es bei Störungen (z. B. Über- oder Unterspannungen) der Bordnetzversorgung im Ernstfall nicht zu sicherheitsrelevanten Situationen kommt. Wichtige elektrische/elektronische Geräte (z. B. Steuergeräte) müssen in solchen Situationen in der Lage sein, einen Notbetrieb in einem Sicherheitsmodus zu ermöglichen. Als Alternative können in Einzelfällen auch sogenannte Battle-Switches oder Override-Schalter vorgesehen werden, um bei Störungen im System eine wichtige Funktionalität aufrechterhalten zu können.

Der Einbau elektronischer Geräte erfordert bezüglich des Einbauortes sorgfältige Vor-
überlegungen. Insbesondere bei Bauteilen mit einem hohen Verlustwärmeanteil kann es bei Einsätzen in ariden Regionen in Verbindung mit hohen Temperaturen im Kampfraum relativ schnell zu Ausfällen kommen, wenn bei dem Einbauort kein ausreichender Austausch der Umgebungsluft möglich ist. In einigen Fällen konnte in der Vergangenheit bei Einsätzen in Afghanistan die Betriebssicherheit von elektronischen Steuergeräten nur aufrechterhalten werden, weil die Besatzungen durch handgehaltene Ventilatoren für einen Luftaustausch am Einbauort gesorgt haben.

Eine besondere Beachtung erfordert bei modernen Fahrzeugen mit einem hohen Elektronikanteil auch die Überprüfung der Höhe des Ruhestromes. Hier hat es in einigen Fällen in der Vergangenheit bereits nach relativ kurzen Standzeiten des Fahrzeugs schon böse Überraschungen bezüglich des Ladezustandes der Batterie gegeben. Fahrzeuge mit einem hohen Elektronikanteil sind naheliegenderweise auch anfälliger gegen eine EloKa-Bedrohung und bedürfen daher gesonderter Härtungsmaßnahmen.

Simulationsergebnisse können heute potenzielle ballistische Schwachstellen (hier rot dargestellt) bei geschützten Fahrzeugen aufdecken. (Grafik: CONDAT)

Gegenüber der zivilen Version einer handelsüblichen Plattform erfordert die militärische Nutzung aufgrund der vielfältigen Verbraucher (z. B. Wärmebild- und Funkgeräte) eine höhere Generatorleistung zur Realisierung einer ausgeglichenen Energiebilanz. Allein der Kompressorantrieb einer Kampfraum-Kühlanlage kann in Einzelfällen eine Leistung bis zu 10 kW abziehen. Dies ist auch im Hinblick auf die Mobilität des Fahrzeugs zu beachten, da diese Leistung in kritischen Situationen nicht mehr für den Vortrieb des Fahrzeugs (z.B. an Steigungsstrecken oder im Hochgebirge) zur Verfügung steht.

Abschließende Bemerkungen

Die zielgerichtete Umsetzung von Erfahrungen aus bisherigen Einsätzen sowie zukünftige taktische Erfordernisse z. B. aufgrund neuer Bedrohungsmittel wird zu leistungsfähigeren geschützten Fahrzeugen führen (müssen). Hierbei werden neue Technologien insbesondere im Bereich des Schutzes (z.B. Nanotechnologie) oder des transparenten Schutzes (transparente Keramik) zu einer Erhöhung der Überlebensfähigkeit der Besatzungen beitragen. Es bleibt abzuwarten, ob auch in Zukunft noch weiterhin handelsübliche Plattformen für die Realisierung der anspruchsvollen militärischen Forderungen genutzt werden können. Unabhängig von der Art der Plattform werden die Kosten für zukünftige geschützte Fahrzeuge mit den Ansprüchen der militärischen Forderungen zwangsläufig ansteigen.

Autor: Rolf Hilmes